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Das Beste kommt zum Schluss und wenn es am Schönsten ist, soll man gehen

Veröffentlicht: 27.03.2018

... aber woher soll man wissen, dass es gerade am schönsten ist? Und dass es nicht schöner werden kann? Für mich hat es sich überhaupt nicht nach dem richtigen Zeitpunkt angefühlt, schon wieder aus den Sundarbans abzureisen. Und ich merke, dass mir die Worte fehlen, um zu beschreiben, was ich in den letzten zwei Wochen erlebt und erfahren habe. Ich versuche trotzdem heute, ein bisschen davon zu berichten und euch am letzten Abschnitt der Reise teilhaben zu lassen.

Es kommt vor als wäre es eine Ewigkeit her, dass ich mich in Jaisalmer von Eric verabschiedet habe und in meinen Zug nach Kolkata gestiegen bin. Um ehrlich zu sein, hatte ich zu dem Zeitpunkt sehr gemischte Gefühle was meinen Plan anging, zwei Wochen allein in die Sundarbans zu fahren. Es war überhaupt nicht klar, wie ich von Kolkata aus dorthin komme, was ich dort eigentlich machen werde und wie ich mich verständigen soll. Für mich, die alles gerne vorher weiß und plant und strukturiert, war das gedanklich dann kurz vorher doch eine ziemliche Herausforderung. Plötzlich kam mir der Gedanke, auch einfach nach Goa zu fliegen und dort die letzte Zeit am Strand zu entspannen, ziemlich verlockend vor. Aber ich wusste auch, dass ich mich bald furchtbar ärgern würde, wenn ich diese Gelegenheit nicht nutzen würde. Witzigerweise bin ich im Internet dann über ein paar Pipi Langstrumpf Zitate gestolpert, unter anderem folgendes: "Das haben wir noch nie probiert, also geht es sicher gut." Und was soll ich sagen. Es ging gut, mehr als gut sogar. Die letzten zwei Wochen waren wunderbar und für mich tatsächlich der allerschönste Teil der Reise. Sonntagmorgen, am 11.März, bin ich ins Backpackers Büro gegangen und es gab an dem Tag eine Gruppe und auch Platz für mich im Auto, sodass ich erstmal ganz entspannt im Eco Village auf Satjelia Island angekommen bin. Schon auf dem Weg, der mir vom letzten Mal noch in Erinnerung geblieben war, fühlte ich mich gleich besser. Und im Dorf angekommen, kam mir auch alles gleich irgendwie vertraut vor. Ich bekam sogar eine eigene Hütte, was ich gar nicht erwartet hatte, und konnte mich dort für meinen Aufenthalt häuslich einrichten.

mein zu Hause
Von diesem Bild wurde ich jeden Morgen begrüßt








Ajay, einer der drei Inhaber der Backpackers und Tourguide hat mir dann während der Lunchpause noch kurz zwei Frauen, Saunda und Mono Ramar, vorgestellt. Mit denen sollte ich mich 16:30 Uhr treffen, um entweder Pflanzen zu wässern oder bei der Versorgung der Tiere zu helfen. Es ging also gleich am ersten Tag los. Das fand ich auch ganz gut, denn meine größte Sorge im Vorfeld war eigentlich, dass ich mich irgendwie nutzlos fühlen könnte. Das war aber fast nie der Fall. Ich musste zwar manchmal erst eine Weile durchs Dorf laufen und gucken, wo etwas für mich zu tun ist aber oft wurde ich auch einfach mitgenommen und um Hilfe gebeten. Der Tagesablauf war eigentlich immer gleich. Ich bin gegen halb sieben aufgestanden, um dann kurz nach sieben Saunda zu treffen und mit ihr die Pflanzen (u.a. Rosen, Kakteen und Gemüsepflanzen) zu gießen. Das sah so aus, dass wir mit zwei Eimern immer wieder Wasser aus den Teichen geholt und auf dem Gelände verteilt haben. Zum Glück waren nicht immer alle Pflanzen an der Reihe. Saunda hatte den Plan und ich hab versucht, zu verstehen, welche Planze gerade Wasser braucht. Manchmal war das ganz lustig, wenn ich nicht genau verstanden habe was sie meint und dann ein aufgeregtes "Nonononono" gehört habe... dann hatte ich das Wasser an der falschen Stelle verteilt. Nach einigen Tagen wusste ich dann aber ungefähr wie es läuft und so war das Pflanzen wässern eine der Aufgaben, die ich fast täglich morgens vorm Frühstück und abends zum Sonnenuntergang mit Saunda erledigt habe. 
Bandhu Saunda


