Don Curry on Tour 4
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Don Curry und die heiße Hütte

Veröffentlicht: 14.07.2023

Don Curry verließ Gori ohne Frühstück. Im Übernachtungspreis war es diesmal nicht enthalten, und da er heute wieder eine ganze Menge vor hatte, konnte er sogar noch Zeit einsparen.

Dem Kloster Sioni hatte er bereits von Borjomi aus einen Besuch abgestattet, damals am späten Nachmittag, so dass ein Teil der schönen Fassaden ganz im Schatten lagen. Da das Kloster sehr dicht bei Gori liegt, gönnte sich Don Curry diesen kurzen Abstecher, um nun auch alle Fassaden im Sonnenlicht fotografiert zu haben. In der Kirche fand gerade ein Gottesdienst statt, so dass sich Don Curry dort nicht weiter aufhielt.

Ebenfalls in der Umgebung Goris befindet sich die Höhlenstadt Uplistzikhe, die in einem trockenen Sandsteingebiet oberhalb eines Flusslaufs liegt. Von der Eisenzeit bis zum späten Mittelalter wohnten Menschen in diesen selbstgeschaffenen Höhlen, die zum Teil mehrere Räume pro Wohneinheit besitzen und manchmal über dekorativ gestaltete Decken verfügen. Neben heidnischen Tempeln gab es hier mindestens zwei christliche Kirchen, von denen eine komplett restauriert wurde, allerdings keinen Höhlenkirche darstellt. Nach den kühlen Regentagen der letzten Zeit zeigte heute die Sonne wieder einmal, über wieviel Kraft sie verfügt, so dass sich die zahlreichen Besucher der Höhlenstadt meist bei den wenigen schattigen Plätzen konzentrierten.

Don Curry spürte nach seinem Rundgang durch das überaus unebene Gelände ein klares Hungergefühl. Sein Magen hatte sich längst auf die üppige LBelieferung zu früher Stunde gewöhnt. In einem kleinen Restaurant am Parkplatz der Höhlenstadt bestellte Don Curry eine georgische Birnen-Limonade und Lobiani, also eine Khachapuri mit Bohnenfüllung. Eigentlich hatte er gehofft, dass eine Lobiani stets einen kleineren Durchmesser als die üblichen Fladen besitzt, doch seine Lobiani überragte zu allen Seiten des großen Servierteller. Leider verfügte die Füllung aus zerkleinerten roten Bohnen über wenig Würze, so dass das Gericht etwas fad daherkam. Zur Sättigung reichte es in jedem Fall; Don Curry konnte nur die Hälfte verspeisen.

Danach fuhr Don Curry auf der Autobahn Richtung Tbilisi, musste aber zwischendurch unbedingt Kloster Samtavissi. Ähnlich wie in Nikortsminda gab ein echtes Juwel georgischer Kirchenbaukunst Zeugnis von der einst wesentlich größeren Bedeutung der jeweiligen Ortschaften, die heute eher verschlafenen Dörfern gleichen. Zumindest gilt die Kathedrale von Samtavissi inzwischen wieder als Bischofskirche. Der vielgestaltige Fassadenschmuck und die Reste der Freskenmalerei im Inneren sollten noch einmal einen grandiosen Schlusspunkt unter Don Curry umfangreiche Reise zu Kirchen und Klöstern Armeniens und Georgiens setzen. Auf seinem Programm stand nun kein religiöses Bauwerk mehr. Er sollte sich aber täuschen.

Nachdem Don Curry sich bisher in östlicher Richtung bewegt hatte, fuhr er ab jetzt auf der sogenannten Georgischen Heerstraße konsequent nach Norden. Diese Verbindung stellte schon früh eine der wichtigsten Routen durch den Hohen Kaukasus dar und gilt auch heute noch als wichtigster Transportweg nach Russland. Dementsprechend hoch zeigte sich das Verkehrsaufkommen insgesamt und der Anteil von Lastkraftwagen im besonderen. Aufgrund des strahlend blauen Himmels beschloss Don Curry, kurzerhand die Festung Ananuri bereits heute in sein Tagesprogramm aufzunehmen. Absolut fotogen liegt sie direkt an der Heerstraße und sollte diesen Handelsweg im Mittelalter schützen. Im Mittelpunkt der trutzigen Festungsmauern befindet sich allerdings - eine Kirche!

