Don Curry on Tour 4
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Don Curry und die Raubkatze

Veröffentlicht: 24.06.2023

Don Curry kehrt zurück. Nach Kachetien, den ersten Teil Georgiens, der er durchforscht hatte. Von hier wollte er nach Aserbeidschan aufbrechen, und hier dollte er aus dem östlichen Nachbarland zurückkehren. Daraus wurde leider nichts. Don Curry kehrt aber auch zurück in seine ursprüngliche Reiseplanung, aber noch nicht gleich. Zuerst wollte er ein paar Klöster besuchen, die fast an der Wegstrecke liegen.

Morgens hatte er sich von seiner Vermieterin Nino und von Borjomi verabschiedet. Das "My House" würde nun ohne ihn zurecht kommen müssen. Von seinem ersten Ziel las er erst gestern in einem Reiseführer, sicherlich wieder ein verborgener Schatz, der noch nicht für den Tourismus entdeckt war. Das merkte Don Curry schon daran, dass die Straßen nach Samtsevrisi immer schmaler und immer schlechter wurden. Doch dann ragte plötzlich eine mächtige Festungsruine auf einem grünen Hügel in der Ferne auf. Dort wollte er hin. Das allerletzte Stück des Weges musste er Xerras Allradfunktion dazuschalten, sonst hätte er den matschigen Feldweg aufwärts nicht bewältigen können. Einen offensichtlichen Parkplatz gab es hier nicht, also stellte Don Curry sein Fahrzeug einfach am Rand des Matsches ab. Durch eine Pforte betrat er das Festungsgelände, das inzwischen ein Frauenkloster beherbergte. Eine uralte Nonne arbeitete gerade mit einer anderen alten Frau an der Pflege der Blumen im Innenhof, direkt bei der Kirche. Da Don Curry hier keine sprachliche Kommunikation für möglich hielt, nickte er den beiden Damen nur freundlich zu und zeigte dann auf die Kirche, um seinen Besichtigungswunsch zu verdeutlichen. "Was wollen Sie in dee Kirche?", fragte die uralte Nonne in sehr gutem Englisch. "Sind Sie orthodox?" "Nein", musste Don Curry bekennen. "Dann dürfen Sie nicht in die Kirche", sagte streng die ganz schwarz gekleidetete Ordensfrau. Don Curry zeigte sein Bedauern und wollte gerade seine Besichtigung der Festung fortsetzen, da rief ihm die Nonne hinterher: "Sue können rein!" Die andere Frau schloss die Kirche für Don Curry auf und machte Licht. Was Don Curry dann sah, überwältigte ihn. Die mittelalterliche Kirche hatte man vermutlich erst vor einiger Zeit komplett ausgemalt, doch diese wunderschönen Fresken waren ganz auf goldenem Hintergrund aufgetragen Diese Kirche wirkte tatsächlich wie ein Stück Himmel auf Erden, wenn man sich den Himmel strahlend-prächtig vorstellt. Don Curry genoss seine kurze Zeit, komplett eingehüllt in überirdische Schönheit und bedankte sich herzlich bei den beiden Frauen, die ihm das ermöglicht hatten. Don Curry hatte den Eindruck, das selbst die strenge Nonne ein klein wenig zurücklächelte.

Eigentlich wollte Don Curry noch eine weitere, deutlich ältere Kirche in dem Ort besichtigen. Doch als er den einzig möglichen Zuweg sah, verzichtete er lieber, um Xerra zu schonen. Sein nächstes Ziel konnte er deutlich besserer erreichen. Ein älterer Reiseführer schrieb zwar von einer notwendigen 45minütigen Wanderung, doch in den letzten Jahren hatte man wohl den Wanderweg zur asphaltierten Straße ausgebaut; schließlich geht es um eines der berühmtesten Klöster Georgiens - Kloster Kvintvisi. Schon bei der Anfahrt erblickte Don Curry hoch oben in den Bergen die goldenen Kuppeln einer Kirche. Sollte das Kloster Kvintvisi sein? 

So richtig stimmen konnte das nicht, denn gerade im Mittelalter legten die Georgier ihre Klöster tief versteckt in irgendwelchen Wäldern an, so dass man die Türme der Klosterkirche erst kurz vor Erreichen des Klosters sah. Schließlich wurde Georgien immer wieder von brutalen Eroberern heimgesucht. Don Curry würde es bald wissen. Auf dem Parkplatz standen bereits einige Fahrzeuge; allerdings gingen von her zwei verschiedene Wege ab: ein matschiger Waldweg, in den große Baufahrzeuge tiefe Rillen gerissen hatten, und ein frisch gepflasterter Wege. Beide führten steil bergan. Da sich auf dem gepflasterten Weg deutlich mehr Menschen befanden, musste das der richtige sein. Nach rund 500 m heftigen Anstiegs erblickte Don Curry die goldenen Kuppeln noch ein Stück oberhalb. Also bildete Kvintisi doch eine Ausnahme von der Regel der versteckten Klöster? Nahezu atemlos oben angekommen stand Don Curry in einem sehr modernen Klosterkomplex, an dem immer noch gebaut wurde. Keine der beiden schon vollendeten Kirchen konnte älter als ein oder zwei Jahre sein. Heutzutage muss sich kein Kloster mehr verbergen, es soll ja möglichst viele Menschen anlocken. Das hieß aber für Don Curry: den schweißtreibenden Aufstieg hätte er sich sparen können; er musste unverrichteter Dinge wieder hinunter.

