Don Curry on Tour 4
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Don Curry und das tapfere Fohlen

Veröffentlicht: 11.07.2023

Don Curry fürchtete sich etwas vor dem, was ihn gleich zu Beginn des Tages erwarten würde: das überbordende Frühstück im Suntower Hotel. Über die Hälfte der Bestandteile waren ausgetauscht worden, damit keine Langeweile bei der ersten Mahlzeit des Tages aufkam, aber auch diesmal konnte er nur einen geringen Teil verzehren. Zufrieden verließ er sein Hotel in Mestia. Er würde zwar in Oberswanetien bleiben, aber einen Ort aufsuchen, der noch urtümlicher ist.

Zuvor aber wollte er versuchen, vielleicht doch noch offene Kirchen zu finden; schließlich war heute Sonntag. Gleich bei der Kirche von Nesguna hatte er Glück. Dort endete gerade der Gottesdienst, und Don Curry schlüpfte einfach in die Kirche, nachdem die Frauen und Kinder - Männer sah er hier nicht - die Kirche verlassen hatten. Zumindest einige Fresken konnte er bewundern, auch wenn sie zum größten Teil bereits arg verblasst waren. Im Nachbardorf Lashtkveri sollte es gleich zwei bemerkenswerte Kirchen geben. Die Erzengelkirche fand Don Curry leider verschlossen vor. Sie gehört allerdings zu den ganz wenigen Kirchen, die sogar außen Fresken tragen. Auch wenn diese im Laufe der Jahrhunderte an Farbkraft verloren haben, künden sie dennoch von der Kunstfertigkeit ihres Schöpfers.

Nur 100 m weiter steht die Gabrielkirche, die kleiner als ein Wohnhaus ist. Hier erwartete Don Curry gar nichts, so schlicht und abweisend wirkte sie von außen. Die Tür zum Vorraum ließ sich öffnen, das hatte Don Curry schon häufiger erlebt; er war dann spätestens an der Tür zum Kirchenraum gescheitert. Doch diesmal ... ließ sich ein Flügel der Tür öffnen, breit genug um Don Curry durchschlüpfen und dann erstarren zu lassen: die winzige Kirche zeigte sich komplett ausgemalt in wunderbar erhaltenen, farbenprächtigen Fresken. Da es nur zwei ganz schmale Fenster gab, konnte das Sonnenlicht den Malereien jahrhundertelang kaum schaden, dafür war es allerdings auch arg dunkel in dem Kirchlein. Don Curry zwängte sich in den Vorraum zurück und fand, was er suchte - einen Lichtschalter. An einer Art Galgen hatte man ziemlich genau in der Mitte der Kirche eine einzelne Glühlampe angebracht, die völlig ausreichte, den kleinen Raum komplett zu erhellen. Don Curry schwelgte in dieser Bilderpracht aus dem Mittelalter mit ihren volkstümlichen und teilweise überraschenden Interpretationen biblischer Geschichten. Dieser Abstecher hatte sich wahrlich gelohnt!

Zurück in Mestia wollte er unbedingt noch den dortigen Ableger des Georgischen Nationalmuseums besuchen, der sich verständlicherweise ganz der Geschichte und der Kunst Swanetiens widmet. Neben archäologischen Funden, einer Münzsammlung und einer kleinen Abteilung swanetischer Volkskunst stehen Ikonen aus den Kirchen Oberswanetiens und uralte liturgische Bücher im Mittelpunkt der Ausstellung. Don Curry entdeckte dort ein voluminöses Lektionar aus dem 10 Jhdt., noch vor der Kirchenspaltung.

Voller neuer Eindrücke verließ er nun die Hauptstadt des Swanenlandes, um Richtung Ushguli aufzubrechen. Erst vor wenigen Jahren begann man, auch diese 46 km lange Verbindung zu asphaltieren; die ersten 40 km sind inzwischen vollendet. Ungefähr auf der Hälfte des Weges liegt das Dorf Iphari; auch dort hatte sich eine bedeutende Kirche erhalten, die auf das 10. Jhdt. zurückgeht. Don Curry quälte Xerra auf steiler Piste hinauf bis zum Kirchplatz. Wie befürchtet, konnte Don Curry zwar bis in den Kirchhof vordringen, die Kirche war jedoch durch eine moderne Metalltür zugesperrt. Während der Anfahrt hatte Don Curry einen älteren Mann auf dem Kirchplatz sitzen sehen. Auf den ging er zu und machte per Gesten sein Anliegen deutlich: wer kann die Kirche aufschließen? Der Mann verstand sofort, zeigte in die Richtung, wo Don Curry geholfen werden könne, zeigte aber zugleich auf sein Handy und rief dort an. Nach zwei Versuchen nickte der Mann Don Curry zufrieden zu. 10 Minuten später kam eine Frau herbeigeeilt, die Don Curry scheinbar gar nicht wahrnahm, sondern gleich zur Kirche ging und sie aufschloss. Dabei betete sie ohne Unterlass, begrüßte jede Ikone mit einem Kuss und betete unaufhörlich weiter. Don Curry war ihr in die Kirche gefolgt und erstarrte zum zweiten Mal an diesem Tag vor Verwunderung und Ehrfurcht. Auch diese Kirche umfing ihn mit außergewöhnlich gut erhaltenen und ausgeführten Fresken. Besonders eindrucksvoll wurde z.B. das Rädern des Hl. Georg dargestellt. Don Curry bedankte sich bei der Schlüsselfrau und dem hilfsbereiten Mann und fuhr vorsichtig wieder hinab zur Straße Richtung Ushguli.

