Don Curry on Tour 2
Don Curry on Tour 2
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Don Curry mischt ein Museum auf

Veröffentlicht: 20.07.2019

Don Curry hält sich für einen angenehmen und genügsamen Zeitgenossen. Er tritt in der Regel freundlich und zurückhaltend auf, macht nicht viel Aufhebens um seine Person und mag es nicht besonders, im Mittelpunkt zu stehen. Natürlich mag er eine höfliche Behandlung, aber er erwartet keine Extrawürste.

Höflich und kompetent war auch der Check-out im Hotel "3MostA", in dem Don Curry nun vier Nächte mitten im Herzen Sankt Petersburgs verbringen konnte. Trotz des beengten Zimmers erwies es sich als echtes Wohlfühl-Hotel, das durchaus zum Wiederkommen einlädt. Don Curry hat es in all den Tagen nicht bis zur Panoramaterrasse auf dem Dach geschafft, was einerseits an dem regnerischen Wetter lag, andererseits aber auch daran, dass die wichtigste Sehenswürdigkeit bei diesem Panoramablick - die Auferstehungskirche - nach wie vor brutal entstellt dasteht. Irgendwann einmal...

Smolnij-Kloster

Jetzt ging es erstmal an den Rand des historischen Sankt Petersburgs: zum Smolnij-Kloster, dessen Hauptkirche als wundervollstes aller wundervollen Meisterwerke des berühmten Barockarchitekten Rastrelli gilt. Und meisterhaft bot sie sich dar - ein Traum in Himmelblau und Weiß, an den Ecken umgeben von 4 kleinen Kapellen in Hellblau und Weiß, die unmittelbar in die ebenfalls hellblau-weiß gehaltenen Klostergebäude übergingen. 

Eine von 4 Nebenkapellen

Beim Betreten der Kirche sackte Don Currys gespannte Erwartungshaltung rapide ins Bodenlose ab. Hatte man bei der Auferstehungskirche das Äußere wegen Renovierungsarbeiten verunziert, so zeigte es sich bei der Smolnij-Kathedrale genau umgekehrt; hier war das Innere eine einzige Baustelle, der gesamte Mittelraum der Kirche einfach nur kahl und leer, die großformatigen Ikonen provisorisch ringsum vor die Wände gestellt. Auch dieses Kloster kam also auf die Liste des "Irgendwann einmal..."

Inneres der Klosterkathedrale
Keine Hochzeit ohne Stretch-Limo...

Eigentlich wollte Don Curry noch ein russisches Einkaufszentrum besuchen, um seine Getränkevorräte aufzufüllen, doch das einzige direkt am Wegesrand war zur Zeit wegen einer Autobahnbaustelle zumindest von Don Currys Seite nicht zu erreichen. So zog es ihn schnell weiter zum nächsten Besichtigungspunkt.

Im Russischen Museum hatte er einige der herausragendsten Werke des berühmten russischen Künstlers Ilja Repin bewundert. Sein Wohnhaus, das zwischen Wyborg und Sankt Petersburg nahe dem inzwischen nach ihm benannten Dorf Repino liegt, wollte er besuchen. Repin lebte und wirkte um die Wende zum 20. Jhdt, er starb 1930. Obwohl er in Paris die ungeheure Wirkung des Impressionismus kennen und schätzen gelernt hatte, blieb er zeitlebens einem klaren Realismus treu, malte Porträts bekannter Zeitgenossen wie Tolstoj, Gorki oder Glasunow, mit denen er auch befreundet war, griff aber immer wieder deutlich sozialkritische Themen auf, bannte die tiefe Armut weiter Bevölkerungsschichten im zaristischen Russland ungeschönt auf die Leinwand.

Zugangspforte

Er selbst muss eine recht skurrile Persönlichkeit gewesen sein, ein echter Kauz und Eigenbrödler, der sich in seinem Rückzugort "Penaten" nach und nach eine eigene Welt schuf, sein Haus nach eigenen Plänen immer wieder umbauen ließ und bewusst anders lebte, als der Rest der Gesellschaft; seine Hausbediensteten sah er als völlig gleichberechtigt an; jeder Gast, der zu ihm kam, musste sich selbst die Tür öffnen, seinen Mantel aufhängen und dann einen Bronzegong schlagen, damit der Hausherr wusste, dass ein Gast eingetroffen war. 

Penaten - Repins Wohnsitz
Anweisung für frisch eingetroffene Gäste

Noch ungewöhnlicher waren die Tischsitten im Hause Repin. er selbst hatte einen großen runden Tisch entworfen, der in der Mitte eine erhöhte zweite Ebene besitzt, die drehbar ist; vor jedem Sitzplatz verfügt der Tisch jeweils über eine Schublade, in der das Besteck für diesen Platz aufbewahrt wird. Teller standen auf der unteren Tischebene bereit, die verschiedenen - rein vegetarischen - Speisen wurden auf der oberen Ebene postiert, damit jeder sie durch Drehen erreichen konnte. 

