Don Curry on Tour
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Don Curry und der Apostel Thomas

Veröffentlicht: 06.02.2017

Don Curry fragt sich manchmal, wie wohl das Reisen in früheren Zeiten gewesen ist, als es noch keine Pauschalreisen gab und man nicht einfach einen Toyota Innova mit Fahrer buchen konnte. Reisen war früher sicherlich alles andere als eine angenehme Beschäftigung: es war unbequem, unvorhersehbar und gefährlich. Wer zu einer Reise aufbrach, konnte nie sicher sein, irgendwann heimkehren zu können. Große Reisende einer frühen Epoche stellen zum Beispiel die Apostel dar. Viele sind ganz schön weit herumgekommen, Paulus vor allem, der ständig unterwegs war; aber auch Petrus, der zumindest bis Rom reiste, oder Jakobus, der als Leiche bis in den äußersten Westen Spaniens vordrang. Den weitesten Weg aller Apostel legte allerdings Thomas zurück. Er landete im Jahr 52 n. Chr. in Indien ( s. Tag 16) und sollte dort bis zu seinem Lebensende bleiben. Don Curry wollte heute weiter seinen Spuren folgen. 

Das Frühstücksbuffet des INDeco-Hotels konnte keine besonderen Pluspunkte erwerben, es bot einfach nur gewohntes Mittelmaß. Vor diesem enttäuschenden Erlebnis genoss Don Curry einen kurzen Spaziergang zum Strand, der immer noch von vielen Teilnehmern eines gestrigen Festivals bevölkert wurde. Völlig bekleidet schritten einige ins Meer, ob zur Abkühlung, zum Wachwerden, als Duschersatz oder aus religiösen Gründen entzog sich Don Currys Entscheidungshorizont. Fotogen bildete sich allerdings im Hintergrund die Silhouette des uralten Shore Temples ab, den Don Curry aber nicht von der Küste aus betreten konnte. Sein Gelände war weiträumig eingezäunt. 

Pilger am Strand


Punkt 9:00 Uhr stand Prince bereit, um Don Curry nach Chennai, dem ehemaligen Madras, zu transportieren. Die Strecke umfasste zwar nur rund 50 km, doch als viertgrößte Stadt Indiens konnte sich Chennai durchaus jederzeit ein ausgewachsenes Verkehrschaos leisten. Dementsprechend lang dauerte die Anfahrtsweg zum St. Thomas Mount, einem Hügel, auf dem einst der Apostel Thomas im Jahr 72 n. Chr. von einem Hindupriester mit einem Speer hinterrücks getötet worden sein soll. 134 Stufen führen auf diesen Hügel, und angesichts der üppigen Temperaturen in der Millionenstadt nahm der Aufstieg durchaus die Dimensionen eines späten aber heftigen Frühsports an. In einer kleinen Kapelle auf dem Hügel wurden nicht nur Reliquien des Apostels bewahrt, sondern auch ein altes Steinkreuz, das Thomas selbst dort gefunden und ausgegraben hat, sowie ein Porträt Marias von der Hand des Evangelisten Lukas. Außerdem eröffnete sich von hier oben ein fantastischer Ausblick über den Süden der 7-Millionen-Stadt. 

Das Thomas-Kreuz


Don Curry zog es aber noch zu einem weiteren Ziel in Chennai, der Thomas-Basilika, die über dem ursprünglichen Grab des Apostels errichtet wurde und bis heute eine wichtige Pilgerstätte darstellt. Der heutige schneeweiße Bau im neugotischen Stil ist allerdings erst 120 Jahre alt. Während Don Curry in der Kirche saß und die Atmosphäre dieses Ortes in sich aufsaugte, sprach ihn freundlich ein etwa gleichaltriger Einheimischer an. Don Curry überlegte schon, wieviel Rupien er ihm denn geben will, als ihm klar wurde, dass der Andere einfach nur an einem netten Gespräch interessiert war. Nicht jeder sieht Touristen nur als wandelnde Portemonnaies, sondern tatsächlich auch als Gäste, die man willkommen heißen möchte. Don Curry nahm diese Korrektur seiner allzu einseitigen Sichtweise dankbar an.

Die Thomas-Basilika


Das Apostelgrab selbst befindet sich unterhalb des Altarbereichs der Basilika; eine kleine Öffnung im Boden ermöglicht einen begrenzten Einblick. Der eigentliche Zugang wurde von einem Nebengebäude der Kirche aus angelegt. Hier lässt man zuerst seine Schuhe zurück, steigt eine Treppe zu einem Vorraum hinab, in dem in Lebensgröße der Tod des Apostels dargestellt ist und erreicht durch einen langen Gang schließlich die Krypta. Hier liegt in einem schlichten Glassarg eine Figur des toten Thomas als relativ junger Mann. Tatsächlich wurden die Gebeine des Apostels schon früh ins Gebiet des heutigen Georgien transportiert, von wo Kreuzritter den Großteil nach Italien verschleppten. Nur wenige Knochenreste sollen hier an dieser Stelle verblieben sein. Der Verehrung durch die Bevölkerung tun diese schnöden Fakten keinen Abbruch. Don Curry beobachtete viele Inder, die lange vor dem Glassarg knieten und ihn kurz berührten. Für sie ist hier immer noch DAS Thomas Grab und damit der heiligste christliche Ort Indiens.

