Veröffentlicht: 09.08.2023
Die Ukraine war wohl noch nie ein wirkliches Reiseland und im Moment ist sie es schon gar nicht. Dabei war ich als Jugendlicher schon mal hier in der Nähe, in Wolodymyr-Wolynskyj. Die erzgebirgische Diakonie gemeinsam mit anderen lokalen Akteuren unterstützte damals ein Waisenhaus, das Krankenhaus und die Feuerwehr im Ort. Als Dankeschön konnte eine Schulklasse pro Jahr für zwei Wochen in die Ukraine fahren.
Durch diese Erfahrungen erlebte ich den 24.02.2022 als die russische Armee in weite Teile der Ukraine einmarschierte vermutlich anders als viele Mittel- und Westeuropäer. Nicht nur herrschte plötzlich in Europa Krieg, ich kannte die Landschaften aus den Fernsehbildern, die Herzlichkeit der Menschen und die große Gastfreundschaft, mit der sie Fremde empfingen. Daher dauerte es nicht lange, bis wir das erste Mal an der polnisch-ukrainischen Grenze mit Hilfsgütern ankamen. Bald darauf, der erste Einreisestempel in meinem Pass ist vom 18.03.2022, waren wir dann auch in Lwiw – mit zwei Transportern vollgepackt mit medizinischen Hilfsmitteln, Arzneien anderen Dingen, die dringend benötigt wurden.
Damals eine Stadt im Ausnahmezustand: gefüllt mit Geflüchteten aus dem Osten, Verkehrsdrehkreuz in den Westen und doch hat man ihr angemerkt, dass sie ein kulturelles Zentrum ist. So wie die Ukrainerinnen ihren Stolz auch auf der Flucht oft nur mit wenigen Habseligkeiten bewahrt haben, hat auch diese Stadt ihren Stolz und ihr Wesen bewahrt. Damals waren wir uns einig, dass wir gern in Ruhe nochmal hierherkommen, dann mit der nötigen Zeit, die Stadt kennen zu lernen.
Jetzt sollte es soweit sein, auch wenn wir auch dieses Mal wieder Spendengelder im Gepäck haben, um vor Ort in einer Langzeitunterkunft für Geflüchtete aus dem Osten Sanitäranlagen behindertengerecht umzubauen.
Die Anreise verlief gewohnt ukrainisch-pragmatisch. Mit dem Zug von Košice (Slowakei) über die Grenze nach Mukatschewo, in dem wir ordentlich durchgerüttelt wurden. Danach haben wir gerade noch den Anschluss nach Lwiw erreicht, allerdings ohne Zeit, ein Ticket zu kaufen oder Geld zu tauschen. Die Zugbegleiterin bat uns in perfektem Englisch, uns einfach irgendwo hinzusetzen, man finde dann schon eine Lösung. Nach und nach wurde der Zug dann auch richtig voll und in der Ukraine werden Fahrkarten nur mit Sitzplätzen zusammen verkauft. Die Zugbegleiterin wollte uns jedoch keinesfalls auf dem Boden sitzen lassen, trotz unserer Beteuerungen, dass es sich auf unseren Rucksäcken gemütlich sitzen lässt (in der Tat auch gemütlicher als auf den richtigen Sitzplätzen) und fand für uns immer wieder freie Plätze. Kurz vor Lwiw durften wir dann doch noch unsere Fahrscheine bezahlen, da wir noch keine Hrwinja besaßen wechselte ein 10 Euro-Schein den Besitzer und alle waren glücklich – wir waren eher in Lwiw als geplant und für die Zugbegleiterin hat sich ihre Freundlichkeit auch gelohnt (ihrem Arbeitgeber erzählen wir davon natürlich nichts).
Die Stadt selbst besticht durch österreich-ungarische Architektur im alten Stadtkern, vielen Museen und noch viel mehr Kirchen und Klöster von römisch-katholisch über griechisch-orthodox bis ukrainisch-orthodox. Überall gibt es Parks, die zum Verweilen einladen. Wenn nicht gleichzeitig an vielen öffentlichen Gebäuden die Kellerfenster mit Sandsäcken gesichert, Kirchenfenster mit Brettern und Metallplatten oder Skulpturen mit Eisenkäfigen gegen herumfliegende Trümmer gesichert wären, könnte man vergessen, dass in diesem Land Krieg herrscht. Trotzdem haben wir uns einen Tag Zeit genommen, um die schönen Seiten Lwiws zu entdecken und in die Seele der Stadt einzutauchen.
Was wir hier sonst noch gemacht haben, dazu mehr im nächsten Beitrag.
Robert