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In der Heimat der Banater Schwaben

Veröffentlicht: 03.06.2023

ICT-Radtag 7: Jimbolia - Timisoara 60 km

Der Radtag ist schnell beschrieben: 15 km immer geradeaus nach Osten, dann rechts abgebogen und 15 km geradeaus nach Süden. Es ist eine riesige weite Ebene rechts und links der Strasse: die Kornkammer Rumäniens! Bevor wir die 30 km auf dem Damm des Begakanals bis Timisoara fahren, treffen wir erstmals einen anderen Fernradler. Er kommt aus Dresden und ist dort vor etwas mehr als zwei Wochen los. Bis Ende Oktober hat er Zeit und möchte dann in Georgien sein. Schon zwei Mal hatte er Bekanntschaft mit den berüchtigten rumänischen Straßenhunden, die ihm ziemlich Angst machten. Hoffen wir, dass wir weitgehend davon verschont bleiben. Wer unsere Route genau verfolgt, stellt fest, dass wir ein wenig abweichen. Timisoara ist so nah und aus mehreren Gründen einen Besuch wert - es ist die größte (300.000 Einwohner) und wichtigste Stadt der Region Banat mit einer wechselvollen Geschichte, auch heute noch Vielvölkerstadt, von der aus sich 1989 die Rumänische Revolution ausbreitete, mit  zahlreichen wunderschön hergerichteten Gebäuden aus der Barockzeit und im Jugendstil.Und Timisoara ist 2023 europäische Kulturhauptstadt - und hat einen Deutschen als Bürgermeister, gebürtiger Lörracher!Durch großzügige Parks entlang des Begakanals erreichen wir die Innenstadt und treffen als erstes auf die große Orthodoxe Kathedrale. Über einen breiten Fußgängerbereich kommen wir zum Opernplatz mit Nationaltheater und Oper sowie dem imposanten Jugendstilgebäude der Politehnica. Als nächstes folgt der Freiheitsplatz mit dem Alten Rathaus und der Statue des Heiligen Nepomuk, die an die Pestopfer erinnert. Der Urinii-Platz, oft auch wegen der römisch-katholischen Kirche, Domplatz genannt, ist der älteste historische Platz in Timisoara. Großzügig angelegt, von Barockpalästen und Kirchen umgeben, macht er auf uns großen Eindruck. Nach ausgiebiger Stadterkundung genießen wir direkt an der Bega unser Abendessen, wo uns auch das heftige abendliche Gewitter nicht stört. 

Freitag, 2. Juni: Ruhetag in Timisoara - auf den Spuren der Banater Schwaben

Am Morgen um kurz nach 10 Uhr sind wir auf dem Domplatz, wo sich schon einige hundert Banater Schwaben zur Eröffnung der Banater Tage eingefunden haben. Gleich vorne steht der Anhänger mit dem Nachbau der Ulmer Schachtel, die Erich Mayer aus Oggersheim zusammen mit seiner Frau hierher gefahren hat. Die beiden hatten wir vorgestern in Jimbolia (Hatzfeld) getroffen, und sie freuen sich sehr, dass wir ,wie versprochen, gekommen sind. Man kennt sich hier aus vergangenen Tagen und so manchem Heimattreffen. In den verschiedenen Reden hörten wir noch, dass für rund 10.000 Banater Schwaben das Leid nach der Rückkehr aus Russland kein Ende hatte. Sie wurden von der rumänischen Regierung in die Baragan-Steppe östlich von Bukarest umgesiedelt, um diese urbar zu machen. Dabei gab es viele Todesopfer, die Überlebenden durften 1956 in ihre Heimatdörfer zurückkehren. Erich Mayer erklärt in einer Ansprache die Geschichte der Ulmer Schachtel, mit der viele von Ulm aus im 18. Jahrhundert auf der Donau hinunter fuhren, in die neuen Siedlungsgebiete der Habsburger, die von den Osmanen zurückgelassen worden waren. Zu Fuß und mit einfachen Fuhrwerken erreichten sie anschliessend  ihre neue Heimat im Banat. Die Ulmer Schachtel war nur zur einfachen Fahrt gedacht, und so bleibt auch die mit dem Anhänger transportierte Schachtel hier in Temeswar, und zwar im Haus der Adam-Müller-Guttenbrunnstiftung. Auf dem Domplatz ist auch eine Ausstellung mit Fotos zum Alltagsleben der Banater Schwaben im 20. Jahrhundert zu sehen. Und im Museum gibt es eine kleine Ausstellung mit Bildern von Banater Malern. Am Nachmittag ist der Saal im Adam-Müller-Guttenbrunn-Haus brechend voll und wir sitzen als „Fremde“ unter den Banater. Es gibt einen Vortrag zum Leben und Wirken des bekanntesten Schriftstellers des Banat, Adam Müller Guttenbrunn. Danach spielt eine Theatergruppe Szenen aus dem bekanntesten Buch des Autors „Jakob und seine Kinder“ im Banater Dialekt. Dass wir uns das nicht entgehen ließen,  ist gut. Wir haben wieder viel interessante Einblicke in uns bisher unbekannte  historische Ereignisse bekommen. Wir kennen uns nun aus mit der Geschichte der Banater Schwaben. Schön, dass wir durch die zufällige Bekanntschaft mit dem Ehepaar Mayer einen solchen vertieften Einblick gewinnen konnten. Auf dem Rückweg kommen wir noch am deutschen Gymnasium vorbei, das auch die Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller besucht hat. Sie hat die Zwangsvertreibung der Banater Schwaben in ihrem Roman Atemschaukel eindrücklich verarbeitet (—> Leseempfehlung). 
Antworten (1)

Larissa
Wo die Schwaben doch überall sind- schön, dass ihr euch die Zeit genommen habt, um dieses einzigartige Ereignis zu bekommen . Das Buch steht auch noch auf meiner Liste..