Don Curry on Tour 2
Don Curry on Tour 2
vakantio.de/doncurryontour2

Don Curry steht am Weißen Meer

Veröffentlicht: 14.07.2019

Don Curry weiß noch genau, dass er zuerst selbst die Idee ziemlich verrückt fand, allein mit dem Auto durch Russland zu fahren. Doch je mehr er sich informierte, Möglichkeiten und Probleme abwägte, und immer mehr gewahr wurde, welch großartige Kunstschätze in gar nicht so weiter Entfernung der Entdeckung entgegenharrten, verfestigte sich sein Entschluss: er würde in eines der ganz wenigen Länder Europas vordringen, dem er sich noch nicht aufgedrängt hatte. Nun würden nur noch Island, Zypern, Moldawien und Belarus auf seinen Besuch warten – und eventuell die Kaukasusstaaten, wenn man sie zu Europa rechnet.

Als Endziel bzw. Umkehrpunkt seiner Reise hatte Don Curry ziemlich bald die Solowetzky-Inseln mitten im Weißen Meer erkoren, das nördlichste UNSECO-Welterbe Russlands, das noch relativ bequem erreichbar war. Die Entfernung schreckte ihn nicht wirklich; er war auch schon mit dem Auto bis Gibraltar gefahren. So wurde seine Standardantwort auf die Frage, wo er denn in diesem Jahr Urlaub machen würde, stets: „Ich reise ans Weiße Meer.“ Die Reaktion war fast immer gleich: ein verständiges Nicken und dann – ein paar Sekunden später – die Frage: „Hä? Wo liegt denn das Weiße Meer?“ Don Curry würde es heute erreichen, wenn alles glatt ging.

Zunächst erreichte er nach einem erholsamen Ausschlafen das opulente Frühstücksbuffet des Hotels „Karelia“: Immer mehr hatte für ihn das Frühstücken den Charakter eines vorgezogenen Mittagessens angenommen. So begann er den kulinarischen Tag gleich mit einer kräftigen Solyanka, bediente sich anschließend an der umfangreichen Salattheke, die auch kalte Bratenscheiben verschiedener Art umfasste, um schließlich mit etwas karelischer Patisserie zu enden, alles begleitet von ausreichend Kaffee und Preisselbeersaft.

Ein letzter Blick vom Balkon
Äußerst zufrieden gönnte er sich von seinem Panoramafenster und dem Balkon noch einen letzten, langen Blick auf den Onega-See, checkte aus und begab sich auf die lange Fahrt gen Norden, heute nochmals 400 km Richtung Nordpol.

Den einzigen Zwischenstopp legte er in Kondopoga ein, wo er seinen ersten russischen Supermarkt besuchte – die Getränkeversorgung für die nächsten Tage musste sichergestellt werden. Die Pfirsich-Cola Zero aus Litauen war längst ausgetrunken, und auch von der Wassermelonen-Fanta Zero aus demselben Land war nicht mehr viel übrig. Also kaufte Don Curry ordentlich Kwas und entdeckte dann auch die abgesonderte Wodka/Spirituosen-Abteilung. Er suchte einen Birkensaft-Wodka aus und ging damit zum Alkohol-Kassierer. Der kassierte aber nicht, sondern versah die Flasche nur mit einer Sicherheitsversiegelung und schickte Don Curry mit einer energischen Geste zu den Supermarktkassen. Dass die Sicherheitsversiegelung zu einem lautstarken Alarm beim Verlassen des Spirituosenbereichs führte störte nur Don Curry, niemand sonst. An der Supermarktkasse wurde die Sicherheitsversiegelung wieder entfernt, was der Kassiererin einige Mühe bereitete, und Don Curry grübelt bis heute über die Sinnhaftigkeit dieser Aktion.

