Veröffentlicht: 10.11.2018
Die erste Aufregung und die totale Überforderung schwinden allmählich... Das Gefühl von Vertrautheit und eine Art „Routine“ kehren ein.
Uns wurde mehrmals gesagt, dass wir den perfekten Zeitpunkt für unsere Ankunft hier in Cuenca gewählt haben. Warum? Wir entführen euch kurz und lassen gemeinsam die letzten Tage hier Revue passieren.
Als wären die beiden katholischen Feiertage, Allerheiligen und Allerseelen, noch nicht genug, so gesinnt sich zusätzlich der Unabhängigkeitstag Cuencas (erlangt 1820 – am 3.November) hinzu.
Eins können wir euch sagen, man gewöhnt sich tatsächlich an alles. Mittlerweile schafft es nichtmal mehr der, seiner Routine treu bleibende, Gockel uns, in aller Herrgotts Früh, mit seinem lauten Gekrächze den Schlaf zu rauben.
Lediglich die Schwestern scheinen seinem Weckruf zu folgen...unglaublich, aber schon ab 5 Uhr erwacht das Kloster zum Leben. Die Morgenroutine enthält neben Gebeten und der Messe auch noch das Vorbereiten des Frühstücks für die gesamte Klosterfamilie, der wir mittlerweile auch schon angehören.
Es wurde, bzw. wird immer noch sehr viel Rücksicht auf die Neuankömmlinge genommen, denn ganz auf der Höhe sind wir immer noch nicht.
Auch wenn wir noch das Schonprogramm genießen kann man keinesfalls von Langeweile sprechen. Gerade noch das vorzügliche Mittagessen genossen, schon stehen wir plötzlich in der Bäckerei.
Hierbei möchten wir euch gleich von einem tollen Projekt des Klosters erzählen. Schwester Tania, la chefa de la panaderia, arbeitet hier derzeit mit vier jungen Müttern an der Herstellung von leckerem Brot.
Das Ziel des Ganzen ist, dass die Frauen einerseits Geld verdienen können, andererseits Ihnen ein ausreichendes Wissen dieses Handwerks beigebracht wird und neue berufliche Perspektiven geschaffen werden.
So ist es Ihnen möglich das Erlernte in anderen Betrieben einzusetzen, Erfahrungen weiterzugeben oder gar eine eigene Bäckerei zu führen. Kein Weg scheint zu weit...so erfahren wir von Victor, einem 8 jährigen Jungen, dass seine Mutter täglich eine einstündige Anreise auf sich nimmt um hier zu arbeiten und zu lernen.
Die Stimmung in der Bäckerei empfinden wir als sehr angenehm, lustig und herzlich. Besonders imponiert uns der respektvolle und wertschätzende Umgang zwischen Schwestern und den „Bäckermeisterinnen“.
Wenn wir schon mal in der Bäckerei sind, dann können wir auch gleich unsere mehr oder weniger flinken Finger zum Einsatz bringen. Oberste Priorität des heutigen Tages...massenhaft Brot-Babys produzieren.
Wir dürfen euch nun die erste, uns bekanntgewordene, Tradition Ecuadors vorstellen.
Am „Día de los difuntos“, also Allerseelen, kann man dem Guagua-Pan (gesprochen wawa) sowie Colada Morada quasi gar nicht entkommen. Das kleine, bunt verzierte Babybrot, strahlt einen aus jeder noch so kleinen Bäckerei, jedem Markt und Straßenstand an. Dazu gibt es das warm servierte Getränk Colada Morada....die typische dunkelviolette Farbe wird dem Getränk durch das schwarze Maismehl (ja sowas gibt es tatsächlich) sowie der vielzahl an frischen Brombeeren verliehen. Verfeinert wird das Ganze noch mit diversen tropischen Früchten und erobert sofort unser Herz.
Scheinbar haben wir gute Arbeit geleistet und hinterließen einen hervorragenden Eindruck beim Babymachen, denn tags darauf hatten wir die Ehre 1200 ofenfrische Hot-Dog Brötchen (welche jeden Tag gemacht werden) zu verpacken. 10 Stück werden zu je 1 Dollar verkauft und das Geld kommt letztendlich wieder dem Projekt „Panadaria“ zu Gute.
Zwei weitere ecuadorianische Speisen können wir auf unsere Kulinarkliste hinzufügen.
Pan de Yucca >>> Brotteig aus Yuccawurzel, Eiern und Frischkäse. Ordentlich zäh zwischen den Zähnen aber das tut dem Geschmack der kleinen Brötchen nichts ab.
Humitas >>> Maisgrieß mit Zucker und Käse im Maisblatt gedämpft. Wir wussten ja, dass Südamerika bestimmt preiswert sein wird ABER für Sage und Schreibe 1,50 € gab es dieses feine Essen inkl. 2 Tassen Tee im Cafecito de la abuela (Kaffee der Oma).
Die Abenteuer von Simone und Michi gehen weiter....Am Samstag, den 3.November, nahm uns Schwester Tania mit auf den „Feria Libre“, den größten Markt Cuencas. Wir ahnten nicht, dass er sich über mehrere Straßenblocks erstreckt und wie riesig er ist. Ohne Tania wären wir bestimmt zwischen den gigantischen Haufen Bananen und den unzähligen einzelnen Obst- und Gemüseständen (diese Auswahl...ein Wahnsinn) verloren gegangen.
Un Dollar....das hörten wir von allen Seiten. Kulturschock selbstverständlich inklusive. Abgesehen von dem in der Sonne liegenden Fleisch und Fisch schien aber alles sehr sauber und das Obst/Gemüse von bester Qualität zu sein.
Unglaublich wie unermüdlich Señora Simonita spanisch lernt, als gäbe es kein Morgen. Stundenlang sitzt sie da und man merkt richtig wie ihr der sprichwörtliche Knopf aufgeht. Michi, der persönliche Professor, dessen Wissen dabei auch ordentlich auf die Probe gestellt wird hört sehr oft: „Du, Michi, wie sagt man da?“, „Eine Frage habe ich noch“, „Warum ist das so?“ etc.
Bestätigt wird der Fortschritt wenn die liebe Schwester Eva wieder mal sagt, dass sie sich schon ordentlich verbessert hat. Sie nimmt sich aber den Spaß nicht Simone regelmäßig ein wenig zu prüfen und zu fordern.
Um Professor Michi ein wenig zu entlasten muss also eine richtige Sprachschule her – also brav die Schulbank drücken. Wir können Amauta, im Zentrum Cuencas, empfehlen, wo wir nun bereits seit einigen Tagen die Vorzüge von Privatunterricht genießen. Nicht nur die Sprache an sich, sondern auch die Kultur Ecuadors lernen wir Schritt für Schritt durch unsere netten Lehrerinnen (Katalina und Miriam) kennen.
Unsere Freizeit schwindet gerade etwas. Der Vormittag ist mit zur Schule gehen belegt, am Nachmittag dürfen wir mittlerweile die Kleinen beschäftigen, bzw. beschäftigen Sie uns.
Am Abend rauchen unsere Köpfe beim Hausaufgaben machen, die Nerven liegen gelegentlich blank – geschenkt wird einem eben nix.
Der Bier-Durst, das Verlangen nach Kaffee und Kuchen sowie ecuadorianische Köstlichkeiten kann mittlerweile schon besser gestillt werden. Die Stadt wird uns immer vertrauter, wir entdecken ständig neue Locations.
Hier lässt es sich wirklich leben.