Meine Zeit auf der grünen Insel
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vakantio.de/hanna-ireland

Update zu meinem Alltag: Freiwilligenarbeit im Heim und Job als Au Pair 🤔

Veröffentlicht: 05.04.2019

Hellooooooo!

Seit genau 28 Wochen lebe ich in Irland. Drei Viertel meiner Zeit hier sind vorbei und vor allem in den letzten Wochen hat sich nochmal sehr viel für mich hier verändert. Mir ist auch aufgefallen, dass ich, wenn ich mich richtig erinnere, nur in meinem ersten Blogeintrag auf meine normale „Routine“ unter der Woche eingegangen bin. Vor allem, wenn ich an die drei Monate vor Weihnachten zurückdenke, ist es schon ziemlich erstaunlich wie sehr sich mein Alltag, aber auch meine generelle Gefühlslage jetzt unterscheidet. Deswegen möchte ich heute mal darüber schreiben, was genau denn jetzt anders ist.

Vor einer Weile hat mich einer meiner Freunde aus Cottbus gefragt, ob ich denn überhaupt noch ein Au Pair bin und mit meiner anfänglichen Gastfamilie zusammenlebe. Die Antwort lautet: Ja! :D Aber so abwegig ist die Frage ja eigentlich gar nicht, da ich meine Gastfamilie und meinen eigentlich „Job“ ja nicht mehr weiter erwähnt habe. Und das aus dem einfachen Grund, dass es nichts zu erwähnen gibt. Das ist nicht negativ gemeint, aber es ist einfach so, dass sich diesbezüglich für mich seit dem Anfang eigentlich nichts verändert hat. Meine Aufgaben sind nach wie vor die gleichen: Ich wasche und bügele die Sachen der Kinder; kümmere mich früh um die Küche und gehe mit dem Hund raus. Außerdem sorge ich dafür, dass das Zimmer der Jungs zumindest grundlegend aufgeräumt ist, bevor sie nach Hause kommen...da es ja bekanntlich am einfachsten ist, im Stress früh die Sachen aus dem Kleiderschrank im Zimmer zu verteilen (falls man nicht den gewünschten Schulpullover aus 10 gleichen Exemplaren ausfindig machen kann), das Geschirr auf dem Schreibtisch stehen zu lassen und alle Sachen, anstatt sie wieder in den Schrank zu hängen oder in den Wäschekorb zu werfen (welcher sich im gleichen Zimmer befindet), lieber auf dem Boden verteilt. So langsam verstehe ich, warum sich Mama über die ein oder andere Faulheit gern mal aufgeregt hat :D.