Nach dem Frühstück (Reis mit Dhal oder Gemüse) bin ich dann oft in die Küche gegangen, wo ich Knoblauch oder Zwiebeln geschält habe - massenweise und nur mit den Fingern. Eines der großen, scharfen Messer wurde mir nie in die Hand gegeben.



Einmal hab ich beim Roti zubereiten geholfen - wie kommt das Mehl in mein Gesicht?

Bandhu (Freundin) Tumpa 

Gegen 12:30 Uhr war dann immer Zeit zum Duschen oder Schwimmen. Dann gab es Lunch und dann kam fast täglich eine neue Gruppe mit Touristen, die wie Eric und ich im Februar, eine Tour bei den Backpackers gebucht hatten. Irgendwann gehörte es auch zu meinen Aufgaben, bei der Bewirtung der Gruppen zu helfen. Wenn diese dann mit dem jeweiligen Guide zum Villagewalk und der Birdwatching Tour aufgebrochen sind, hatte ich Freizeit bis 16:30 Uhr. Dann gab es meist kleinere Aufgaben zu erledigen, bis die Sonne tief genug stand, um die Planzen zu wässern. In der ersten Woche habe ich zum Beispiel geholfen, Ziegelsteine zu schleppen, die für einen neuen Lagerraum gebraucht wurden. Und ich habe mit einem Hammer die Rinde von vielen, vielen Baumstämmen entfernt. Die Blasen an den Fingern haben mich nicht davon abgehalten, weiterzumachen, bis alles fertig war. Dafür hat es zu viel Spaß gemacht. Ein paar Mal habe ich auch beim Füttern der Tiere und beim Stall ausmisten geholfen. 




Leider konnte ich mich nicht zerteilen und Gartenarbeit und Versorgung der Tiere war immer gleichzeitig. Und da es für Saunda sehr anstrengend war, eimerweise Wasser von A nach B zu schleppen, habe ich mich meist dafür entschieden, ihr zu helfen.

In der zweiten Woche habe ich dann mit den beiden jüngsten Frauen aus dem Dorf, Tumpa und Madhubi, die Wände der Hütten neu "verputzt". Das war ein Spaß. Zuerst vermischt man Kuhmist mit Muddie (Lehm) und etwas Wasser und dann verteilt man das ganze mit der Hand auf den Wänden. Ich habe sonst kaum Fotos gemacht während der Arbeit aber hier konnte ich es mir dann nicht verkneifen:



Ich glaube, als ich das erste Mal einfach zu Tumpa und Madhubi gesetzt hab und meine Hand in die Kuhkacke-Lehm-Mischung gesteckt hab, konnten die beiden es nicht fassen. Sie haben jedenfalls herzlich gelacht, mich dann aber immer gefragt, ob ich ihnen helfe, wenn wieder eine Hütte an der Reihe war. 

An zwei Tagen haben mich auch ein paar der Männer aus dem Dorf um Hilfe gebeten, wobei ich da eher wenig tun konnte, außer Werzeug anreichen und hier und da mal etwas festhalten (und viel zu viele Beedis rauchen). Ich fand es aber total spannend, zu sehen mit welchen einfachen Mitteln hier gearbeitet wird. Diesen Handbohrer, den Jyotish hier benutzt, fand ich zum Beispiel faszinierend.


