Veröffentlicht: 21.02.2018
Heute weiß ich gar nicht wie ich anfangen soll. Die Eindrücke der letzten 14 Tage sind wieder so vielfältig und ich komme mit dem Verarbeiten kaum hinterher. Man fährt hier eine Nacht mit dem Zug und ist plötzlich in einer anderen Welt. Ich brauche meist eine zeitlang, um mich auf einen neuen Ort einzustellen und dann geht es oft auch schon wieder weiter.
Darjeeling war so ganz anders als das Indien was ich in den Wochen zuvor kennengelernt habe. Erstmal war es wirklich ganz schön kalt und auch in Restaurants und Cafés musste man in voller Montur sitzen, da es keine Heizungen gab. Die Stadt erschien mir wie eine einzige Baustelle, in jeder freien Lücke entsteht ein neues Hotel. Riesige Jeeps versuchen sich in den engen Straßen aneinander vorbei zu drängen und eigentlich ist überall Stau.
Wir hatten einen Tag, um uns zu klimatisieren und dann ging auch schon los zu unserer fünftägigen Trekkingtour durch den Singalila Nationalpark. Mal wanderten wir auf nepalesischer, mal auf indischer Seite, zwischen elf und einundzwanzig Kilometer am Tag und erklommen am zweiten Tag mit 3636m den höchsten Gipfel auf unserer Tour.
Die Panoramen mit Ausblick auf auf vier der fünf höchsten Berge der Welt waren atemberaubend. Guckt euch einfach die Bilder an und stellt euch dabei absolute Stille vor:
und am nächsten Morgen lag Schnee
Ajay, unser Guide, der sich wirklich großartig um uns gekümmert hat, hat uns dreimal morgens um 5:30 Uhr geweckt, um den Sonnenaufgang zu sehen. Jedesmal hab ich innerlich geflucht, wenn wir im Halbschlaf erstmal auf den nächsten Hügel klettern mussten, um die perfekte Aussicht zu haben. Aber sobald wir oben ankamen, war die Anstrengung schnell vergessen.
Und nicht nur zum Sonnenaufgang hat Ajay und herausgefordert. Auch nachmittags, wenn wir froh waren, endlich das Tagesziel erreicht zu haben, ging es nach einer kurzen Teepause immer nochmal los zum nächsten Viewpoint, um den Sonnenuntergang zu sehen.
Was ich auf der Tour gelernt habe:
1. "Nepali five minutes" sind mindestens "german fifteen minutes" (die Zeitangabe war immer die Antwort auf meine Frage wie weit wir bis zum Aussichtspunkt laufen müssen.
2. "Nepali flat" ist keineswegs die Art von flach, die sich ein Norddeutscher darunter vorstellt und steil bergauf oder bergab war für meine Begriffe schon eher klettern.
3. beim Wandern (zumindest hier) wird die Entfernung, die man am Tag vor sich hat nicht in km angegeben, sondern in Stunden ("today six hours walk")
hinter den Wolken versteckt sich der Everest, rechts davon Makalu und links Lhotse
Am nächsten Tag, 16.02.2018 wurde das Tibetische Neujahrsfest gefeiert. Alle Wanderer bekamen ein holy scarf geschenkt.
In den Orten Sandakphu und Phalut gibt es kein fließendes Wasser. Alles Nötige muss mühsam aus flacher gelegenen Orten geholt werden.
Einen Sternenhimmel wie in dieser Nacht über Phalut habe ich noch nie zuvor gesehen. Leider war es zu kalt, um einfach draußen zu liegen und stundenlang in den Himmel zu schauen.
An diesem idyllischen Ort zwischen Sikkim und Westbengalen, umgeben von Pinienwäldern verbringen wir den letzten Abend mit Leora aus Israel und Arnauld aus Holland, mit denen wir die letzten vier Tage zusamen gewandert sind.
Diese Tour war unvergesslich und ich würde gerne irgendwann wieder kommen, wenn die riesigen Rhododron Bäume und die Magnolien in voller Blüte stehen. Auch wenn es gar nicht mehr so lange dauert bis dahin, kann ich diesmal leider nicht warten, denn der nächste Zug ist schon gebucht. Nach einer Nacht Erholung im Hotel steigen wir am nächsten Mittag in ein Taxi, dass uns zum Bahnhof nach New Jalpaiguri bringt. Hier waren wir eine Woche zuvor schon von Kalkutta aus angekommen - wirklich kein schöner Ort. An keinem anderen Bahnhof habe ich so viele bettelnde Kinder erlebt. Sofort nach dem Ankommen ist man von ihnen umringt. Zum Teil sehr kleine Kinder, einige von ihnen mit Säuglingen im Arm; sie klammern sich an meinen Beinen fest. Hier fühle ich mich ziemlich hilflos und egal was ich mache, es fühlt sich irgendwie nicht richtig an...
Die Aufregung, wenn der Zug nicht angezeigt oder durchgesagt wird, obwohl er gleich abfahren sollte, lenkt mich vorerst von diesen Eindrücken ab, da wir es irgendwie schaffen müssen, auf dem richtigen Gleis zu sein und in den Zug zu steigen, der uns nach Varanasi bringen soll. Mit dreistündiger Verspätung klappt aber auch das und so kommen wir am nächsten Mittag in der heiligen Stadt Varanasi (Staat Uttar Pradesh) am Ganges an. Erstmal ist es eine chaotische indische Stadt mit viel Verkehr, also nichts neues.
Allerdings ist Varanasi auch eine der ältesten, durchgehend bewohnten Städte der Erde und in der Altstadt, die hinter den Ghats direkt am Ganges liegt, sieht dann alles plötzlich ganz anders aus.