Am Parkplatz schlug er nun den Matschweg ein, dessen steiler Anstieg nach rund 100 Meter bereits nachließ. Hier arbeiteten gerade einige Baufahrzeuge, um eine neue Betonwand zur Stabilisierung des Berghangs zu errichten. Daher die Spuren. Im Kloster selbst gab es keine Bauarbeiten. Dafür nervte Don Curry allerdings das Schild an der Klostertür mit dem durchgestrichenen Fotoapparat. Also wieder ein paar heimliche Fotos, nahm er sich vor. In dem dichten Gedränge in der Kirche und dem ständigen Kommen und Gehen boten sich ihm beste Voraussetzungen dafür. Kloster Kvintivsi ist nicht nur für seine recht gut erhaltenen Fresken bekannt, sondern kunsthistorisch sogar berühmt für einen ganz besonderen Farbton: das Kvintvisi-Blau. Während in seiner letzten Klosterkirche der prächtige Goldhintergrund die Fresken hervorhob, umspielte die Figuren in Kvintvisi ein leuchtendes Himmelblau; auch das ein Hinweis auf die himmlischen Sphären, in denen die dargestellten Heiligen und Engel nun zuhause waren. Don Curry bestaunte aber nicht nur die mittelalterlichen Fresken, ihm entging auch nicht, dass mehrere andere Kirchenbesucher ebenfalls verstohlen Fotos machten, darunter sogar ein orthodoxer Pope. Diesem herrlichen Blau konnte wirklich niemand widerstehen…


Ein drittes Kloster durfte auch noch sein, das Goldkuppel-Kloster zählte schließlich nicht. Relativ dicht bei der Stadt Gori, die Don Curry erst in einigen Wochen besuchen würde, liegt fast am Ende eines malerischen Gebirgstals das Sioni-Kloster. Dieses Kloster verbarg sich nicht hoch oben in verwunschenen Bergwäldern, sondern eben in einer kurvenreichen Schlucht, so dass man es auch erst erkennen konnte, wenn man fast davor stand. Dankbar nahm Don Curry den Umstand an, dass er hier nirgends hochsteigen musste, sondern nur einen befestigten Bohlenweg an einem Felshang entlang schreiten musste, um das Kloster zu erreichen. Wieder machten Fresken die Bedeutung dieses Klosters aus, aber genauso der kunstvolle Skulpturenschmuck an der Außenseite der Kirche. Besonders einprägsam empfand Don Curry das Relief mit den beiden Hirschen und der Kugel in ihrer Mitte, direkt über dem Kircheneingang.


Bis Gori führt die Autobahn von Tbilisi in fertiggestellten Zustand. Hier hatte Don Curry bei seiner Fahrt nach Borjomi eine Raststätte mit mehreren Fast-Food-Angeboten gesehen. Die fuhr er nun an. Bei der amerikanischen Kette „Dunkin‘ Donats“ gibt es nicht nur süße, sondern auch herzhafte Sachen, und da dort mehrere Bestell-Displays aufgestellt waren, konnte Don Curry seine Bestellung ohne irgendwelche Sprachprobleme loswerden. 5 Minuten später standen ein Chickenburger samt Ofenkartoffeln mit mexikanischer Sauce bereit, die Coke Zero sollte er sich selbst nehmen. Alles zusammen sicherlich kein kulinarischer Hochgenuss, aber eine willkommene Kalorienzufuhr für die noch weite Fahrt zu seinem heutigen Hotel. Denn Don Curry musste ja nach Telavi zurück.Dort wollte er die Zeit noch nutzen, um endlich das Kloster Neues Schuamta zu besuchen, das er bereits zweimal wegen Regens verschmäht hatte. Doch auch heute setzte kurz vor Telavi heftiger Regen ein, und da das Kloster sowieso einen Umweg bedeutet hätte, strich er es abermals aus seinen Plänen. Aber morgen ganz bestimmt! Sein Hotel für die heutige Nacht trägt den offiziellen Namen „Hotel and Wine Cellar ARGE“; wie so viele andere Unterkünfte rund um Telavi verfügt es zugleich über einen eigenen Weinbau und vermarktet seine Erzeugnisse auch bei Weinproben oder Besichtigungen des Weinguts. Außerdem hatte es sich in kulinarischer Hinsicht einen guten Ruf erworben, so dass Don Curry hier seine Chickenburger-Scharte wieder auszuwetzen gedachte. Bei der Zimmerzuteilung meinte es die Rezeptionistin gut mit ihm und gönnte ihm ein Upgrade auf ein Balkonzimmer mit Kaukasus-Blick. Don Curry nahm das dankbar an.


