Veröffentlicht: 28.07.2017
Wir campierten königlich bei First Camp Umeå, Dusche und Frisbeesession inklusive, und genossen den sonnigen Morgen so sehr, dass wir beim Neubeladen des Autos zeitlich etwas ins Hudeln kamen - 11 Uhr war Check-out. Auf direktem Weg begaben wir uns ins Zentrum von Umeå. Aufgrund eines großen Brandes 1888 wurden alle Straßen der Unistadt mit Birken bepflanzt, um so Funkenflug zu vermeiden. Diese riesigen Birkenalleen verleihen der Stadt mit ihren alten Backsteingebäuden einen besonderen Charme. Abgesehen davon wirken Hafen und Innenstadt modern und lebendig - sehr ansprechend. Gegen 12 Uhr traten wir eine weitere große Etappe unserer Reise an. Wir konnten richtig mit ansehen, wie die Landschaft sich veränderte. Saftig grüne Wiesen wurden abgelöst von endlosen dichten dunklen Wäldern, die sich wiederum noch weiter oben, im nördlichsten Teil Schwedens zunehmend savannenartig etwas lichteten. Stundenlang durchquerten wir Lappland ohne auch nur einem einzigen Auto zu begegnen. Irgendwie löste das das Gefühl von Alleinsein in uns aus. Fuhren wir an einem Holzhaus vorbei - übrigens alle mit vorbildlich gepflegten Gärten, da würde selbst die Queen vor Neid erblassen - , fragten wir uns, ob das Leben hier in der Wildnis nicht mitunter sehr hart und einsam ist. Kurz vor Teurajärvi kam uns ein weißer Kombi entgegenkam. Offensichtlich freute er sich genauso wie wir, ein anderes Auto zu sehen, denn er grüßte uns ziemlich aufdringlich mit seiner Lichthupe. Von wegen. Etwas geradeaus, mitten auf der Straße stand ein Elch in voller Pracht. Jetzt verstanden wir, dass die Lichthupe gar kein Gruß war, sondern vielmehr die Info: Packt die Kamera aus so schnell ihr könnt! Tja, wie der schlaue Fuchs sofort erkennt, ist unter den Fotos von heute keine Abbildung eines Elches zu sehen. Der Grund dafür ist, dass der Elch freudestrahlend ziemlich zügig auf unseren Volvo zugaloppierte und Leon am Steuer eben keine Frau mit Multitaskingfunktion ist. So bleibt diese Begegnung für immer bei Leon und mir. Auch nicht schlecht. Der Weg, auf dem das Navi uns zum Nordkap führte, verlief mehrere hundert Kilometer lang neben einer Autobahn auf finnischer Seite her, wie sich im Nachhinein herausstellte. Aber wir sind glücklich, Landstraße gefahren zu sein und den Elch gesehen zu haben. In einer einsamen Tankstelle, wo wir übrigens das erste Mal Asylbewerber in Schweden wahrnahmen (wahrscheinlich Finnen), erkundigte ich mich bei einer netten Dame, ob es gefährlich sei in dieser Gegend wild zu campen. Sie antwortete, es sei schon länger nichts mehr passiert, maximal könnten wir einem Bären begegnen. Da war klar, dass wir heute nicht im Freien schlafen werden. Etwas weiter nördlich - wir verloren langsam aber sicher die Orientierung - leitete das Navi uns über die finnische Grenze. Schlagartig wirkt die Landschaft noch wilder und verlassener. Da hier nun auch die Wildzäune am Straßenrand fehlten, bekamen wir heute doch noch mehrfach Gelegenheit auf Fotoshootings mit Elchen, die absolut selbstbewusst auf der Straße "chillten". Zwar konnten wir aufgrund einer über 100 km langen Baustelle in Finnland nie schneller als 80 km/h fahren, dennoch zwangen die Elche uns zu einigen Vollbremsungen. Zwei Stunden Finnland war definitiv eine Erfahrung. Alle Finnen, die wir zu sehen bekamen, drei an der Zahl, waren kräftig und grimmig (optimal für´s Eishockey!). Die wenigen Häuser ähnelten auf den ersten Blick den schwedischen, jedoch eher Småland im Tschechien-Style. Und natürlich haben fast alle eine Schwitzhütte im Garten. Wenn ich ehrlich bin, war ich doch froh, als wir die Grenze zu Norwegen gegen 22 Uhr überquerten. Schon das erste Haus - eher eine Villa - verdeutlichte, dass wir Finnland hinter uns gelassen hatten. Der erste Eindruck von Norwegens Landschaft ist beeindruckend. Hügeliger, verwinkelter und kurviger als Schweden, aber dennoch pompöser, mächtiger. Soweit das Auge blickt ist sattgrüner Laubwald zu sehen. Das absolute Highlight ist allerdings die Sonne. Der Himmel ist auch jetzt um 23 Uhr noch strahlend blau und die erst gerade eben langsam untergehende Sonne taucht alles um uns, Straßen, Seen, Wälder in ein wunderschönes, warmes Orange. Über dem Wasser tanzen die Elfen im Nebel - das zumindest ist die Waldorfschulversion. Es scheint, die ganze Welt wäre warm und friedlich. Selbst die nun mehr 10°C fühlen sich (im Rock!) lau an.