Meine Beziehung zur Gastfamilie generell unterscheidet sich zu der der meisten Au Pairs, die ich hier kennengelernt habe. Ich bin anfangs mit der Vorstellung und auch Erwartung hergekommen, Teil einer Familie zu werden. Zumindest für die 9 Monate, die ich hier verbringen würde. Dem ist leider nicht so und meine Erwartungen wurden dadurch ziemlich enttäuscht – vor allem in der ersten Zeit. Meine Absicht ist e nicht, in irgendeiner Weise schlecht über die Familie zu reden! Ich denke, dass vor allem das Alter der Kinder dabei eine große Rolle spielt. Sie sind in dem Sinne einfach keine Kinder mehr, die mich als Bezugsperson bräuchten und haben auch einfach andere Themen. Zudem sind sie an Au Pairs gewöhnt, sodass es für sie nichts Neues oder Besonderes mehr ist, dass dauerhaft eine zusätzliche Person bei ihnen im Haus wohnt – vor allem, wenn diese Person über Jahre hinweg immer wieder durch eine neue ersetzt wird. Meine Gasteltern sehe ich meistens nur abends, da sie lange arbeiten und das auch nicht täglich, da ich an zwei Abenden der Woche zur Sprachschule gehe und am Wochenende zu 80% der Tageszeit unterwegs bin. Dazu kommt, dass ich eine eher introvertierte, abwartende Person bin und mich schneller mal zurückziehe. Der Umgang miteinander hier ist definitiv immer freundlich, höflich und sehr professionell. Ich hatte noch nicht ein Mal irgendeine Auseinandersetzung was meine Aufgaben angeht und da kann ich mich sehr glücklich schätzen, dass die Familie damit so professionell umgeht. Unser Umgang ist dennoch eher distanziert, was mir am Anfang schwer gefallen ist, da ich aus einer ganz anderen Familiensituation gekommen bin. Mittlerweile kann ich damit aber gut umgehen und weiß meinen Freiraum sehr zu schätzen – ich muss im Gegensatz zu anderen Au Pairs z.B. nie am Wochenende babysitten. Trotzdem tut es mir manchmal ein bisschen weh, von anderen Au Pairs zu hören, wie sehr sie in das Familienleben involviert sind und teilweise mit ihren Gastfamilien zu Veranstaltungen gehen, in den Urlaub fahren usw… auch von den Kindern, welche um einiges jünger sind kommt viel mehr zurück. Mir fällt es manchmal schwer, den Jüngsten zu kritisieren oder ihm Grenzen zu setzten, da dafür meiner Meinung nach die Beziehungsgrundlage fehlt. Anfangs wollte ich ja am Freitag immer etwas mit ihm kochen oder backen, aber mir ist dann ziemlich schnell bewusst geworden, dass der Reiz der Playstation einfach größer ist ;) - was ich ihm auch kein bisschen übelnehme.

Aber um auf das Thema „Freiraum“ zurückzukommen… Ich muss ehrlich zugeben, dass mir die Vormittage in den ersten Monaten sehr lang vorgekommen sind und ich mit dieser Strukturlosigkeit nicht so gut umgehen konnte. Es hört sich vielleicht etwas seltsam an, aber es war für mich echt nicht leicht so viel Zeit nur mit mir selbst zu verbringen. Ich habe sehr viel nachgedacht und hatte auch gut Zeit, Heimweh zu haben. Doch genau das gibt einem die Chance bzw. zwingt einen eigentlich schon fast, persönlich zu wachsen und sich selbst besser kennenzulernen.Mittlerweile habe ich mir da aber selbst ganz gut einen Alltag aufgebaut, der so aussieht, dass ich jeden Tag vor um 10 das Haus verlasse. Ich bin immer noch an drei Vormittagen im Heim, wo sich meine Aufgaben in den letzten Wochen auch nochmal sehr verändert haben. Aber darauf werde ich gleich noch genauer eingehen. An den anderen Vormittagen habe ich Zeit, mich mit einer Freundin aus dem Nachbarort auf einen Kaffee und einen Spaziergang am Meer oder im Park zu treffen oder ins Gym zu gehen.


Seit einigen Wochen helfe ich montags immer im Daycare Bereich des Demenzheimes. Anfangs hatte ich das Gefühl, dort nicht so richtig eine Aufgabe zu haben.. aber das hat mir wieder mal gezeigt, wie wichtig es ist, den Dingen einfach Zeit zu geben. Mir, um mich an die neue Situation, und die neuen Gesichter zu gewöhnen und den Leuten dort, um mich kennenzulernen.

Meine aktuelle Mission ist es, den Leuten ein paar deutsche Wörter und Redewendungen beizubringen, woran auch wirklich alle interessiert sind. Einige der Mitarbeiter begrüßen mich jetzt immer mit „Guten Morgen“. Ein Mann hatte besonders viel Freude daran, er ist während seiner Zeit bei der Marine ziemlich viel herumgekommen und kann bruchstückhaft ein paar deutsche Phrasen. Ab und zu versucht er auch mit mir in französisch zu kommunizieren – womit ich leider nicht dienen kann. Am lustigsten finde ich es, Wörter mit einem „ch“ zu üben, da ihnen die Aussprache besonders schwer fällt und meistens nur ein „sch“ zustande kommt. Generell finde ich es total interessant, mir die Geschichten anzuhören: wie z.B. ein Mann seiner Frau beim ersten Treffen einen Heiratsantrag gemacht hat und sie bis heute glücklich verheiratet sind.