Nur einen Kilometer weiter traf er auf einen weiteren Besichtigungspunkt: den Tower of Love. Unter diesem umsatzfördernden Titel wird das Besteigen eines klassischen swanischen Wehrturms ermöglicht. Romantisch ist allein seine Lage direkt an einem Fluss, der Turm selbst enthält nichts außer Leitern und hölzernen Zwischenplattformen. Don Curry merkte sehr schnell, dass so ein Wehrturm nicht ganz die richtige Immobilie für ihn wäre. Ungefährt 6 km vor Ushguli endete die ausgebaute Strecke, der Rest erwies sich als besonders unangenehme Piste. Mehrere Pkw-Fahrer überlegten, ob sie tatsächlich durch einen tiefen Bach fahren sollten, der die Piste querte; für Xerra bestand an dieser Stelle kein Problem. Kurz danach machte ein georgisches Pärchen auf sich aufmerksam, dessen Auto liegengeblieben war. Sie fragten Don Curry, ob er sie bis Ushguli zurücknehmen könne. Also hatte Don Curry mal wieder Mitfahrer, wenn auch nur für sehr kurze Zeit.

Der schlimmste Teil der Fahrtroute begann allerdings erst in Ushguli. Don Curry hatte sich für seine Übernachtung eine Hütte gebucht. Schon von weitem erblickte er die vier Hütten auf einer Wiese abseits des Dorfes. Doch wie sollte er dort hinkommen? Auf einer immer schlechter werdenden Piste fuhr er in das Dorf mit seinen zahlreichen Wehrtürmen hinein. Plötzlich sah er einen Wegweiser "Ushguli Cabins". Der führte ihn kreuz und quer durch die engen steinigen Dorfgassen. Mehrmals stieg Don Curry aus, um zu Fuß zu erkunden, ob Xerra da wirklich durchpassen würde und notfalls auch wieder zurückfahren könnte. Schließlich landete er bei einem Gästehaus, das auch die Hütten vermiete. Er trat ein, riss die halbe Familie aus dem Schlaf, bekam dann aber den Hinweis, dass für ihn Hütte Nr. 2 bereitstünde. Xerra konnte er auf einem eingezäunten Parkplatz unterhalb der Hütten zurücklassen; ein mächtiger Bernhardiner schien der Herr des Parkplatzes zu sein und bewachte die dort abgestellten Fahrzeuge. Die Vermieterin fragte Don Curry noch, ob er ein Abendessen wünsche. Das bejahte der gerne.

Nach dem Aufstieg zur Hütte bewunderte Don Curry zunächst die fantastische Aussicht über die zahlreichen Wehrtürme Ushgulis zu allen Seiten. Er konnte von hier auch bereits die Lamaria-Kirche sehen, die auf einem anderen Hügel jenseits des Dorfes thront. Die Hütte mit zwei Betten, eigenem Bad und kleinem Balkon erfüllte völlig seine Ansprüche. Allerdings gab es ein temporäres Problem mit der Wasserversorgung, so dass die Vermieter zwei 10-Liter-Kanister zum Waschen und zur Toilettenspülung bereitgestellt hatten.

Bald machte sich Don Curry auf den Weg, um Ushguli zu erkunden. Neben den zahlreichen Wehrtürmen ist ein Ethnografisches Museum ein wichtiger Anziehungspunkt. Als Don Curry eintrat, erklärte gerade ein junger Mann auf Englisch die einzelnen Einrichtungsgegenstände des einstigen Wohnraums (und zugleich Stalls), den seine Großeltern noch bewohnt hatten. So bekam Don Curry einen wunderbar lebendigen Eindruck von der swanischen Alltagskultur. Eigentlich gehört zu jedem Wohnhaus ein Wehrturm, doch der hiesige Turm sei vor Jahrzehnten verfallen und abgetragen worden. Don Curry bedankte sich für die spannende Führung und stieg vom Dorf hinauf zur Lamaria-Kirche. Von hier bot sich zugleich ein atemberaubender Blick auf die umgebende Bergwelt und einen Gletscher, wobei immer mehr Wolken die Sicht erheblich einschränkten. Auch die Lamaria-Kirche war zugänglich, so dass es Don Curry schaffte, an einem Tag vier swanische Kirchen von innen zu sehen.