Repins Esstisch

Zu Repins strengen Regeln bei Tisch gehörte es, dass niemand die Speisen einem anderen weiterreichen durfte, jeder musste sie sich selbst durch entsprechende Tischdrehung erreichbar machen. Verstieß jemand gegen diese oder andere Regeln musste er auf ein fast 2 m hohes Podest im Esszimmer steigen und von dort eine spontane Rede halten. Auch den Hausherrn traf es gar nicht selten, weil es er selbst mit seinen eigenen Regeln nicht so genau nahm...

Die Straf-Empore

All das erwartete Don Curry im Wohnhaus des Künstlers, das heute ein Museum ist. Neugierig trat er ein, um die Kasse zu finden. Eine Frau sprach ihn auf Russisch an; er machte deutlich, dass er ein Ticket kaufen wolle. Sofort fuhr die Fragende eine andere Frau heftig an und beide begannen zu diskutieren. Die Fragende stieß Laute des Jammerns aus und Don Curry hatte das Gefühl höchst unwillkommen zu sein. Er schlug schon vor, wieder zu gehen, als die Fragende ihm eine Liste mit 10 Sprachen zeigt; Deutsch stand dort an 4. Stelle. Darauf zeigte Don Curry. Sie nickte, sprach wieder heftig mit der anderen Frau, zeigte Don Curry den Eintrittspreis: 350 Rubel (= 5 €). Don Curry zahlte per Karte und die Fragende forderte ihn zum Warten auf und verschwand hinter einer Tür. Da diese nicht ganz geschlossen war, hörte Don Curry dahinter lautes aufgeregtes Reden zwischen 2 Frauen. Dann kehrte die Fragende zurück, öffnete Don Curry die Tür und führte ihn in einen Raum, in dem 20 leere Stühle standen, sonst nichts. Auf einem der Stühle saß eine andere Frau, nickte ihm freundlich zu und bat ihn mit einladender Geste, sich einen Stuhl zu suchen. Das war nicht schwierig, es gab ja genug leere. Dann schaltete sie einen CD-Spieler an und auf Deutsch begrüßte eine Frauenstimme den Gast ganz herzlich in diesem Museum und erläuterte dessen Geschichte. Ungefähr 5 Minuten dauerte der abgespielte Vortrag. Dann schickte ihn die vorspielende Frau Don Curry eine Treppe hinauf. 

Repins Atelier mit Selbstporträt

Hier stand er offensichtlich im Atelier des Malers. Eine weitere Frau beäugte ihn verwundert, ließ ihn aber in Ruhe alles anschauen. Dann kaum eine weitere Frau die Treppe hoch, tuschelte mit der Beäugenden, beide schauten immer wieder zu Don Curry. Der begann sich bereits etwas unwohl zu fühlen, als ihn die beäugende Frau noch eine Treppe höher führte, vor einen Bildschirm setzte und einen Dokumentarfilm über die letzten Lebensjahre Repins startete - in perfektem Deutsch. Währenddessen tuschelten die Frauen weiter, eine dritte gesellte sich hinzu, die Don Curry noch gar nicht gesehen hatte.

Nach Ende des Films durfte er die eine Treppe wieder hinabsteigen, doch als er ganz ins Erdgeschoss zurückkehren wollte, rief ihn die Beäugende von vorhin zurück und setze eine CD in Gang. Nun hörte Don Curry in klarem Deutsch alles, was es zum Atelier Ilja Repins zu sagen gibt. An den passenden Stellen zeigte die Frau hingebungsvoll auf die erwähnten Gegenstände oder Gemälde. Erst dann durfte Don Curry tatsächlich nach unten, wo die dritte Frau von vorhin bereits seiner harrte, ihn ins Esszimmer geleitete und die Tür hinter ihm schloss. Wieder startete eine CD und Don Curry hörte nun die besondere Geschichte des Esstisches, von der er in diesem Bericht schon erzählt hat. 

Wintergarten mit Tolstoj-Büste

Allmählich begriff Don Curry das Prinzip dieses Museums. Statt eines Führers, der die Gäste durch alle Räumlichkeiten begleitet, hat hier jeder Raum eine Dame, die beim Eintreffen der Gruppe die CD in der richtigen Sprache startet. Eigentlich ein gutes Konzept, wenn nicht ein Einzeltourist wie Don Curry plötzlich dazwischenkommt und den wohlgeordneten Ablauf durcheinanderbringt. Das merkte er auch jetzt, als die Dame des nächsten Raums mit der Esszimmer-Dame aufgeregt tuschelte, weil ihr Raum noch von einer großen russischen Gruppe belegt war. Also sollte sich Don Curry im Esszimmer alles ganz genau anschauen. Erst dann durfte er ins Kabinett und sah unter anderem den Flügel, auf dem Glasunow seine neuen Kompositionen vorgespielt hatte, oder Tolstojs Büste, die Ilja Repin geschaffen hat. 

Repins Schreibtisch

Endlich war die letzte CD abgespielt, Don Curry froh, dieser ständigen Beachtung zu entkommen, und alle Damen des Museums erleichtert, diesen unerwarteten Gast bewältigt zu haben...

