Don Curry on Tour
Don Curry on Tour
vakantio.de/doncurryontour

Don Curry und die Speisung der 20.000

Veröffentlicht: 21.01.2017

Don Curry interessiert sich sehr für Religionen. Die eigene christliche ist ihm natürlich besonders wichtig, er ist allerdings auch offen für Erfahrungen mit anderen Glaubensrichtungen. Auch wenn heute allzu häufig Fundamentalismus und religiöser Fanatismus in der Welt seine zerstörerische Kraft entfaltet, so hält doch Don Curry einen religiösen Menschen grundsätzlich für einen besseren Menschen; einen, der über sich hinauslebt. 

Einem frühen Frühstück folgte eine frühe Abfahrt aus Agra. Die Gruppe musste nach Delhi zurück, um von dort am morgigen Tag Richtung Südindien fliegen zu können. Auf einem gut ausgebauten Highway ging es recht zügig voran, auch wenn ein Reisebus es natürlich nicht mit der fahrerischen Raffinesse und Geschicklichkeit im Dazwischendrängen eines Mr. Sanjay aufnehmen kann. Don Curry lernte allerdings bald im Bus eine ganz besondere Tradition kennen. Zweimal täglich wurde zu unterschiedlichen Tageszeiten eine Wundermedizin verabreicht – sie sollte angeblich Verdauungsproblemen mit der indischen Küche vorbeugen und bestand zu 100% aus indischem „Old Monk“-Rum, der allerdings von einigen Mitreisenden in Cola aufgelöst wurde; Don Curry schwor selbstverständlich auf die unverfälschte Reinheit der Anwendung. Bei jeder Verabreichung kamen im Bus rund 1 l Old Monk zum Einsatz; die Gruppe begegnete der helfenden Wirkung dieser Medizin mit soviel Zuversicht, dass auch bei langen Fahrten sich die Stimmung mit einem Mal deutlich positiver zeigte. Damit ließ sich auch eine zweite Tradition der Busreisenden besser ertragen: es gab niemals eine Mittagspause in einem Restaurant unterwegs. Stattdessen verteilte der Beifahrer während der Fahrt großzügig Bananen, Tapioka-Chips, Reismehlkringel und andere Knabbereien. Ansonsten wäre das Tagesprogramm fast nie zu schaffen gewesen.

Als erste Etappe in Delhi diente der sogenannte Lotus-Tempel. Er war von der Bahaii-Religion als ihr Hauptquartier in Indien erbaut worden und sollte als Meditationsraum für Menschen aller Religionen genutzt werden. Doch strahlte die als sich öffnende Lotusblüte gestaltete Architektur des Tempels und ihre magische Ausleuchtung am Abend so viel Schönheit aus, dass niemand zum Meditieren, aber täglich hunderte Busladungen Touristen zum Bestaunen des Bauwerk kamen. 

Der Lotus-Tempel in Delhi


Generalstabsmäßig war entsprechend auch der Besucherdurchlauf organisiert. Auf langen Wegen näherten sich die Touristen allmählich dem Tempel. Erste Station bildete die Schuhabgabe, in der in mehreren Säcken die diversen Schuhe der Gruppe gesammelt wurden. Auf einem gewundenen Steg Schritt man dann über einen See empor zum eigentlichen Haupteingang, wobei ca. 50 bis 60 Besucher sich im Halbkreis aufzustellen hatten und einen kurzen Abriss über die Geschichte des Bahaii-Schreins sowie Verhaltensregeln für den Besuch mitgeteilt bekamen. Nach dieser Ansprache öffneten sich die Tore, und man durfte in einen riesigen, ungeschmückten Raum treten, dessen einzige Ausstattung aus zahlreichen Stuhlreihen und einer Art Rednerpult im Scheitelpunkt bestand. Trotz oder gerade wegen seiner Schlichtheit lud der Raum tatsächlich zum Meditieren ein und zwang fast von selbst zum Stillwerden, so dass der diesbezügliche Teil der Ansprache nicht unbedingt nötig gewesen wäre. Kaum hatte man allerdings Platz genommen und gerade begonnen, die Atmosphäre des Raums einzufangen, als die Türen sich schon wieder öffneten und es eine klare Einladung zum Hinausgehen gab. Draußen harrte bereits die nächste Gruppe ihrer Ansprache. Der Weg führte nun zu den Schuhsäcken zurück und anschließend zum Ausgang des Geländes. Insgesamt dauerte dieser Besuch bei den Bahaiis vielleicht 30 Minuten, doch außer einem Hauch Stille konnte Don Curry nichts für sich mitnehmen.