Eigentliches Ziel in Kondopoga sollte die berühmte Entschlafungskirche sein, eine herrliche Holzkirche aus dem 18. Jhdt. mit direkter Lage am Onega-See. Don Curry hatte zwar bei Wikipedia gelesen, dass diese Kirche 2018 komplett abgebrannt war, aber wenn er schon mal quasi vorbeifuhr, wollte er doch selbst nach dem rechten schauen. Problemlos fand er die Stelle am Onega-See, das Gelände war allerdings weiträumig abgesperrt. Als Don Curry prüfte, ob die Zugangspforte wirklich verschlossen ist, näherte sich ein Mann mit finsterer Miene und schüttelte traurig den Kopf. Tatsächlich sah Don Curry in der Ferne die schwarz verkohlten Reste der einst bedeutenden Kirche. Wer würde jetzt noch nach Kondopoga kommen?

Don Curry fuhr weiter. Noch über 350 km ab hier. Allerdings weitgehend auf einer gut ausgebauten Straße durch endlose Birkenwälder und entlang riesiger und kleiner Seen. 

Unterwegs ...
Nach 200 km endete die Ausbaustrecke, und die nächsten 50 km musste Don Curry über eine einspurige Behelfspiste voller Schlaglöcher und Bodenwellen fahren, immer wieder an Baustellenampeln warten, wenn er Gegenverkehr die einzige Spur nutzen durfte, und auch sonst mit 10 bis 20 Km/h hinter behäbigen Lkw’s herkriechen. Fast 90 Minuten verloren er bei diesem Baustellenabschnitt.

Doch endlich war die Abzweigung nach Kem‘ erreicht, dann nach Rabocheostrowsk, dem kleinen Fährhafen am Weißen Meer. Die Landschaft hatte sich nochmals gewandelt. Immer mehr Flechten bedeckten Felsen und Bäume, mächtige Moose breiteten sich zwischen den Bäumen aus.

Seine Fahrt endete abrupt vor einem Schlagbaum. Während Don Curry in seinem Smartphone noch kontrollierte, wie weit er nach dem Schlagbaum noch fahren müsse, kam schon der Schlagbaumwächter heran. Don Curry zeigte ihm den Namen seiner Unterkunft: „Prichal“. Der Wächter wies auf ein Gebäude direkt hinter dem Schlagbaum und murmelte so etwas wie „Reception“.

Touristikkomplex "Prichal"
Don Curry war angekommen, bekam Zimmerschlüssel und Fährticket ausgehändigt, bezog sein brutal überhitztes Zimmer. Sofort drehte er die Heizung aus und spazierte danach noch schnell zum Fähranleger.
Am Weißen Meer

Und hier stand er nun: am Ziel, am Endpunkt, an der Umkehrstation. Don Curry stand am Weißen Meer, das sich ihm äußerst grau darbot im einsetzenden Nieselregen. Doch zugleich wirkte vieles ungemein stimmungsvoll und urtümlich: die von Eis und Wellen flach gescheuerten Felsen am Ufer, das angetriebene Treibgut, die alte einsame Holzkirche auf der nächsten Landzunge. 

Die alte einsame Holzkirche

All das strahlte keine bilderbuchartige, pittoreske Schönheit aus, aber doch etwas ganz Besonderes. Don Curry hatte sich seinen wahnwitzigen Traum erfüllt – ohne große Probleme. Erstaunt entdeckte er auf dem Parkplatz des Fähranlegers erstmals in Russland ein anderes Auto mit deutschem Kennzeichen, aus der Hansestadt Lübeck. Es gab also noch mehr Wahnwitzige wie ihn.

Rabocheostrowsk

Ausgehungert kehrte er in das Restaurant seiner Unterkunft ein, bestellte eine Dolonnitza-Fischsuppe, Truthahn-Buletten mit gegrilltem Gemüse und dazu Pommes, plus ein Krusovice zum Herunterspülen. Gesättigt und zufrieden kehrte er in sein etwas abgekühltes Zimmer zurück und war gespannt auf den nächsten Tag: ein Tag mitten im Weißen Meer!

Antworten

Russland
Reiseberichte Russland
#rabocheostrowsk