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Nächtliche Ruhestörungen in rosa

Veröffentlicht: 04.09.2024

Eine Frage trieb uns um: Sollte man die Unterkunft wechseln? Es gibt hier in der Nähe ein günstiges Hotel, da ist es wohl das Beste, schnell mal die Kritiken zu googeln: "Worst, worst, worst hotel ever!" Okay, das scheint auch keine Lösung zu sein. Hier kämen wir nur vom Regen in die Traufe. Also am besten erstmal bleiben und die Lage weiter checken.

Am nächsten morgen machte es sich die Putzconcierge im weißen Top und weißer Shorts, die die rosa Unterwäsche durchschimmern ließ zur Aufgabe, die Terrasse zu schrubben. Eigentlich ein löbliches Ansinnen, wenn sie nur anschließend nicht versucht hätte mit der Küchenbürste ihre bei dieser Tätigkeit dreckig gewordenen Füße zu schrubben. Nach getaner Arbeit ging sie mit sauber geputzten Füßen los, um Besorgungen zu machen. Die Hoffnung, sie käme mit einer neuen Küchenbürste nach Hause zerschlug sich, als wir sie mit Blumen und Deko-Artikeln wieder kommen sahen, was irgendwie herzlich und niedlich war in Anbetracht der Tatsache, dass es in der Küche an der Grundausstattung mangelte, wie z.B genügend Tellern, Tassen, Besteck usw. Sie hat halt andere Prioritäten...

Später am Tage zeigte sich ihr Ehemann. Er watschelte mit nacktem Oberkörper und einem ordentlichen Veilchen über dem rechten Auge in der Küche herum und verkündete uns grinsend, dass er hier auch wohnen würde. Was für ein Gewinn! Am Tage hört man die beiden gar nicht, nachts allerdings erwachen sie zum Leben. Sie saugen, bedienen einen extrem lauten Küchenmixer, der merkwürdigerweise vorhanden ist, waschen Wäsche und singen bei der Hausarbeit. Am nervigsten ist allerdings, dass es mehrmals in der Nacht an der Tür klingelt. Die Klingel ist so eingestellt, dass man sie im ganzen Hause gut hört, was sie also zu einem extremen Störfaktor macht. Wir haben keine Ahnung, wer hier jeweils um Einlass bittet. Mal sind es neue Gäste, aber manchmal scheinen auch die Putzconcierge plus Mann Besuch zu bekommen. Mit dem Rauchmelder, der uns die ganze Nacht wach gehalten hat, sind wir einfacher fertig geworden: es wurde schnell auf den Stuhl geklettert und der Übeltäter abgeschraubt. Aber so können wir leider nicht mit dem Besuch verfahren. Hier ist mehr Diplomatie gefragt. Aber das nächtliche Klingeln wurde tatsächlich ab der vierten Nacht besser. Manche Dinge erledigen sich von alleine.

Eines Abends als wir nach Hause kamen, saß der verpeilte Hausbesitzer, (ein verwöhnter reicher junger Kerl), auf dem Balkon. Obwohl wir ihn laut begrüßt haben, hörte er uns nicht. Ebenso bemerkte er nicht, dass wir die Waschmaschine und den Trockner bedienten. Auch dass zwei andere Gäste mit einem Hund nach Hause kamen und sich mit uns unterhalten haben, schien an ihm vorbei zu rauschen. Wir gingen gegen 23:00 Uhr ins Bett und...konnten nicht schlafen. In der Küche wurde extrem laut Musik gespielt, keine schlechte, aber jedenfalls viel zu laut. Frau Waas lief in ihrem Nachtgewand aufgebracht in die Küche. Der Hausbesitzer hatte sein Handy voll aufgedreht. Kaum sah er Frau Waas, entfuhr ihm ein Aufschrei: "Oh sorry! I thought, I were alone at home. Sorry, sorry." Die Verpeiltheit mancher Menschen ist schwer zu fassen. Was der Gute dort nachts für einen Auftrag hatte, erschloss sich uns auch nicht so wirklich...

Die Krönung geschah am letzten Abend: Als wir nach Hause kamen war ein sehr aufgebrachtes Ehepaar mit ihren Eltern und ihrem sehr humorvollen Sohn im Wohnzimmer. Sie hätten ein Zimmer gebucht, aber der Hausbesitzer könne ihre Reservierung nicht finden. Es wurde mehrfach hin- und hertelefoniert und sich gegenseitig angeschrien. Der Hausbesitzer hörte am Telefon gar nicht mehr richtig zu und schrie in den Hörer, was denn so schwer daran sei, ihm ein Screenshot mit der Reservierungsbestätigung zu schicken und legte auf. 10min später kam er persönlich vorbei. Seine Erklärung war, dass die Gäste wohl beim Buchen Opfer vom Phishing geworden seien. Daraufhin versuchten die Gäste telefonisch booking.com zu erreichen. Mit booking.com in der Warteschleife verließen sie unseren schönen Ort wieder, was ein Jammer war, denn mit der Alkoholfahne und dem Gezetere und dem dauergrinsenden Sohn hätten sie sehr gut in unsere WG gepasst. Wir haben ihnen noch mit auf den Weg gegeben, dass der Vermieter wirklich sehr verpeilt ist und sie die Phishing-Theorie gut überprüfen sollten.

Wer nun glaubt, wir hätten unsere Nachtruhe genießen können, der hat die Putzconcierge unterschätzt. Des Nächtens klingelte sie Sturm und klopfte an unser Fenster. Sie war offensichtlich von irgend etwas leicht benebelt und hatte ihren Schlüssel und ihr Handy verloren. Sie borgte sich Herrn Ärmels Handy, um ihren Göttergatten zu erreichen, der aber nicht ans Telefon ging. Also zog sie nochmal los, um ihn zu suchen. Sie muss ihren Schlüssel wieder gefunden haben, denn sie kam zurück und konnte sich selber reinlassen. Einige Stunden später wurden wir von der Ankunft der neuen Gästen geweckt. Auch hier gab es Diskussionen, deren Inhalt wir aber schlaftrunken durch die geschlossene Tür nicht ganz verstehen konnten. Die Gäste waren mutmaßlich mit ihrem Zimmer nicht zufrieden und wollten wechseln. Da sich unsere Putzconcierge (offensichtlich noch leicht benebelt) nicht mehr sicher war, ob unser Zimmer besetzt war, klopfte sie an unsere Tür, um genau das zu erfragen. Wir erklärten ihr geduldig, dass wir hier wohnen würden. Solche Dinge können einem ja mal entfallen.

Am nächsten Morgen wollten wir uns verabschieden. (Der Begriff Check-Out wäre zu hoch gehängt). Sie war abermals mit rosa Unterwäsche bekleidet und umarmte Frau Waas, bedankte sich bei uns und sagte, dass wir die besten Gäste gewesen wären, die sie jemals gehabt hätte. Leider konnten wir dieses Kompliment nicht erwidern. Aber ein bisschen wehmütig wurden wir doch, als uns klar wurde, dass wir diese Bleibe nie wieder sehen würden und stattdessen die nächsten Nächte in einem schönen zentral gelegenen sauberen Hotel mit bequemen Betten ohne nächtliche Ruhestörung verbringen würden. So etwas gibt einfach keine gute Geschichte.

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