Reiseblog von Fabienne & Simon
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F: Die Urus am Titicacasee

Veröffentlicht: 02.01.2020

Schon lange ists her, seit wir am Titicacasee waren, aber dazu wollte ich noch etwas sagen:

Zur Überfahrt von Puno nach Amantani (die Insel, auf der wir 3 Tage entspannt haben und die uns mega gefallen hat), gehört standardmässig einen Zwischenstopp bei den Urus- oder Uros-Inseln. Es war einerseits interessant. Andererseits eine fürchterliche Touristenshow. Es brachte mich in ein Dilemma.

Früher. Die Urus sind ein Volk, das seit Jahrhunderten auf schwimmenden Binsengrasinseln auf dem Titicacasee lebt. Die buchstäbliche Lebensgrundlage bilden die riesigen Binsenfelder im See. Die Binsengräser wachsen mit den Füssen im Wasser und bilden wie bei uns das Schilf über die Jahre eine feste Bodenschicht aus Wurzeln und Humus. So gibt es ganze Inseln im See, die vermutlich sogar begehbar wären, ohne dass sie über einen steinernen Untergrund verfügten. Die Wohninseln der Urus bestehen zunächst aus eben solchen, schwimmenden Wurzel-Humus-Blöcken, die miteinander verbunden werden. Auf dieses Floss wird dann ein dichter Boden aus getrockneten Binsen gelegt und be- und verfestigt. Da diese Schicht ständig im Wasser ist, verfault sie relativ rasch, sodass alle zwei Wochen eine neue Schicht Binsen auf die ganze Insel gelegt wird. Mit dieser fortlaufenden Erneuerung lebt eine Insel etwa 30 Jahre.

Die schwimmende Insel ist ewa so gross wie ein Vierteil eines Fussballfeldes. Darauf lebt eine Grossfamilie mit je einem Oberhaupt. Früher waren die Häuser ebenfalls aus getrockneten Binsenbündeln. Es waren Rundhäuser ohne Boden. So konnten sie einfach angehoben, die neue Schicht Binsen ausgelegt und die Häuschen wieder drauf gestellt werden. Jede Insel verfügte über ein Podest von ca. 2m Höhe, um miteinander zu kommunizieren sowie eine Gemeinschaftsküche. Jemand kocht für die ganze Insel. Auch ihre Schiffchen waren aus Binse: zwei bis drei grosse Binsenbündel in Form eines Halbmondes zusammengeschnürt. So lebten sie auf dem See vom Fischfang und Tauschhandel mit den Aymara und Quechua auf den «echten» Inseln und an Land.

Diese Lebensweise sicherte dem Volk ein langes Überleben – bei Gefahr ruderten sie einfach auf den See hinaus. Dort wurden sie auch von den spanischen Eroberern lange in Ruhe gelassen, weil sie erstens friedfertig waren und zweitens nicht als Bedrohung wahrgenommen wurden.

Heute. Heute leben die Urus noch immer in Familienverbänden auf ihren Inseln mit Gemeinschaftsküche. Die Häuschen sind aus Holz und Wellblech. Damit es traditionell aussieht sind viele mit Binse verkleidet. Natürlich benutzen sie längst Motorboote zur Binsenernte, aber für die Touristen hat jede Insel ein traditionelles Boot. Jede Insel hat ein schwimmendes WC-Häuschen mit fliessendem Wasser und WC-Tank von der Gemeinde Puno. Die Inseln bewegen sich nicht mehr auf dem See – wozu auch – , sie sind stationär bei den Binsenfeldern verankert. Es gibt eine schwimmende Grundschule, für die Sekundarschule müssen die Kinder nach Puno.

Der See ist überfischt, davon können sie längst nicht mehr leben. Auch der symbiotische Tauschhandel mit den Leuten vom Festland ist längst zum Erliegen gekommen. So reduziert sich ihre einzige Einnahmequelle heute auf den Tourismus. Täglich leben sie den Touristengruppen eine Show ihrer traditionellen Lebensweise vor:

Das Betreten der Inseln ist interessant, weil sie ganz weich ist. Man wird auf eine halbkreisförmige Binsenbündel gesetzt und der Inselvorsteher erklärt der Gruppe an einem Beispiel den Aufbau der Insel und die Lebensweise der Urus. Dann wird man in ein Häuschen gebeten, wo die Frauen einem ihre Stickereien und Kunsthandwerk zeigen und man etwas kaufen könnte. Leider kann ich das nicht brauchen und noch leiderer gefällt mir das nicht. Dann kommt die Fahrt auf dem eigentlich traditionellen Ruderboot, das aber mit einem Motorboot gestossen wird. Die Fahrt kostet zusätzlich 10 Soles, ist eigentlich freiwillig, aber man wird sanft-eindeutig gedrängt, sie zu machen.

Zum Kotzen – aber was sollen sie sonst tun?

Die Generation der Eltern hat keine Schule in Puno besucht, sie haben keine Berufe gelernt. Die Männer können Fischen und Binsen ernten, die Frauen Kochen, Nähen und Sticken. Die Urus besitzen kein Land, kein Business und kein heute noch gefragtes Know-how. Was haben sie für eine Wahl?

Also haben auch wir halb widerwillig halb mitleidig diese dämliche zusatzfahrt im möchtegern traditionellen Touristenboot gemacht. Damit sie wenigstens noch 10 Soles Sackgeld verdienen…

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