Am Dienstag bin ich nach wie vor in der Lodge, in der ich seit Beginn helfe. Es ist so schön zu sehen, dass die Residents mich wiedererkennen, was ich in ihren Gesichtern sehe, sobald ich ankomme. Letztens saß ich z.B. in der Küche als die Frau, für die ich ein „Buddy“ bin, total angefangen hat zu strahlen, sobald sie mich gesehen hat - obwohl sie keinen schönen Morgen hatte und allen anderen gesagt hat, dass sie die Menschen und diesen Ort hasst. Generell merke ich, dass ich für die Leute in dieser Lodge immer vertrauter werde. Eine der Frauen hat mich letztens z.B. einfach umarmt. Am Anfang war sie so zurückhaltend, dass sie mich nicht Mal angesprochen hätte.

Jede Person braucht eine andere Art von Zuwendung und mir fällt es immer leichter, mit der richtigen Art und Weise auf sie einzugehen - damit sie sich sicher und wohl fühlen und vor allem gesehen. Mir fällt es auch auf, wann sie einen "guten" und wann sie einen "schlechten" Tag haben, bzw. sind es teilweise ganze Phasen. Eine der Frauen dort war z.B. anfangs immer eher etwas mürrisch oder grantig und hat sich sehr schnell über verschiedene Dinge beschwert. In letzter Zeit macht sie immer öfter Witze, neckt andere Personen gern und man merkt, wie warmherzig sie hinter dieser "Fassade" eigentlich ist. Eine andere Frau, die in ihrem Stadium der Demenz schon relativ weit vorangeschritten ist und öfter auch mit den Fingern isst oder andere "seltsame" Dinge tut, hat ab und zu mal Momente, in denen sie fast "da" ist. Und diese Momente sind so wertvoll! Sie redet oft wirres Zeug, aber ihr fällt immer auf, dass meine Hände kalt sind und möchte sie dann wärmen oder sagt, dass sie mir Handschuhe holen geht. Sie ist oft in ihrer ganz eigenen Welt und genau dahin begibt man sich zusammen mit ihr. Es ist manchmal beispielsweise nicht ganz so leicht, sie zu überreden irgendwo mit hinzukommen.. ob es jetzt das Wohnzimmer, die Küche oder die Kirche ist. Man kann nicht mit allen Residents gleich reden oder sie einfach an die Hand nehmen und sagen: Wir gehen jetzt dorthin oder noch schlimmer: Komm mit. Auf jeden Fall denke ich, dass ich die Personen ganz gut einschätzen kann. Mir fällt es oft leicht, deren Bedürfnisse in genau diesem Moment zu erkennen und dann auch entsprechend auf sie einzugehen - und das fühlt sich für mich sehr gut an.

Mit einer Frau, deren „Buddy“ ich bin, beschäftige ich mich etwas intensiver. Ich merke auch, dass ich dadurch für sie eine Art Bezugsperson geworden bin und sie mir vertraut. Mit ihr lese ich öfter Briefe von ihren Familienmitgliedern oder Freundinnen oder wir unterhalten uns über ihre früheren Hobbys. Sie hatte mir erzählt, dass sie gerne gemalt hat und so haben wir dann auch schon zusammen gemalt, was ihr sehr viel Freude bereitet hat.


Ab und zu hat sie auch mal einen schlechten Tag und auch das wird respektiert. Wir saßen im Wohnzimmer und haben einen Film geguckt, als dann alle zum Essen geholt werden sollten: Sie wollte nicht aufstehen und so wurde für uns beide das Essen ins Wohnzimmer gebracht und wir haben weiter zusammen Titanic geguckt.