Eine Gruppe Jugendlicher sang darin gerade ein getragenes georgisches Kirchenlied und erfüllten den Raum mit soviel geistlicher Atmosphäre, dass sich keiner darin mehr zu bewegen wagte. Alle standen und lauschten ergriffen. Auch diese Überraschungskirche fügt Don Curry ohne Zögern der Kategorie "Kirchenjuwelen" zu, so dass es heute einen doppelten grandiosen Abschluss gegeben hat.

Kurz vor dem Kreuzpass in 2379 m Höhe, dem höchsten Punkt der Heerstraße, erhebt sich in beeindruckender Bergwelt das gewaltige Denkmal der Georgisch-Russischen Freundschaft. Mag es auch in der jetzigen politischen Situation inhaltlich ziemlich umstritten sein, so bringt es doch mit seinen bunten Kacheln und volkstümlicher Darstellung mehr Lebensfreude und Völkerverbindendes zum Ausdruck als das sonst übliche Pathos sozialistischer Verbrüderungsideologien. Auffallend viele arabische Touristen fand Don Curry an diesem Ort. Für sie muss diese Mischung aus saftiggrünen Bergwiesen und schneebedeckten GIpfeln ein Höchstmaß an Exotik darstellen. Etwas amüsiert betrachtete Don Curry eine vollverschleierte Touristin mit Strohhut und Sonnenbrille, die unablässig Selfies von sich vor dieser Bergwelt machte. Die Frage ist nur: wer sollte sie auf diesen Fotos erkennen können?

Als Don Curry zu seinem nächsten Ziel ins Truso-Tal abbog, merkte er schnell, dass auf dieser extrem schlechten Piste an Vorankommen sehr zeitintensiv sein würde. Da die Sonne bereits sank und angesichts der hohen Berge viel früher aus dem Blickfeld verschwinden würde als in flachen Gegenden, entschloss er sich zur Umkehr. Vielleicht würde er es an einem der kommenden Tage schaffen, doch noch zur Festung Zakagori vorzustoßen.

Kurz nach 18:00 Uhr erreichte er Stepanzminda, die letzte Stadt Georgiens vor der russischen Grenze. Er fuhr aber nicht zum Hotel, sondern gleich auf vielen Serpentinen hinauf zur Dreifaltigkeitskirche, die auf einem Berg in 2170 m Höhe liegt. Sie wurde bereits im 14. Jhdt. errichtet und gilt vor allem aufgrund ihrer Lage als eine der wichtigsten Kirchen Georgiens. Ihre Silhouette vor dem gewaltigen Kazbegi-Gipfel ist DAS typische Georgien-Foto. Darum zählte Don Curry ihren Besuch nicht als eigentlichen Kirchenbesuch, sondern als Erreichen eines besonders fotogenen Ortes.

Beim Eintreffen auf dem Parkplatz lag der Kazbegi bereits im absoluten Gegenlicht. Die Sonne begann gerade, neben ihm unter zu gehen. Dafür hoben sich die Umrisse der Kirche und des Glockenturms wunderbar vor den von der Sonne noch angestrahlten Berggipfel auf der gegenüberliegenden Seite ab. Don Curry nahm auch diese Möglichkeit dankbar an. Nach zahlreichen Fotos in dieser herrlichen Gegend, ließ er Xerra sich wieder vom Berg herabarbeiten, um seine Unterkunft Kazbegi View zu finden. Es sollte eine Hütte am oberen Ortsrand von Stepanzminda sein. Bewusst hatte sich Don Curry eine Hütte mit Bergblick gebucht. Als die Managerin ihm dann sein Zuhause für zwei Nächte zeigte, verschlug es Don Curry erst einmal den Atem. Und das aus zwei Gründen. In der Hütte war es unerträglich heiß. Ihre Front Richtung Berge besteht ausschließlich aus Glas und dünnen metallenen Trägern. Die Sonne konnte also den ganzen Nachmittag über den Raum hinter dem Glas erhitzen. - Aber welch ein Blick! Don Curry hatte von seinem Raum aus das gewaltige Kazbegi-Massiv in seiner ganzen Schönheit unmittelbar vor Augen, und dazu auch noch die Dreifaltigkeitskirche vor dem Kazbegi. Auf dieser Reise hatten seine Unterkünfte selten mit grandiosen Ausblicken gegeizt, doch dieser Blick stellte die absolute Krönung dar. 