Auf dem Rückweg ins Dorf kam ein Hund direkt auf ihn zu. Allerdings zeigte der keinerlei Aggression, er suchte wohl nur eine Form von Beschäftigung. Doch dazu hatte Don Curry keine Lust. Hundert Meter weiter sah er auf seinem Weg eine Stute und ihr Fohlen. Vorsichtig näherte er sich dem kleinen Pferd, um es nicht allzu sehr zu verschrecken. Der Hund, der ihm folgte, fand das Fohlen wohl auch sehr interessant und lief direkt auf es zu, beschnupperte es von allen Seiten und begann es dann anzubellen. Aus Sicht des Hundes sollte das wohl eine Aufforderung zum Spiel sein. Das Pferdchen, ein kleiner Hengst, ließ sich aber nicht aus der Ruhe bringen. Als es dann direkt auf den Hund zustapfte, bekam der es plötzlich mit der Angst und zog sich jaulend zurück. Ganz schön tapfer, dachte Don Curry, und näherte sich dem Tier bis auf zwei Meter. Doch auch vor ihm zeigte das Fohlen keinerlei Respekt. Es trat nun direkt auf ihn zu und wollte wohl mal probieren, ob Don Currys strohgelbe Hose auch nach Stroh schmeckte. Als Don Curry das Maul des Tieres etwas zur Seite schob, nahm es sein grünkariertes Hemd ins Visier. Könnte auch lecker sein! Genüsslich schnappte es danach. Don Curry hatte wirklich Mühe, sich des kleinen kontaktfreudigen Pferdes zu erwehren, dass da an ihm herumknabbern wollte. Doch schließlich sah der kleine Hengst ein, dass Don Curry nicht Bestandteil seiner Nahrung ist und trottete wieder zu seiner Mutter. Im Dorf entdeckte Don Curry ein sehr rustikales Geschäft mit insgesamt drei Produkten; eines interessierte ihn überhaupt nicht - geschnitzte Wehrtürme. Aber die beiden anderen wollte er käuflich erwerben: das berühmte swanische Gewürzsalz, das die alte Verkäuferin, die konsequent russisch mit ihm sprach, vermutlich selbst zusammengemischt hatte und den hausgemachten Chacha, von dem sich Don Curry 0,5 l in einer kleinen Wasserflasche abfüllen ließ, zusammen 15 Lari (= 5 €).

Inzwischen setzte Regen ein, und Don Curry kehrte zu seiner kleinen Hütte mitten in spektakulärer Umgebung zurück. Gegen 19:00 Uhr begab er sich zum Gästehaus, wo man bereits den Tisch für ihn gedeckt hatte. Erfreulicherweise gab es nur vegetarische Gerichte, davon aber reichlich: eine Gemüsesuppe, mehrere Mais-Käse-Fladen, gebratene Kartoffelstifte, ein Champignon-Paprika-Salat, Tomaten und Gurken mit höllisch scharfen Chilis, Sulguni-Käse, eine Zubereitung aus gekochtem Sulguni mit Milch und natürlich Brot. Echte Hausfrauenkost und darum besonders lecker. Zwischendurch kam der fünfjährige Sohn der Vermieterin in den Speiseraum, stutzte, strahlte Don Curry an, nahm sich einen Mais-Käse-Fladen und verschwand wieder. Die große Schwester, die Don Curry bedient hatte, wollte sich entschuldigen, doch Don Curry lachte nur.

Mehr als gesättigt kehrte er zur Hütte zurück. Einen Mais-Käse-Fladen hatte er sich auch selbst eingesteckt, um ihn später gemütlich zu einer Flasche Bier zu verspeisen. Außerdem probierte er noch den frisch gekauften Chacha, der zwar etwas süßlich schmeckte, aber zugleich einen sehr hohen Alkoholhehalt erkennen ließ. Der Regen verstärkte sich, so dass es auf dem Balkon allmählich zu feucht und zu kühl wurde. Ushguli liegt in 2200 m Höhe, nochmal deutlich höher als Alt-Omalo in Tuschetien. Kaum hatte Don Curry den Balkon verlassen hörte er tappende Geräusche vor seiner Tür. Ein Blick aus dem Fenster verriet, dass ein großer weißer Hund direkt davor Platz genommen hatte. Mehrmals hörte Don Curry noch, wie sich der Hund bewegte, dann kam lautes Hundeschnarchen von jenseits der Tür.

Eigentlich ein angenehmes Geräusch, um selbst einzuschlafen, dachte Don Curry. Doch allzu schnell gesellten sich andere Geräusche hinzu: zunächst prasselnder Regeln, dann das ferne Grollen eines Gewitters. Das ständige Rauschen des Regens sollte ihn die ganze Nacht über begleiten. Kein gutes Zeichen für den morgigen Tag...

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