Als er das Restaurant des Hotels betrat, zeigte es sich komplett leer. Die Kellnerin, sicherlich eine Schwester der Rezeptionistin, meinte, er könne auch draußen essen. Skeptisch aufgrund des anhaltenden Regens warf Don Curry einen Blick in den Innenhof und entdeckte zwei überdachte Verandas. Hier ließ er sich gern nieder, wie mehrere andere Gäste vor ihm; die Kellnerin musste allerdings immer wieder durch den Regen laufen. Zuerst brachte sie Don Curry eine umfangreiche Speisekarte, dazu eine Wein- und eine Dessertkarte. Intensiv arbeitete Don Curry die Vielfalt des Angebotenen durch und entschied wieder einmal für einen georgischen Klassiker: „Chicken Tabaka“ – das ist ein in der Mitte zerteiltes und dann platt geklopptes Stubenküken, das anschließend kräftig gewürzt und gegrillt wird. Dazu orderte sich Don Curry seinen Lieblingssalat und Kartoffeln nach Familienart, also mit Zwiebeln in Öl gebraten. Als Getränk nahm er außer dem Borjomi-Wasser – als Reminiszenz auf die letzten Tage – auch ein Glas Khikhvi-Weißwein aus dem Qvevri-Krug. Alles mundete ausgezeichnet, wobei das Hühnchen allerdings mehr Haut und Knochen als Fleisch besaß, der Brustteil gehörte wohl nicht dazu. Als Besonderheit reichte das Hotel zum Salat eine hausgemachte Vinaigrette und reichlich würzige Tkemali-Sauce zu den Kartoffeln. Gleich mit dem Essen kam auch – laut miauend – ein grau-weiß-gemusterte Katze an Don Currys Tisch und schaute ihn mit der für Katzen typischen Mischung aus Erwartung und Herablassung an. „Ich gestatte dir, mir etwas abzugeben“, sollte das wohl heißen. Da die servierten Portionen wie immer äußerst üppig bemessen waren, warf Don Curry seinem unerwarteten Tischgenossen gelegentlich etwas vom Fleisch hin; er vermutete, dass die Katze kein gesteigertes Interesse an Gurken oder Tomaten zeigen würde. Als Don Curry die Hühnchenteile so weit er konnte vom Fleisch befreit hatte, endete für ihn das leckere Mahl. Einzig bei den Weinen brauchte er noch etwas Nachschub. Die drei hauseigenen Weine wurden allerdings nur in Liter- und Halbliter-Karaffen angeboten. Don Curry fragte seine Kellnerin, ob er die Weine möglicherweise glasweise bekommen könne. Als sie das sofort bejahte, bestellte sich Don Curry einfach von jedem Wein ein Glas, natürlich auch, um die arme Kellnerin vor dem Regen zu schützen. So genoss er seine ganz eigene Weinprobe.Die Katze zeigte sich keinesfalls damit einverstanden, dass das Mahl beendet sei. Wenn sie sich ganz ausstreckte und die Vorderpfoten auf den Tischrand legte, konnte sie ein klein wenig auf den Tisch schauen. Irgendetwas roch da ziemlich verlockend. Da Don Curry den Fütter-Service eingestellt hat, schritt das Tier nun selbst zu Tat, kletterte auf die hintere Seite des Tischs und schlich sich vorsichtig an den Hühnchenteller heran. Nicht, dass da noch was wegläuft! Dann stieß sie blitzschnell zu, packte sich einen Flügel und sprang herunter vom Tisch. Interessiert lauschte Don Curry dem Bersten der zarten Hühnerknochen, während die Katze das gesamte Stück nach und nach verzehrte. Da blieb kein Knochen übrig. Schon startete sie zur nächsten Jagd, und leerte allmählich den Teller. Don Curry hatte seine Weinprobe inzwischen beendet, und da es ihn etwas fröstelte, verließ er den Tisch. Ob sich später die Kellnerin beim Abräumen wunderte, warum Don Curry sowenig Knochen übrig gelassen hat?Erst einmal traf er sie im Hotelbereich, und als sie ihn nach weiteren Wünschen fragte, wollte er gern auch die beiden hausgemachten Schnäpse probieren, die Chachas: ein einfacher Trester und ein Minz-Trester. So stieg Don Curry alsbald mit zwei gut gefüllten Schnapsgläsern hoch zu seinem Zimmer, setzte sich auf den Balkon und blickte auf den Kaukaus, den die nächtliche Dunkelheit aber längst vor seinen Augen verbarg.


Er war zurückgekehrt in sein geplantes Programm. Die Zeit des Improvisierens endete hier. Aber Don Curry wusste ganz genau, dass auch ein völlig durchgeplantes Tagesprogramm immer noch so einige Überraschungen bieten kann, und sei es nur eine herablassend blickende, hungrige Raubkatze…





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