Als ich einmal mittags gerufen wurde, um dabei zu helfen, eines der großen Boote aus dem Schlamm zu schieben, weil es sich bei Ebbe dort festgesetzt hatte, musste ich ein bisschen lachen. Aber die meinten es ernst. 

mit vereinten Kräften haben wir Elmar wieder zu Wasser gebracht

Einmal habe ich auch beim Fischen geholfen


Jeder Tag war anders und die Arbeit in der Hitze war zum Teil wirklich anstrengend. Aber ich hatte dabei eine Menge Spaß und fand es so toll, etwas mit den Händen zu machen, hinterher das Ergebnis zu sehen und auch, den ein oder anderen Muskel zu spüren, wenn es dann Zeit für Feierabend war. Ich habe einfach alles mitgemacht, was anstand und was die Menschen im Dorf gemacht haben. Ich glaube, das hat mir dabei geholfen, schnell Kontakt zu Allen aufzubauen. Wir haben auch immer zusammen gegessen und ziemlich schnell kam ich mir als Einizge mit einem Löffel blöd vor. So habe ich am zweiten Tag mittags auch angefangen, mit der rechten Hand zu essen, wie das in Indien üblich ist. Ich musste es zwar aushalten, bei den ersten Mahlzeiten noch neugierig beobachtet zu werden und zur Unterhaltung der Anderen beizutragen aber schnell war auch das ganz normal und ich habe keinen Löffel mehr bekommen. 


Nach wirklich sehr kurzer Zeit habe ich mich angekommen und angenommen gefühlt. Fast alle haben mich nur noch "Bandhu" - Freundin - genannt und sie haben mir gesagt, ich sei nun ein Teil ihrer Familie. Und das alles ohne eine gemeinsame Sprache, denn eigentlich spricht fast niemand im Dorf mehr als ein paar Brocken Englisch und ich spreche leider auch kein Bengali. Dennoch haben wir uns irgendwie verstanden und nur ab und zu habe ich abends einen der Guides, Arif oder Manjit gebeten, mir was zu übersetzen. 

Besonders mit den beiden Mädels Tumpa und Madhubi hatte ich eine Menge Spaß. Ich glaube ungefähr am dritten oder vierten Tag nach meiner Ankunft, haben sie mich zu sich gewunken und mir angedeutet, dass sie an meiner Zigarette ziehen möchten. Erst saßen wir draußen vor einer der Hütten, die neu verputzt wurden und dann haben sie mich rein gezogen, weil es ihnen draußen zu unsicher war. Und dann saßen wir zu viert mit Saunda in der Hütte, kichernd und rauchend und immer mit einem Blick aus dem Fenster aus Sorge, dass jemand kommt. Ich habe mich gefühlt als wäre ich 12 und würde mich vor meinen Eltern verstecken. Der Unterschied ist, dass Tumpa und Mahdubi 22 und 25 Jahre alt und verheiratet sind. Aber es gehört sich hier nicht, dass Frauen rauchen und schon gar nicht in der Öffentlichkeit. Zum Glück sehen das nicht alle Menschen im Eco Village so eng. Nach der ersten gemeinsamen Zigarette ist Mahdubi losgelaufen und kam mit einem Fläschchen Nagellack zurück und Tumpa hat mir die Nägel lackiert. 


Am Abend haben sie mir dann mit Surma (Kohl Kajal) die Augen geschminkt, was sich wirklich komisch anfühlt, da die Farbe in den Augen aufgetragen wird und sich anfühlt als würde man sich mit einem Minzblatt die Augen reiben. 



Zweimal bin ich nachmittags mit den Gruppen mitgegangen zum Villagewalk und der anschließenden Bootstour. Es war zwischendurch ganz abwechslungsreich, sich mit den Touristen zu unterhalten, denn auch da waren meist ein paar sehr nette und interessante Menschen dabei. Die Fotos, die bei einer Tour vom "Mudfight" und "Mudslide" entstanden sind, wurden mir leider noch nicht geschickt, deswegen müsst ihr mir einfach glauben, dass es ziemlich witzig war und ich von oben bis unten voll war mit Schlamm.

