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Wir lassen Europa hinter uns - Türkei I

Veröffentlicht: 03.04.2023

Während der letzten Tage auf Kreta überkommt uns in Wallungen eine leichte Nervosität, gepaart mit immenser Vorfreude. Der Abschied von neu gewonnenen Freund:innen (Menschen sowie Hunde) fällt unerwartet wehmütig aus.

Danke Griechenland! Du hast uns gut durch den Winter gebracht! Danke für viele schöne und stärkende Begegnungen! Danke für schöne Trails und einsame Straßen! Danke für das wunderbare Angebot an Gemüse! Danke für die Laufcommunity! Danke für warme Sonne im Winter!

Wir werden uns sicher irgendwann wieder sehen! Nur bitte, bitte beende das mit den Kettenhunden, das passt nicht mehr in unsere Zeit!

 

Schließlich gehts dann recht schnell. Wir nehmen den Bus nach Heraklion, von wo uns eine Fähre über Nacht auf die griechische Insel Rhodos bringt. Einige weitere Stunden später laufen wir mit einem Schnellboot im türkischen Hafen von Fethiye ein.

Ziemlich mitgenommen und durchgeschüttelt - nach 2 Stunden auf hoher See mit unerwartet tiefen Wellen.

Eine Nacht der Erholung macht uns bereit für neue Abenteuer. Wir freuen uns aufs unterwegs sein.


Um dem Autoverkehr etwas zu entkommen und weil wir es so sehr lieben, führt uns unser Weg immer wieder über die Berge. Die Straßen sind hier, wie auch schon in Griechenland, ziemlich steil. Das, über die Wintermonate nicht weniger gewordene Gepäck, lässt aufwärts kein flottes Tempo zu. Ich muss mich daran gewöhnen auch mal keine 20km zu schaffen wenn es von 10 auf 800 oder 1200 müM hinauf geht.

Das Klackern der Speichenperlen meines Rades gibt mir den Rhythmus vor, wenn ich langsam den Berg rauf trete. Immer wieder steigen wir für einige Meter ab um zu schieben. In solchen Momenten gehe ich in Gedanken den Inhalt meiner Taschen durch und komme zu dem Ergebnis gar nichts mehr von all dem Zeug zu brauchen. Sobald ich bergab sause, sind solche Ideen nur noch reine Hirngespinste. Wenn wir etwas später irgendwo unser Lager aufschlagen freue ich mich über die Sessel, all die warmen Jacken, das viele Essen etc.


Das Klima im März ist ziemlich mild, das Wetter meist sonnig mit immer wieder Gewitterfronten, die die Temperaturen sinken lassen.

In der Stadt Kumluca verweilen wir einige Tage in einem Apart Otel. Sehr bescheiden, aber alles da was wir brauchen. Hier treffen wir auf Familien, die betroffen vom großen Erdbeben, hierher gekommen sind. Angesichts der Tragik wirken sie recht gefasst.


Auf unserem Weg nach Antalya nehmen wir erneut die Straße durch die Berge. Eine einsame Bundesstraße führt an der Westgrenze des Olimpos Nationalparks nach Antalya. Vor und neben uns ragen die 2000er in den Himmel. So ruhig, so schön.

Immer wieder begegnet uns unaufgeregte Gastfreundschaft - inform von Früchten, die uns ohne viel Worte gereicht werden oder auch mal eine Einladung zum Çai.


Meine Angewohnheit, hungrige, streunende Hunde mit etwas Futter zu versorgen, gewöhne ich mir ab. Eines dieser wunderschönen Tiere beschließt eines Morgens mit uns zu gehen. Auf einer stark befahrenen Straße läuft er kilometerweit mit uns - wir sind unfähig ihn abzuschütteln da es wieder mal bergauf und nur im Schritttempo vorwärts geht. Erst im Downhill können wir ihm davonzischen. Noch Tage später weint mein Herz nach dieser Hundeseele.

Der zweite Grund warum ein füttern nicht notwendig ist, sind die tierlieben Türk:innen. Es ist zu beobachten, dass Hunde und Katzen immer wieder versorgt werden. In manchen Gegenden mehr, in manchen weniger. In Antalya schließlich begegnen uns die fettesten Straßenhunde, die wir je gesehen haben. Sie dösen satt im Gewusel der Stadt.

Freilich gibt es auch hier nicht nur Tierliebe. Die Tierheime sind personell unterbesetzt und oft finanziell unterversorgt. Die Tiere hausen dort oftmals mehr als zu leben. So lese ich in verschiedenen Berichten im Netz. Aber es gibt tierrechtliche Bemühungen auch auf gesetzlicher Ebene - nicht nur in Bezug auf Stadt-, Straßen- und Haustiere.


