Veröffentlicht: 09.02.2017
Don Curry hat in Indien inzwischen eines gelernt: die Dinge laufen nicht nach Plan, aber sie laufen - irgendwie. So war es mit seiner in Jaipur vergessenen Jacke samt Ausweis gewesen. Jeden Tag hatte er eine andere Auskunft erhalten, wo das Vermisste sich gerade befindet und wie es zu ihm gelange; am Ende wurde es ihm einfach in Agra überreicht, als die Gruppe dort ankam. So war es nun auch mit seiner Eisenbahnfahrt: eigentlich sollte sie frühmorgens vom Tal auf den Berg führen, dann hieß es: frühmorgens vom Berg hinab zum Tal; und jetzt schien klar: nachmittags vom Berg zum Tal. Ob es dabei bleiben würde?
Don Curry gab sich nach einer eigentlich kalten, aber dank sehr leisem Heizlüfter und dicker Bettdecke trotzdem sehr angenehmen Nacht den Freuden eines maharajalichen Frühstücks hin: Müsli, Früchte, Spiegeleier, Toast - alles wurde ihm nach und nach zu seinem Platz im riesigen Speisesaal gebracht, dazu ausgesucht scheußlicher Kaffee. Auch wenn Don Curry noch eine weitere Nacht in Ooty verbringen würde, hatte er bereits gestern entschieden, die Palastfreuden angesichts der Palastpreise unwiederholt zu lassen. Er ließ sich allerdings von einem sehr freundlichen Zimmermädchen noch die Maharaja-Suite zeigen, die erst recht sein Tagesbudget bei weitem gesprengt hätte. So checkte er zufrieden aus, machte noch einige Erinnerungsfotos vom üppigen Gelände und ließ sich von Prince zu einem Hotel bringen, das dessem Chef gehörte: das Surya FunCity Hotel in Ooty. Hier bekam er ein funktionales, aber sauberes Zimmer zum Viertel des gestrigen Preises. Außerdem konnte er dort die per Email zugeschickte Zugfahrtkarte ausdrucken lassen.
Vor der Eisenbahntour nahm er sich noch etwas Zeit für die Sehenswürdigkeiten Ootys: zunächst den Ausblick vom Doddabetta, dem mit 2633 m zweithöchsten Berg Südindiens, dann den Besuch in einer Teefabrik, in der altehrwürdigen St. Stephens Church und am idyllischen See von Ooty, dem man sich nur gegen Bezahlung nähern darf. Für diesen Touristenort hatte Prince auch eine Restaurantempfehlung. Doch erstmals war Don Curry nicht ganz so angetan von dem gewählten Gasthaus; er war dort auch der einzige Kunde.
Zwanzig Minuten vor Abfahrt traf er am Bahnhof ein und versuchte noch, ob er sein Ticket der 2. Klasse in eine Fahrkarte der 1. Kategorie upgraden könne - leider aussichtslos. Immerhin enthielt sein Ticket im Wert von 0,60 € für die fast vierstündige Fahrt eine Platzreservierung.
Die Abteile des Nilgiri Blue Train sind nur von außen zu betreten und enthalten jeweils 2 sehr enge, einander gegenüberliegende Sitzreihen mit je 5 Plätzen. Inder scheuen keinen Körperkontakt; in diesem Zug war er mit den direkten Sitznachbarn unvermeidbar, und zum Gegenüber gab es mindestens Kniekontakt. Don Curry zeigte sich daher erleichtert, dass in seinem Abteil nur noch zwei indische Väter mit jeweils einem Kind mitfuhren.
Eine blaue Diesellok würde die 6 blauen Waggons den ersten, besonders steilen Teil der Strecke bis Coonoor hinabbringen. Kurz vor der dritten Station fragten die Väter, ob Don Curry bereit wäre, ins Nachbarabteil zu wechseln, damit von dort 6 weitere Mitglieder ihrer Familie zu ihnen kommen könnten. Klar war Don Curry bereit, und während sein altes Abteil nun randvoll wurde, teilte er sich die 10 Plätze mit 3 Briten und ihrem indischen Guide. Auf diese Weise bekam er ganz nebenbei auch einige Informationen über den Zug und die Strecke.
In Coonoor stand der Tausch der Lokomotive an. Die Diesellok konnte hier durch eine alte Dampflok ersetzt werden, da der Rest der Strecke nicht mehr ganz so steil angelegt war. Die Briten und ihr Guide beendeten ihre Zugfahrt, und eine dreiköpfige indische Familie stieg zu.
Gerade wollte Don Curry die Abteiltür wieder schließen, als eine ganze Reisebusladung Australier zuerst den Bahnsteig und anschließend den Zug stürmten. Jetzt blieb kein Platz mehr frei - auch nicht in Don Currys Abteil. Die australische Lady neben Don Curry fand Bahnfahrten allerdings extrem langweilig und döste regelmäßig ein; doch kurz bevor sie dann anlehnungsbedürftig zu Don Currys Seite sackte, schreckte sie immer wieder hoch. Ihr Mann beobachtete das mit sichtlichem Vergnügen und zwinkerte Don Curry fröhlich zu. Der versuchte immer noch, die inzwischen recht langsam gewordene Zugfahrt zu genießen, zwinkerte dem Australier aber verschwörerisch zurück.
Echte Gespräche machte der andauernde Lärm der ratternden Räder und das häufige Pfeifen der Lok unmöglich. Auf den kleinen Bahnstationen zwischendurch konnte man sich wenigstens kurz die Beine vertreten oder die herumlungernden Affen beobachten. Nach gut vier Stunden endete dieser altertümliche Transport bei äußerst beengten Verhältnissen in Mettupalayam. Prince wartete bereits auf dem Bahnsteig und Don Curry erfreute sich sehr am ausgedehnten Platzangebot innerhalb des Toyota Innova.
Zwei Stunden später - bei völliger Dunkelheit - kehrten beide nach Ooty zurück. Don Curry ließ sich im einfachen Hotelrestaurant noch schnell ein Eier-Curry zubereiten und begab sich in sein ziemlich kühles Zimmer. Der morgige Tag würde eine besonders lange Fahrtstrecke mit sich bringen; ob dabei alles nach Plan lief?