Village Walk mit Pferdchen Lucy


pic by Manjit


Und jeden Abend habe ich die Night Safari mitgemacht. Eine Stunde mit dem kleinen Handboot unter dem Sternenhimmel, im Wasser der leuchtende Plakton und in den Mangroven tausende von Glühwürmchen... und der Bootsmann, der in der absoluten Stille das Lied vom Vogel singt, der fliegen möchte und nicht in einem Käfig eingesperrt sein will.

Ich hatte unvergessliche Momente, auf der ganzen Reise aber nochmal sehr besoners und intensiv waren die letzten zwei Wochen in den Sundarbans. Ich bin so dankbar für diese Zeit und gleichzeitig so traurig, dass ich nicht länger dort bleiben konnte. Ich musste allen versprechen, dass ich wieder komme und das habe ich auch ganz fest vor. Am letzten Nachmittag haben Madubhi und ich Hand in Hand Mittagsschlaf in einer der Hütten gemacht und sie hat gesagt, dass sie sehr traurig ist, wenn ich gehe. Wir kommen aus so unterschiedlichen Welten und doch habe ich gemerkt, dass viele Dinge doch so ähnlich sind; weil wir einfach alle Menschen sind, egal wie und wo wir leben und aufwachsen. Bestimmte Dinge versteht man sofort, ohne eine gemeinsame Sprache zu sprechen und zusammen lachen funktioniert sowieso immer, so wie hier bei dem Versuch, ein schönes Abschiedsfoto zu machen.


Ich vermisse all diese Menschen schon jetzt so sehr und hoffe, dass ich sie alle in nicht all zu ferner Zukunft wieder sehen werde. Sie haben alle einen Platz in meinen Gedanken und schon jetzt kommt hin und wieder eine Erinnerung an eine Situation oder Gespräch, die mich zum lächeln bringt oder auch nachdenklich macht. Ich habe für meine Arbeit im Dorf eine super Unterkunft gehabt, das Beste Essen auf der ganzen Reise aber in erster Linie ganz viel Liebe und unvergessliche Momente.

Nicht nur die Zeit in den Sundarbans ist vorbei, sondern auch die drei Monate in Indien. Eric und ich sind seit Montagnachmittag in Mumbai und haben versucht, die letzten zwei Tage noch halbwegs gut zu füllen. Wir haben uns sogar noch mit Parag getroffen, der im Februar mit in unserer Sundarbans Tour war und hier lebt. Das war eine schöne Ablenkung vom Abschiedsschmerz, der mich gerade schon sehr mitnimmt. Wir haben so viel erlebt, so viele nette und interessante Menschen getroffen. Viele von ihnen führen ein Leben, dass so anders ist als unseres in Deutschland. Vieles ist auch gar nicht so unterschiedlich. Gerade hier in Mumbai fühlt es sich in manchen Gegenden so an, als wäre man nicht mehr in Indien, sondern in einer europäischen Metropole. 




Uns beiden kommt es so vor, als wären wir viel länger als drei Monate weg gewesen. In Deutschland ist für die meisten das normale Leben und der Alltag weitergegangen und drei Monate fühlen sich für euch sicher an wie nichts. Ich glaube für mich wird der Kulturschock in die Richtung schlimmer als bei der Ankunft hier in Mumbai Ende Dezember.

Es gibt sehr viele Dinge hier, die ich vermissen werde. Manches sind nur Kleinigkeiten, wie zum Beispiel der leckere Chai, den ich an jeder Straßenecke bekomme. Vor allem ist es aber das Wesen und die Lebenseinstellung vieler Menschen, die ich hier getroffen und zum Teil auch sehr persönlich kennenlernen durfte. Ich hoffe, dass ich all das noch eine lange Zeit in Erinnerung behalte und nicht Vieles im Alltagstrott, der mich sicher schneller einholt als ich möchte, in Vergessenheit gerät. 

Also, ihr Lieben. Das war es jetzt hier von mir. Ich hab mich immer über eure netten Rückmeldungen zu meinen kleinen Berichten gefreut und es wird mir auch ein bisschen fehlen, hier zu schreiben. Aber wir sehen uns dann bald persönlich und vielleicht gibt es ja noch die ein oder andere Geschichte zu erzählen, die ich hier nicht geteilt habe...


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