Veröffentlicht: 15.06.2024
Anfang Mai radeln wir bei Banbasa/Uttarakhand,Indien über die Grenze nach Gadda Chauki, Nepal. Die letzten Kilometer auf Indiens Seite wirken eher wie der Weg zu einem Pilgerort.
Zuerst führt die Straße durch ein Wäldchen, später einen Fluss entlang. Ein Verkaufsstand reiht sich an den nächsten. Es werden Plastikspielzeug, Billigschmuck- und Billigkleidung verkauft und natürlich dürfen die Wägelchen nicht fehlen, die indisches Fastfood anbieten. Die Straße ist einspurig. Menschen strömen zu Fuß oder auf dem Fahrrad Richtung Grenze und von da aus uns entgegen. Auch ein paar Motorräder knattern vorbei. Autos sind kaum zu sehen und auf der Brücke über einen kleinen Staudamm hätten LKW und Busse keinen Platz.
Schließlich holpern wir eine Schotterstraße runter und nur aufgrund vorheriger Recherchen und Zurufen von aufmerksamen Passanten, bremsen wir vor dem unscheinbaren Häuschen der indischen Passkontrolle ab. Der Grenzbeamte lässt sich bei seiner Jause stören um gewissenhaft unsere Daten aufzunehmen. Hochmodern nimmt er per Scanner unsere Fingerabdrücke ab, macht ein Foto und trägt anschließend mit Kugelschreiber alle weiteren Daten in ein großes, fettes Buch ein. Wir plaudern ein bissl übers Radfahren und sausen dann weiter Richtung Nepal.
An einem Schlagbaum müssen wir noch einmal die Pässe dem indischen Militär zeigen. Noch einmal werden unsere Daten händisch in ein Heftchen eingetragen und schon sind wir im Niemandsland.
Eine Sandpiste führt an einem Bächlein durch eine parkähnliche Landschaft. Auf nepalesischer Seite warten Rikschas auf Grenzgänger:innen. Auch hier ist das Einreisebüro so unscheinbar, dass man es glatt übersehen könnte.
Für 50 US $/Person bekommen wir recht unkompliziert ein Visum für 30 Tage. Die Grenzpolizei winkt uns durch und wir sind in Nepal.
Eine lange gerade Straße bringt uns wenig Kilometer weiter in die Grenzstadt Bhim Datta.
Wie viele Städte an Ländergrenzen wirkt dieser Ort etwas abgeranzt. Ein reges Kommen und Gehen, Ankommen und Abschiednehmen färbt die Stimmung.
Auf den ersten Blick scheint alles ähnlich wie auf indischer Seite. Erst nach und nach bekommen wir ein Gespür dafür, dass es nun ein neues Land ist, in dem wir uns befinden. Das erste das auffällt ist, dass es hier ruhiger ist. Es wird kaum gehupt. Viele Menschen sind mit dem Fahrrad unterwegs und die Rikschas werden überwiegend von Elektromotoren betrieben. Die Nepalis selbst sprechen leiser und sind weniger intrusiv in ihrem Umgang miteinander.
In den folgenden Tagen radeln wir den Ost-West Highway Richtung Osten. Eine eben dahingehende Asphaltstrasse. Vorbei an Siedlungen, durch kleine Städte und große Wälder. Immer wieder passieren wir einen Checkpoint des Militär. In den Wäldern leben Bengalische Tiger, Nashörner und man munkelt auch über Einhörner;) In manchen Abschnitten ist ein Durchkommen weder zu Fuß noch per Fahrrad erlaubt. Ein Pick-up wird angehalten und aufgefordert uns die nächsten 15 km mitzunehmen. Später werden wir allerdings immer durchgewunken.
Am Weg Richtung Osten machen wir Halt im Bardiya Nationalpark. Versuchen, bei einer Safari zu Fuß, Tiger und Nashörner zu sichten und sind letztendlich froh, diesen nur von der Ferne ansichtig zu werden.
Einige Tage später erreichen wir die Tempelanlagen von Lumbini. Der Weg hierhin führt durch viel Jungle, über einige Hügel und schließlich an öden Agrarflächen entlang. Alten Aufzeichnungen auf Steinsäulen zufolge, erblickte in eben diesem Lumbini Lord Buddha das Licht der Welt. In einer großen Parkanlage stehen viele Tempel und Stupas - erbaut im Auftrag unterschiedlicher asiatischer Länder - dementsprechend vielfältig ist die Tempelarchitektur. Wunderschön anzuschauen aber nicht beseelt!
Die Hitze dieser Tage treibt zur raschen Weiterfahrt - die Temperaturen steigen auf um die 45 C im Schatten.
Wir verlassen das Flachland Richtung Norden um nach Pokhara zu kommen. Hügel um Hügel treten wir den Siddhartha Highway bergauf, sausen bergab um wieder bergauf zu schnaufen und freuen uns schließlich in die Höhe zu kommen. Der Verkehr hält sich auf diesem Abschnitt in Grenzen - nur zu Beginn wirbeln ein paar LKW, auf ihrer Fahrt zu einer Schottergrube, etwas Staub auf.
Pokhara soll das Ende unserer Radelei in diesem Teil Asiens bedeuten.
Die Fahrt von da nach Kathmandu bewältigen wir einige Tage später mit dem Nachtbus. Die Räder finden am Dach Platz und wir gemütlich auf Sofasitzen.
Zuvor laufen wir den diesjährigen „St. Pauli - Lauf gegen Rechts“ durch die Hügel Pokharas, spazieren am See entlang und üben uns in Gelassenheit ob der bevorstehenden Reisen mit Bus und Flugzeug. Ja, wir verlassen Nepal per Flieger…
Von Kathmandu soll es Anfang Juni nach Istanbul gehen. In der Hauptstadt des Landes treffen wir auf einen Bekannten, der uns einen Nachmittag lang durch die Hügelwälder am Stadtrand führt, wir demontieren die Räder um sie flugtauglich zu machen, sortieren und packen und finden schließlich noch Zeit um die Ruhe und Atmosphäre der Swayambhu Stupa in uns aufzunehmen.
Am Ende bleibt Nepal als landschaftlich wunderschönes Land in Erinnerung, dessen Berge irgendwann mal intensiver und zu Fuß erkundet werden wollen. Dessen Menschen durchaus lieb aber deren Geschäftssinn gewöhnungsbedüftig ist.
Dessen Ruhe ein angenehmer Kontrast zum Lärm Nordindiens ist.
Dessen Dal Bhat (Linsen mit Reis und Gemüsebeilage) zum Niederknien ist und auch das simple Chowmein (Nudeln mit Gemüse) hängt nach gefühlt 50x nicht zum Hals raus.
Danke Nepal! Es war uns eine Freude, dich endlich mal kennen gelernt zu haben!