Im Park 1
Im Park 2

Zum nächsten Ziel fuhr Don Curry über's Meer. Tatsächlich ist die Bucht von Sankt Petersburg seit der späten Sowjetzeit von einem schützenden Damm durch die Ostsee umgeben. Inzwischen wurde eine sechsspurige Autobahn auf diesen Damm gebaut, um den Autobahnring rings um die Stadt zu komplettieren. Ein Teil der Autobahn führt sogar unter das Meer, damit die Schifffahrtsrouten nach Sankt Petersburg ungehindert durchkommen. Kurz vor dem Tunnel liegt eine große Insel, auf der schon Peter der Große die Festung Kronstadt errichten ließ. Zur Zeit der Sowjetunion war dies einer jener Orte, der für Ausländer absolut verboten waren, weil in Kronstadts Hafen große Teile der russischen Marine stationiert waren und auch noch sind. 

Nikolaus-Kathedrale

Don Curry aber wollte nicht spionieren, er wollte ein weiteres Meisterwerk der Kirchenbaukunst erleben. Anfang des 20. Jhdts. hatte ein Admiral die Nikolaus-Kathedrale in Auftrag gegeben, ganz bewusst als Hauptkirche der russischen Marine; so ist sie vor allem als Marine-Kathedrale bekannt. Sie hat alle Renovierungen bereits hinter sich, und Don Curry konnte sich ungehindert an dieser neobyzantinischen Pracht ergötzen, von der gewaltigen goldenen Kuppel, bis zu den vielen Radleuchtern und Mosaiken im Inneren. 

Hauptschiff
Fresken
Radleuchter
Seitenkapelle

Einzig den riesigen Weihwasserbehälter in Form eines U-Bootes hielt er für ziemlich geschmacklos. Doch die Leute zapften eifrig Wasser daraus und tranken es teilweise auch gleich in der Kathedrale.

Weihwasser-U-Boot

Weiter ging es über's und unter's Meer zu seinem letzten Ziel in Russland: der Stadt Peterhof mit dem Schloss Peterhof. Im Hotel Samson, direkt beim Eingang zum Oberen Schlosspark gelegen, hatte Don Curry sein Zimmer gebucht. 

Oberer Schlosspark

So konnte er schnell zum Schloss aufbrechen, gewappnet für eine weitere endlose Anstehschlange. Ähnlich wie beim Katharinenschloss muss auch hier zunächst Eintritt für den Park bezahlt werden, um überhaupt an die Schlosskasse heranzukommen. Doch während der herrliche Katharinenpark nur 150 Rubel (= 2,20 €) kostete, musste Don Curry für den Unteren Peterhofpark 900 Rubel (= 12,70 €) incl. Ausländer-Zuschlag bezahlen. Ein sehr stolzer Preis, auch wenn die vielen Fontänen und künstlichen Wasserfälle der Anlage allerliebst anzuschauen sind. 

Unterer Schlosspark - mit Blick zur Ostsee

Erwartungsgemäß strotzte bereits der Park von Besucher; Don Curry hielt Ausschau nach der Schlossschlange. Er fand die üblichen Absperrgitter, die jeweils zum Domestizieren der Anstehschlangen genutzt werden, und fand dort ein Schild: Tickets für Palastbesichtigung - Kasse im Palast. 

Der Große Palast

Also ging er in den Palast, fand dort eine einzige Kasse und eine recht gelangweilte Kassiererin. Er fragte vorsichtig nach einer Eintrittskarte für den Peterhof-Palast. "1000 Rubel" (=14,10 €), sagte die Kassierin. Don Curry zahlte, erhielt sein Ticket - und war drin. Keine Wartezeit! Kein Anstehen! Wo war der Haken?

Es gab keinen. Im Palast waren zwar ganz viele geführte Gruppen unterwegs, aber Don Curry schien tatsächlich der einzige Individualtourist im Palast zu sein. Ihn störte das nicht, hier mussten auch keine Damen irgendwelche CDs extra für ihn auflegen. Hier schwamm er einfach mit den Gruppen mit, ließ sich überholen, wenn er noch mehr fotografieren wollte - und hatte so ein völlig entspanntes Palasterlebnis. Eines wurde ihm aber auch deutlich: 3 Paläste in 3 Tagen - das reicht für lange Zeit.

Im Thronsaal
Audienzsaal
Der Çeçme-Saal
Blaues Zimmer
Kronzimmer (Schlafgemach)
Chinesisches Kabinett

Im Palastgarten nahm er noch ein überteuertes Eis zu sich: 2 Kugeln mit Waffel = 6,40 €. 

Goldglanz
Fontänen

Und er genoss ein angenehmes Abendessen im Hotelrestaurant: ein guter Borschtsch, ein überbackener Zander auf Bratkartoffeln unter einer eigentümlichen Tomaten-Ei-Bechamelhaube und dazu ein regionales Bier vom Fass: ein unfiltriertes Peterhof-Zwickelbier aus der Baltika-Brauerei.

Borschtsch
Überbackener Zander

Reisen ist immer anders, als man es erwartet, sinniert Don Curry. Manchmal fehlen die fest erwarteten Anstehschlangen, und manchmal bringt man selbst die Erwartungen fest eingespielter Museums-Damen gehörig durcheinander...

 




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