Wenn einem eine Kuh entgegen kommt, wird es schon eng und gefährlich wird es mit den Motorrädern, die hier mit viel zu hoher Geschwindigkeit hupend umher fahren.
Varanasis Mauern sind voll mit spiritueller Street Art.
Bei der groben Reiseplanung in Deutschland hat mich eigentlich nicht so viel nach Varanasi gezogen. Silvester in Mumbai haben wir dann aber andere Reisende getroffen, die uns geraten haben, dort unbedingt hinzufahren und da es ohnehin auf dem Weg zwischen Darjeeling und Agra lag, haben wir uns dann doch für den Zwischenstopp entschieden. Ich muss sagen, dass es mir eher schwer, mich auf die spirituelle Stimmung, die hier sicherlich in besonderer Form vorhanden ist, einzulassen. Dafür war ich zu sehr damit beschätigt, die ständigen Angebote von Händlern, die von Bootstouren, über Segnungen bis hin zu Schmuck alles verkaufen, auszuschlagen oder einfach zu ignorieren. Wenn man permanent mit verschränkten Armen umher laufen muss, um nicht ungefragt die Hände massiert zu bekommen, empfinde ich das schon als etwas anstrengend. Aber nachdem ich mich ein bisschen darauf eingestellt hatte, fand ich Varansi und die vielen unterschiedlichen Menschen hier total faszinierend. Viele kommen her, um ein Bad im heiligen Fluss Ganges zu nehmen. Ich finde die Vorstellung eher unangenehm, umso mehr nachdem bei einer morgendlichen Bootstour eine tote Kuh im Wasser an uns vorbei trieb. Ich konnte aber wunderbar stundenlang an den Treppen der Ghats sitzen und Leute beobachten. Am schösten war es in der Abenddämmerung zum Ganga Aarti, einem hinduistischen Ritual, welches jeden Abend zur gleichen Zeit in den drei heiligen Städten Rishikesh, Haridwar und Varanasi stattfindet. Der Klang von rhythmischen Gesängen, Glocken und Trommeln und der Geruch von Räucherstäbchen erfüllt die Luft. Das Ganze hatte für mich ein Stück weit den Charakter eines Volksfestes mit den hunderten Touristen, die das Ritual auf Booten vom Wasser aus betrachten und den Kindern und Jugendlichen, die Flöten, bunt blinkendes Plastikspielzeug und Schmuck verkaufen. Dennoch entdecke ich viele Menschen in der Menge, für die das Ganga Aarti wirklich eine tiefe Bedeutung zu haben scheint und das wiederum finde ich spannend.
oder einfach ausgelassen feiern
Achja, ich habe es übrigens nicht geschafft, mich erfolgreich gegen alle Händler zu wehren und so hatte ich plötzlich eine dieser typischen Tilaka Segeszeichen auf der Stirn und für ein paar Rupie wurde mir ein langes Leben versprochen.
Was man in Varanasi (laut Reiseführer und Tipps von anderen Reisenden) unbedingt machen sollte, ist eine morgendliche Bootstour auf dem Ganges. Um kurz vor 6 Uhr geht es los zusammen mit vielen anderen, die natürlich die gleiche Idee haben. Der Blick vom Wasser aus auf die erwachende Altstadt und das morgendliche Treiben am Ufer war aber schon ganz hübsch.
Varanasi ist ein bemerkenswerter Ort und man kann hier sicher viel mehr Zeit verbringen und versteht trotzdem nicht mal ansatzweise, die Bedeutung vieler Dinge, die hier passieren. Man ist ständig mit dem Tod konfrontiert, denn gläubige Hindus kommen zum Sterben an diesen Ort, um den Kreislauf der Wiedergeburten zu durchbrechen. Sie werden in aller Öffentlichkeit eingeäschert, die Asche wird in den Fluss geworfen. Trotz dieser Tatsache herrscht in Varanasi keine Trauerstimmung, eher im Gegenteil.
Neben all dem habe ich in Varanasi die besten Lassi meines Lebens getrunken und schon allein das ist ein Grund, hier irgendwann noch einmal herzukommen.
Gestern früh gegen 7 Uhr sind wir in Agra angekommen. Freundlicherweise hat uns unserer Gastfamilie auch schon zu dieser Uhrzeit in Empfang genommen. Schon vom Schlafzimmer aus konnten wir die Kuppel des Taj Mahal trotz Wolken sehen - das wohl schönste Gebäude der Erde ist von hier ur etwa 500 Meter entfernt. Der Blick von der Dachterrasse aus war dann schon beeindruckend.
...von der Taube erwarte ich keinen Angriff
...anders ist es bei den Affen, die ganz schön aggressiv auftreten
Heute Morgen sind wir dann sehr früh aufgestanden, um zum Sonnenaufgang beim Taj Mahal zu sein. Nach einer ziemlich langen Schlange am Ticketschalter und einer noch längeren Schlange am Eingang - genug Zeit, um Aggressionen gegen einige Mitmenschen zu entwickeln - erreichten wir irgendwann das Innere der riesigen Anlage. Auch wenn ich schon viele Bilder dieses riesigen, aus weißem Marmor bestehenden Mausoleums gesehen habe, ist es doch etwas anderes, durch das imposante Eingangstor zu gehen und selber vor diesem Palast zu stehen. Es ist wirklich atemberaubend schön!
Morgen nachmittag steigen wir dann in den nächsten Zug, es geht weiter in Richtung Westen - wohin genau erfahrt ihr dann beim nächsten Mal.