Schließlich lassen wir die Küste und das Mittelmeer hinter uns. Es geht nun rauf nach Zentralanatolien. Zwei Tage sind wir wiedermal bergauf unterwegs - teilweise eine ziemlich zache Angelegenheit - als Turcay mit seinem Lieferwagen stehen bleibt und uns einlädt mit ihm zu fahren. Da wir für die drei km davor mehr als eine halbe Stunde auf der gerade entstehenden Straße brauchten, springen wir sofort auf. Dieser liebe Mann chauffiert uns schließlich drei Tagesetappen weit - in nur 2 Stunden! Am Schluss gibt er uns noch einige Packungen Halva* und Lokum*. Einfach so. Weil er es möchte. Danke vielmals!


Die Landschaft ändert sich zusehends. Alles wird trockener, karger aber nicht weniger schön! Das Meer ist schon lange nicht mehr zu sehen, die Berge geben immer wieder weite und flache Täler frei.

Und es wird kalt. So richtig kalt!

In Beyşehir gibts daher, bei Mustafa und seiner Tochter Sude im örtlichen Tourismus-/Fahrad-/Wander- und Fotoclub, Kältepause. Die Temperaturen sinken des Nachts auf -5 grad. Auch tagsüber beißt ein kalter Wind in die Finger und die Wangerl.

Der Besuch des örtlichen Hamams könnte grad nicht passender sein! Wir geben uns das volle Programm - Dreckrubbeln, Massage und Ganzkörpershampoonierung.


Beyşehir ist eine Stadt am gleichnamigen See im Westen von Zentralanatolien. Die Berge rundherum laden zum Wandern ein. Der örtliche Tourismusclub tut sein Bestes um hier sanften Tourismus anzukurbeln. Zurecht wie mir scheint!


Als wir nach 5 Tagen wärmeres Wetter erwarten können, zieht es uns mit den Rädern weiter. Gemeinsam mit Malie und Yann aus Frankreich, die wir hier getroffen haben, düsen wir Richtung Konya.


Konya flasht so richtig! Waren wir kurz davor noch in schönster und einsamer Landschaft unterwegs, hüllt uns nur wenige Stunden später das Gewusel einer Millionenstadt ein.


Konya hat Charme. Hier treffen Moderne und Tradition aufeinander. Hier sieht man die Vielfalt der muslimischen Religion inform der unterschiedlichen Moscheen und auch an den Gewändern der Frauen.

Einmal mehr begeben wir uns auf kulinarische Entdeckungsreise. Aber auch ein bissl Kultur darfs hier sein.

Konya ist bekannt für seinen Sufi** Orden der Mevlevi. Einem Orden, der sich der Meditation im Tanz hingibt. Es ist schön anzusehen wie sich die Männer in ihren weißen Kleidern um sich selbst drehen, eins ums andere Mal…


In diesen ersten Wochen in der Türkei haben wir uns verliebt. In die Landschaft, in die Menschen und die Tiere. Hier ist ein Zusammenhalt spürbar, ein gegenseitiges Unterstützen und eine Freundlichkeit, die völlig unaufgeregt gelebt wird. Mit unserem Englisch kommen wir meist nicht recht weit. Das Ohne-Wörter-Buch, GoogleTranslate, Augen, Hände und Zungenschnalzen helfen bei der Kommunikation ganz gut weiter.

Wir freuen uns so richtig über zwei weitere Monate in diesem vielfältigen Land!



*Halva: Halva besteht aus gemahlenen Ölsamen, wie Sesam, Pistazien oder Sonnenblumenkernen, sowie Zucker und Honig. Es gibt unterschiedliche Varianten. Mitunter wird die süße Kleinigkeit auch mit Rosenblüten, Nüssen, Kakao oder Safran verfeinert

Lokum: kleine Würfel aus Zucker,Wasser und stärke mit Nüssen vermengt. Oftmals mit Rosenaroma. Mit Kokos oder Staubzucker überzogen.



** Wikipedia meint dazu: Sufismus oder Sufitum (auch Sufik, arabisch تَصَوُّف) ist eine Sammelbezeichnung für Strömungen im Islam, die asketische Tendenzen und eine spirituelle Orientierung aufweisen, die oft mit dem Wort Mystik bezeichnet wird. Einen Anhänger des Sufismus nennt man Sufist, einen Ausübenden Sufi (arabisch صُوفِيّ) oder Derwisch (persisch دَرویش darwisch)

Antworten (4)

Murat
Ihr müsst Euch den Salzsee in Şereflikoçhisar ansehen. Von Konya Richtung Ankara. Alles gute und viele Spaß

Sita
Danke für den Tipp! Wir planen gerade die Route von Kapadokien Richtung Samsun…

Marion
Wir haben ein Haus in Mavikent neben Kumluca. Hier gibt es sehr viele Hundehasser die regelmäßig den Tierfänger holen und das ist grausam mit einer Drahtschlinge. Auch harmlose Hunde werden eingefangen. Dann landen sie im Tierheim und kommen in die Tötungsstation wenn sie keiner will. Das Land ist wunderschön aber Hundefreunde gibt es nur vereinzelt. Leider

Sita
Das ist traurig und erschreckend zu hören!

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