Viel Spaß macht mir am Dienstag auch immer das „Fit for Life“, wobei es darum geht, die Gelenke und Muskeln durch verschiedene Übungen mit Stäbchen oder Bällen zu mobilisieren. Besonders hierbei ist es total schön, die Interaktion zwischen den Residents zu beobachten. Sie machen sich gegenseitig Komplimente, machen Witze, necken sich, nerven sich  und haben ab und zu auch mal kleinere Auseinandersetzungen. Die ganze Bandbreite an Gefühlen ist also vorhanden und sie erinnern mich auch öfter mal an Kinder, zwischen denen man einen Streit schlichten muss.

Neu ist, dass ich seit dieser Woche am Mittwoch mit einigen Residents Tennis spiele. Da die Temperaturen hier momentan leider alles andere als frühlingshaft sind, wurde das Training nach drinnen verlagert und wir haben mit ganz einfachen Übungen angefangen. Dabei waren ca. 10 Residents und jeder hatte eine Person - ob Mitarbeiter, Freiwilliger oder Familienangehöriger - die für sie zuständig war. Meine Partnerin war eine Frau im stolzen Alter von über 90 Jahren, die den Tennisschläger aber noch so schwingt, als wäre sie 20 Jahre jünger. Im gleichen Raum ist auch ein Tisch mit Tee und Keksen aufgebaut, sodass alle zwischendurch immer mal kurz (oder auch sehr lange :D) ein Päuschen machen können. Jedenfalls freue ich mich sehr, auf diese Art und Weise auch endlich mal Tennis ausprobieren zu können :).

Heute ist Sonntag und in einer Kirche im Nachbarort wurde ein Konzert veranstaltet um Spenden zu sammeln. Ich hatte angeboten, bei den Vorbereitungen und mit den Residents, die nicht mit Familienmitgliedern hingebracht werden konnten, zu helfen. Es sind verschiedene Chöre aufgetreten, Soloartisten und auch die Frau, die ich aus dem Daycare Bereich kenne. Sie singt schon ihr ganzes Leben lang - in über 5 Sprachen - und ich finde es beeindruckend, mit welcher Präsenz und Stimmkraft sie mit ihren 82 Jahren aufgetreten ist.


Die Koordinatorin der Freiwilligen gibt sich wirklich sehr viel Mühe, die Bedingungen ständig für uns zu verbessern, auf unsere Wünsche einzugehen und uns zu vernetzen. Letztens fand beispielsweise ein volunteer meeting statt, was uns die Chance gegeben hat, Freiwillige aus anderen Bereichen kennenzulernen und auch Situationen durchzusprechen, in denen wir uns vielleicht unsicher sind, wie man am besten handelt. Was sagt man zum Beispiel, wenn eine Person auf die Armlehne ihres Stuhl zeigt und sagt, dass das ihr Vater sei? Oder eine Frau sitzt neben dir und vertraut dir an, dass sie ein ungutes Gefühl hat und glaubt, dass sie beklaut wurde? (genau das ist mir heute passiert)

Um nach diesem Roman mal zu einem Abschluss zukommen.. Ich bin mit der Situation in meiner Gastfamilie sehr zufrieden, vor allem da ich dadurch auch erst die Gelegenheit bekommen habe, mit der Freiwilligenarbeit zu beginnen. Ich denke, dass diese Erfahrung mich persönlich sehr weiterbringt, auch in Bezug auf meine berufliche Perspektive. Es sollte wohl alles so sein wie es ist – auch, dass ich letzte Woche durch Zufall ENDLICH andere Au Pairs kennengelernt habe, welche auch seit September in Shankill wohnen… Aber hätte ich sie eher getroffen, hätte ich bestimmt nicht das Bedürfnis gehabt, meine Vormittage in der Art zu verbringen, wie ich es jetzt mache. Das Heim ist mir sehr ans Herz gewachsen und mir ist bewusst geworden, dass es bis jetzt tatsächlich das Beste ist, was mir während meines Aufenthaltes in Irland passiert ist.

Ich kann es kaum erwarten in einer Woche meine Familie endlich meiner Gastfamilie vorzustellen und ihnen das Heim und meine Lieblingsorte hier zu zeigen.

Liebe Grüße und Respekt an jeden, der es bis hierhin durchgehalten hat :D

Hanna ❤️

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