Mit offener Tür ließ die Hitze in der Hütte allmählich nach. Nachts wird es sowieso kalt, sagte die Managerin. In der letzten Nacht waren es 7° C. Darum empfahl sie Don Curry, durchaus die Heizung aufzudrehen, was der sich bei den augenblicklichen Temperaturen in dem Raum so gar nicht vorstellen konnte. Außerdem empfahl sie ihm das Restaurant "Tiba", das direkt neben den Hütten neu aufgemacht hatte.

Kurz nach 20:00 Uhr betrat Don Curry das empfohlene Restaurant. Es hatte sich tatsächlich inzwischen kräftig abgekühlt, so dass an ein Essen draußen nicht zu denken war. Eine überraschend kurze Speisekarte ließ Don Curry vermuten und auch hoffen, dass dieses Restaurant nicht wie üblich die zahlreichen Klassiker der georgischen Küche einfach nachkochen will, sondern diese Klassiker mit etwas Kreativität verfeinern möchte. Ein sehr bemühter Kellner nahm seine Bestellung auf: einen Khachetischen Tomatensalat mit Käsemousse und Walnuss-Adjika und eine Forelle vom Holzkohlengrill mit Estragon. Als Getränk wählte er einen trockenen Weißwein, der Kellner empfahl ihm einen Mtsvane-Wein. Etwas irritiert zeigte er sich, als Don Curry gleich eine ganze Flasche bestellte; er erklärte, dass er den Rest gern in seine Hütte mitnehmen wolle. Nach angemessener Zeit wurde der Wein serviert; er sei bereits geöffnet, erklärte der Kellner. Ob Don Curry auch ein Glas dazu wünsche?, fragte er. Ja, Don Curry hätte gern ein Glas, er wollte nur den Rest des Weines mitnehmen, nicht die ganze Flasche. Das Glas kam, aber Don Curry gelang es nicht, den zwar gezogenen, aber bis zur Hälfte wieder in die Flasche gesteckten Korken zu lösen; er wollte ihn nicht abbrechen. Schließlich bat er den Kellner um Hilfe. Die Flasche sei doch geöffnet, meinte der, bewegte den Korken so energisch hin und her bis er tatsächlich abbrach. Kein Problem, meint der Kellner, verschwand und kam mit der Flasche ganz ohne Korken wieder. So war das eigentlich nicht gedacht gewesen, resignierte Don Curry. Der Weine brachte die tief orangene Farbe eines echten Qvevri-Weins mit und dazu einen erdigen Grundton, den man sonst gar nicht bei Weißweinen kennt. Zum Essen ein idealer Begleiter.

Abgesehen von der Unerfahrenheit der Servicekräfte glänzte dieses Restaurant mit einer exquisiten Küche.  Er hat seit dem Cafe Littera in Tbilisi nirgends in Georgien so gut gegessen wie hier. Der Salat erfreute mit einer angenehmen Schärfe, die Tomaten schmolzen fast dahin und die kräftig-sahnige Käsemousse als Krönung gaben dem ganzen den Charakter eines eigenständigen Gerichts, nicht einfach eines Beilagensalats. Die Forelle war zwar recht klein geraten, dafür aber bereits von allen Gräten befreit und mit Massen von Estragonblättern und roten Zwiebelstreifen bedeckt. Zwei Zitronenviertel gaben dem Gast die Möglichkeit, den Fisch nach eigenem Ermessen zu säuern. Als Don Curry nach einem Chacha fragte, meinte der Kellner, dass sie zwei hätten: einen klassischen und einen mit Pfirsisch. Don Curry bestellte letzteren und bekam einen sehr milden und extrem fruchtigen Schnaps, wie er ihn noch nie in Georgien getrunken hatte. Als Don Curry nach der Marke fragte, bat der Kellner den Barmann, die Flasche zu zeigen: es war ein 5-Liter-Plastikkanister ohne jedes Etikett, also irgendwo abgefüllt, wie Don Currys Chacha in Ushguli.

Zurück in seiner Hütte schob Don Curry sämtliche Vorhänge beiseite. Er wollte den Gesamtblick genießen, auch wenn in der Nacht außer den Lichtern Stepanzmindas nicht viel zu sehen war. Die Hütte war nun angenehm temperiert, Don Curry drehte die Heizung nicht auf. Von seinem Bett aus blickte er auf die große Dunkelheit der vor ihm liegenden Bergen. Doch plötzlich sah er zwei goldene Lichter ungefähr in der Mitte der Berge: die Drefaltigkeitskirche und der Kirchturm wurden angestrahlt....

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