Das Apostelgrab


Nach diesem sehr zeitaufwändigen Besuch in der Großstadt ging es nun wieder zurück Richtung Mamallapuram. Prince erzählte noch, was für ihn das Faszinierendste und Schönste in Chennai sei: ein Schnellstraßenkreuz in Form einer Lotusblüte; er bedauerte sehr, dass wir dort nicht vorbeikommen würden. Doch Don Curry gelüstete es wenig nach modernen Infrastrukturprojekten, sondern nach geschichtsträchtigen Orten oder Kulminationspunkten indischer Kultur. Zum letzteren zählte sein nächstes Ziel: DakshinaChitra, eine Art Freilichtmuseum südindischer Volksarchitektur und Handwerkskunst.

Im DakshinaChitra

Vor den Augen verlangte jedoch zunächst der Magen nach seinem Recht - das Mittagessen im dortigen Restaurant hatte Don Curry sowieso eingeplant. Was er nicht wusste: nur am Wochenende bot das Restaurant eine vielfältige Speisekarte regionaler Spezialitäten an, sonst - wie heute - konnte man nur wählen zwischen einem festgelegten Thali (Tablett mit diversen Kleinigkeiten) oder einfach Paratha-Brot mit Dips. Da Don Curry die fettigen, blätterteigartigen Parathas besonders liebte, bestellte er für umgerechnet 0,60 € erstmal zwei davon. Schnell standen die Brote vor ihm, begleitet von einer Schüssel Zwiebel-Raitha und einer Schüssel herrlich würziger braun-sämiger Gemüsesoße. Als er den einzigen Kellner fragte, was das für eine Soße sei, bekam er als Antwort einfach noch eine Schüssel voll; und als er die fast geleert hatte, stellte ihm augenzwinkernd der Kellner eine dritte auf den Tisch. Don Curry konnte allerdings nur noch kapitulieren, die Parathas, das Raitha und vor allem die Gemüsesoße hatten ihn längst gesättigt - zusammen mit 1 l Wasser belief sich die Rechnung für sein Mittagessen auf 0,85 €, wobei er dem netten Kellner ein gutes Trinkgeld zugedachte.

Frisch gestärkt marschierte Don Curry nun durch Tamil Nadu, Kerala, Karnataka und Andra Pradesh, die wichtigsten Bundesstaaten Südindiens. Jedem Bundesstaat ist auf dem Gelände ein eigener Bereich gewidmet, der typische Wohnhäuser und Werkstätten der jeweiligen Bewohner zeigt. Vom Korbflechten über Seidenweberei bis zur Herstellung von Musikinstrumenten werden die notwendigen Techniken vorgestellt und z.T. sogar live demonstriert. Viele Erzeugnisse lassen sich auch gleich an Ort und Stelle erwerben. Gern hätte sich Don Curry intensiver mit den kulturellen Unterschieden der diversen Bundesstaaten beschäftigt, doch sein Tagesprogramm sah für heute noch einiges andere vor. Das nächste Ziel, ein Krokodilpark, war jedoch wegen Ruhetags geschlossen.

Südindische Volkskunst


Daher ging es direkt weiter zur Tigerhöhle, am nördlichen Rand von Mamallapuram gelegen. Kaum hatte Don Curry das eingezäunte Gelände betreten, näherte sich ein junger Mann. Aha, der Ticketverkäufer, dachte er, doch der Inder wollte kein Geld kassieren - zumindest jetzt noch nicht - sondern Don Curry den Weg zur Höhle zeigen und dabei etwas zu ihrer Geschichte erzählen: ihm war also wieder einmal ein Guide zugelaufen. Die freundliche Art des Mannes und sein eloquentes Englisch führten jedoch zu sofortiger Akzeptanz. 