Als nächste Religion stand der Islam auf dem Programm. Allerdings mit Bauwerken aus Delhis Mittelalter, die längst keine religiöse Funktion mehr haben, sondern zum Weltkulturerbe zählen. Der Qtab Minar-Komplex beherbergt das höchste Minarett Indiens, den gescheiterten Versuch, ein noch höheres zu bauen, Reste einer prachtvollen Moschee und Grabbauten einiger Herrscher aus der Zeit des Delhi-Sultanats. All das steht nah beieinander in einem gut gepflegten Gelände. Nach einer allgemeinen Einführung ließ Guide Gauror 30 Minuten Zeit für die persönliche Erkundung – Don Curry begann sofort zu leiden bei diesem Zeitlimit, machte sich aber tapfer ans Werk, möglichst viel zu sichten und fotografisch festzuhalten. Vom lebendigen Islam konnte man an dieser Stelle zwar fast nichts erfahren, Don Curry bewunderte aber, zu welchem künstlerischen und architektonischen Höchstleistungen diese Religion schon in ihrer frühen Zeit inspiriert hatte. Wenn heutzutage Fanatiker vorgeblich im Namen des Islam auf barbarische Weise unwiederbringliche Kunstschätze zerstören, dann entfernen sie sich damit weiter von ihrer Religion als alles, was sie vernichten. Doch diese dunklen Gedanken glotzen nur kurz in Don Curry auf, bleibender waren die filigrane Eleganz des Minaretts, die variationsreiche Kunstfertigkeit bei den Säulen der Moschee, die beeindruckende Prachtentfaltung der Grabbauten. Schönheit ist in jeder echten Religion zu Hause, nahm Don Curry für sich als Erkenntnis mit.

Qtab Minar


Nachdem die Gruppe eingesammelt war, fuhr der Bus an den britischen Imponierbauten der Kolonialzeit vorbei, in denen heute indische Politik gemacht wird. Eigentliches Ziel sollte allerdings der größte Sikh-Tempel Delhis sein. Als relativ junge Religionsgemeinschaft gelten die Sikhs als sehr tolerant Andersgläubigen gegenüber. Jeder darf ihre Tempel besuchen, muss allerdings gleich zwei Bedingungen erfüllen: man darf keine Schuhe tragen und muss den Kopf mit einem Tuch bedecken – Hüte, Kappen oder Kapuzen zählen nicht. Freundlicherweise lagen orangefarbene Kopftücher bereit, so dass bald eine Bande barfüssiger Piraten auf das Sikhs-Gelände stapfte. Die strahlend weißen Gebäude mit ihren goldenen Kuppeln vor dem blauen Himmel Delhis strahlten eine besondere Würde aus. Im Tempel rezitierte ein alter Sikh mit extrem langen weißen Bart und prachtvollem Turban sitzend und umgeben von anderen Offiziellen Texte aus dem Heiligen Buch der Sikhs. 

Im Sikh-Tempel


Viele Gläubige lauschten andächtig, andere zogen in einer Prozession hinter dem Rezitierer entlang und brachten Spenden dar, die in einer großen Kiste verwahrt wurden. Dieses Geld dient einem besonderen Zweck, wie die Gruppe bald erfahren würde. Zunächst aber bewunderten sie den umfangreichen Tempelsee mit seinen weißsäuligen Wandelhallen. Die Sikhs beschränken sich in ihrem Glauben nicht nur aufs Beten und Reflektieren ihr Heiligen Schrift, sie praktizieren in ganz konkreter Weise tätige Nächstenliebe. In ihren Tempeln können alle, die möchten, zweimal täglich kostenlos verpflegt werden. In einer riesigen Küche wird dazu in gewaltigen Töpfen gekocht, Brot buchstäblich am laufenden Band gebacken, Gemüse geschnippelt, Obst vorbereitet – all diese Tätigkeiten übernehmen Freiwillige, die diesen Dienst regelmäßig oder auch nur einmal ausüben.

In der Sikh-Küche


Im gewaltigen Speisesaal sitzen die Hungrigen in langen Reihen am Boden und genießen ihre warme Mahlzeit, bei den vielen Armen und Ärmsten in Delhi besteht immer Bedarf. Rund 20.000 Mahlzeiten werden im Sikh-Tempel täglich zubereitet und verschenkt. Die Gruppe und Don Curry zeigten sich tief beeindruckt, wie diese Religionsgemeinschaft Tag für Tag das Leben so vieler anderer Menschen ganz konkret verbessert. Denn auch das ist Religion: sie darf kein reiner Selbstzweck sein, sie muss ihrem Wesen nach unsere Welt spürbar zum Positiven wenden.

Nach so vielen Eindrücken freute sich Don Curry nur noch auf das Dinnerbuffet und das Bett. Ob er in dieser Nacht von einer besseren Welt träumte, weiß er nicht mehr…


Antworten

Indien
Reiseberichte Indien
#indien#delhi#lotus-tempel#sikh-tempel