Tigerhöhle


Die Tigerhöhle ist in Wirklichkeit gar keine Höhle, sondern ein künstlich in einen mächtigen Felsen hineingeschlagener Raum, dessen Rahmen von sieben riesigen Tigerköpfen gebildet wird. Vermutlich diente dieses ungewöhnliche, einst sicherlich lebensecht bemalte Ensemble als Bühne oder prächtiger Hintergrund für den Thron der Pallava-Könige im 7./8. Jhdt. Besiegte Gegner oder Gesandte fremder Herrscher sollten durch die Riesentigerköpfe augenblicklich eingeschüchtert werden. Der Guide konnte aber noch mehr zeigen: ein hochaufragender Felsen diente einst als primitiver Leuchtturm; immer noch sichtbare Tritte und Griffe im Stein zeigen, wo einst Wächter hinaufkletterten, um oben des Nachts ein Feuer zu entfachen. Noch etwas weiter hatte der fürchterliche Tsunami von 2004 einen uralten Shiva-Tempel freigelegt, der ebenfalls zur Pallava-Zeit in einen Felsen geschlagen worden war. Als der Guide noch weitere Ziele in der Umgebung ansteuern wollte, zog Don Curry allerdings die Bremse; er wollte schließlich noch in Mamallapuram einiges bestaunen.  Schnell bedankte et sich beim jungen Mann, zahlte einen Teil des geforderten Lohns und ließ sich von Prince zu den Pancha Rathas im Süden Mamallapurams steuern.

Die Pancha Rathas


Diese fünf kleinen Tempel direkt nebeneinander geben bis heute Rätsel auf. Alle wurden sie aus jeweils einem riesigen Felsblock herausgemeißelt, allerdings in einem stets kunstvoller werdenden Stil. Einige wurden nie ganz vollendet, und keiner der Tempel zeigt Spuren echter Nutzung. Die moderne Forschung geht inzwischen davon aus, dass hier eine Art Architektur-Experimentierfeld der Pallava-Zeit angelegt wurde, um Techniken zu erproben und die Wirkung bestimmter künstlerischer Details zu testen. Dennoch gehören diese Bauten zu den herrlichsten Schöpfungen des indischen (Früh-)Mittelalters. Allein schon ein neben den Tempeln stehender lebensgroßer Elefant, der ebenfalls aus einem einzigen Felsen herausmodelliert wurde, ist an Detailtreue und Großartigkeit kaum zu übertreffen. Obwohl Don Curry diesen Ort mit Touristenmassen teilen musste, genoss er sehr die Magie menschlicher Kunstfertigkeit vor rund 1300 Jahren.

Aus derselben Epoche stammen auch viele weitere Kunstwerke und Bauten in Mamallapuram. Für deren Erkundung ließ Don Curry sich einfach im Ortszentrum absetzen und Prince seine Freizeit genießen. Er selbst nahm sich Zeit für die weiteren Hinterlassenschaften der Pallava-Dynastie. Die meisten davon sind in einer parkähnlichen Landschaft frei zugänglich und durch kurze Wanderwege miteinander verbunden. Direkt an der Straße erhebt sich ein echtes Wahrzeichen des "alten" Indien: ein riesiges Felsrelief von 30 m Länge und bis zu 14 m Höhe, das als "Arjunas Buße" bezeichnet wird und hunderte mythologische Figuren, Götter und Tiere in einer Art Bildergeschichte wiedergibt. Auch hier ging es den Künstlern nicht nur um die großen Aussagen, sondern sie dachten auch an zahlreiche unwichtige, aber liebenswürdige Details: die kleinen Elefanten zwischen den Beinen ihrer Mütter oder sogar eine über 1200 Jahre alte, perfekt geglättete Steinrutsche, die noch heute von den Dorfkindern genutzt wird. Auf den verschiedenen Wegen kommt man an kleinen Tempeln oder reich verzierten Felshöhlen vorbei, kann zu einem recht modernen Leuchtturm hinaufsteigen oder einfach die Aussicht über die tropische Landschaft bewundern. 

Arjunas Buße (Detail)

Schließlich blieb noch ein Ziel übrig für Don Curry: der Küstentempel, den er schon am Vortag gesehen hatte, den er aber nicht erreichen konnte. Tatsächlich dient der Tempel keinen religiösen Zwecken mehr, sondern ist als Teil des UNESCO-Welterbes nur mittels eines deftigen Eintrittsgeldes von 8 € zu besichtigen. Er war das letzte große Bauwerk der Pallavas in Mamallapuram. Kurz nach seiner Errichtung verlor die Dynastie ihre Macht und der Ort jegliche Bedeutung, bis erst Anfang des 20. Jhdts. seine architektonischen Preziosen neu entdeckt wurden.

Shore Tempel

Ein Tag mit ungewohnt viel körperlicher Bewegung lag nun hinter Don Curry: vom Besteigen des St. Thomas Mount bis zum Herumwandern zwischen den Pallava-Schätzen. Mit gesundem Appetit sah er daher dem Diner entgegen, auch wenn er nach seinen Frühstückserfahrungen nicht allzu viel vom Restaurant erwartete. Doch abends wollte der Koch anscheinend zeigen, was wirklich in ihm steckt: eine gute Zitronengrassuppe und ein herrliches Fischcurry lösten zusammen mit einem großen Bier und einem indischen Whisky - der laut Kellner den einprägsamen Markennamen "Whisky" trug - tiefe Zufriedenheit in Don Curry aus. Reisen kann einfach nur wunderbar sein...







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