daysindownunder
daysindownunder
vakantio.de/daysindownunder

Von anderen Welten

Veröffentlicht: 24.06.2017

 Dass das Reisen ein paar richtig heimtückische Macken hat, davon kann ich mittlerweile ja ein 10 strophiges Liedchen singen. Neben dem unschönen Nebeneffekt, dass 95% der Backpacker 5 kg schwerer Heim kommen (was den Geldbeutel schont macht sich eben an anderen Stellen bemerkbar) wäre da noch die Tatsache, dass so gesehen jeden Tag Freitag ist. Und wie Freitag Abende so verlaufen, enden sie meist im alkoholisierten Zustand und einem netten Schädel am nächsten Morgen. Was ein Glück, dass erstens der Alkohol unbezahlbar und die Tage oft anstrengend waren, sodass wir oft um 9 ins Bett fielen.
Angekommen in Exmouth sollte sich das Blatt wenden als wir den Bottleshop mit 8 Liter Wein (Goon macht's möglich) und einer Flasche Gin verließen.
Bei Sonnenuntergang am Lighthouse sitzend stießen wir also zusammen an und hakten zu 4 die ersten 2 Liter ab. Ein paar Trinkspiele später marschierten wir mit unseren neu gewonnenen Bekanntschaften an den Strand, bewaffnet mit dem zweiten Weinkarton und einer Tupperbox Nudeln. Zusammen mit 16 anderen Idioten spielten wir Flunky Ball und noch mehr Trinkspiele am Strand. Ich weiß nicht mehr wer auf diese Regel kam, doch jedes mal wenn die Taschenlampe den Geist auf gab (und es war eine sehr billige Lampe) galt es jemanden abzuschmusen oder seinen Becher Goon zu Exen (und nein das wollt ihr nicht!). Alexa und ich bekamen die volle Ladung ab mit dem Kommentar “Stop resisting!“. Hallo hier, sexueller Überfall!
Um 2 Uhr morgens hatten wir dann den grandiosen Einfall, Baden zu gehen. Dass wir uns im betrunkenen Zustand noch für den Pool anstatt des Meeres inklusive Haien entschieden, zeigt wieder einmal unsere grenzenlose Vernunft. Wenig später kletterten wir dann in Begleitung des “Stop resisting“ Menschen über den Zaun und sprangen in den Pool.


Dass wir unsere Pläne, am nächsten Morgen schnorcheln zu gehen cancellen mussten, ist hoffentlich nicht schwer zu glauben. Um ehrlich zu sein, ich hatte den Kater meines Lebens und verbrachte den kompletten Tag vor mich hin sterbend im Schatten.
Nach über 10 Stunden Schlaf und tagelanger Vorfreude kam mit einem Tag Verspätung dann endlich unser großer Schnorcheltag. Ausgestattet mit Wetsuits aufgrund der Quallensaison fuhren wir die Küste der Landzunge ab und klapperten einen Bruchteil der vielen unfassbar schönen Bays ab. Den Anfang und ungeschlagenes Highlight machte die Turquoise Bay, welche Berühmt ist für “The Drift“, eine Strömung, die parallel zum Strand und über das Riff verläuft.
Wie stark die Strömung tatsächlich ist, bemerkten wir erst als wir nicht mehr stehen konnten und wir anfangs auf der Stelle schwammen, als wir versuchten zum Riff hinaus zu schwimmen. Nina wurde das ganze zu ungeheuer und ich kämpfte mich alleine nach draußen. Einmal durch die Quallen hindurch, war der Lohn für die Anstrengung unbeschreiblich. Einmal weit genug draußen, ließ ich mich von der Strömung mitnehmen und so schwebte ich über die vielen Korallen, von denen einige türkis waren, sowie die unzähligen Tiere hinweg. Von koboltblauen Minifischen über welche, die mit Sicherheit einen Meter Länge vorwiesen, sah ich Fische, die ich zuvor nicht einmal in einem Aquarium habe schwimmen sehen. Dazu diese Schwerelosigkeit und die Ruhe unter Wasser - ich habe mich verliebt!
Einmal am Strand angekommen, starteten wir zu dritt einen zweiten Schnorchelgang, bei dem wir 45 Minuten unterwegs waren. Zugegeben war ich am Ende froh, wieder sicheren Boden unter den Füßen zu haben, da das Anschwimmen gegen die Strömung am Ende ein echter Kraftakt war. Weitere Buchten folgten, doch keine konnte es mit der Turquoise Bay aufnehmen.


Nachdem ich am selben Abend hundemüde ins Bett gefallen war, ging es am nächsten Morgen nach Coral Bay, wo wir für den nächsten Tag eine Tour gebucht hatten.
Das ganze Städtchen kam mir vor wie ein großer Campingplatz, versetzt mit ein paar Läden voller Tauchequipment und Postkarten. Der Strand war, was soll ich sagen, wieder einmal sagenhaft.
Die Bilder auf den besagten Postkarten waren kein bisschen übertrieben und hinter dem seichten hellblauen Wasser am Strand wartete wieder einmal ein Paradies zum Schnorcheln. Nachdem dann noch Snapper (man stelle sich übergewichtige Forellen vor) gefüttert worden und zwischen meinen Beinen hindurch schwammen, genossen wir den Sonnenuntergang am Meer und entdeckten am Abend ein neues Kartenspiel für uns, Skip Bo.
Der nächste Tag sollte einer der wahrscheinlich schönsten meines Lebens werden und wenn man das von einem Tag sagen kann, dann soll das etwas heißen.
Das Abenteuer begann um 8 Uhr morgens, als wir in einem der Diving Shops unsere Wetsuits und Flossen für die bevorstehende Tour übergehändigt bekamen. Am Hafen angekommen fuhren wir eine knappe halbe Stunde aufs Meer hinaus bis nach Blue Maze, einem berühmten Riff am Ningaloo Reef. Nachdem die etwa 15 Taucher ins Wasser gehopst waren, sprangen wir Schnorchler hinterher. Begleitet von einem Crewmitglied schwammen wir über die Korallen mit ihren unzähligen Fischen, in allen Formen und Farben hinweg. Nach wenigen Minuten tauchte plötzlich eine Meeresschildkröte auf und schwamm gemächlich und ungestörten unter uns dahin (Hey Dude). Ich weiß nicht wie, aber vor lauter Freude rann mir plötzlich das Wasser in meine Brille und ich war erst einmal damit beschäftigt, nicht abzusaufen und zu beten, die Schildkröte würde sich in der Zeit nicht Vom Acker machen. Sie hatte an diesem Tag scheinbar gar keinen Zeitdruck und schwebte wie in Zeitlupe durch das Wasser. Unser Turtle Lauf nahm kein Ende, ganz im Gegenteil. Noch 3 weitere begleiteten uns ein Stück auf unserem Weg und als ich direkt über einem dieser wunderbar relaxten Tiere schwamm, tauchte diese weiter und weiter auf, bis sie am Ende einen Meter von mir entfernt einen Atemzug an der Wasseroberfläche nahm und sich in einem geschwungenem Move wieder in die Tiefen absinken ließ.
Für mich stand fest, egal was heute noch kommen mag, dieser Moment war magisch. Eine Armlänge entfernt zu sein von einem der begehrtesten Lebewesen unter Tauchern in völlig freier Wildbahn war und ist für mich unbezahlbar und ein Moment, den mir niemand mehr nehmen kann. Selbst jetzt nach der gesamten Tour laufen diese Sekunden immer wieder vor meinem inneren Auge ab. Diese unendliche Ruhe des Meeres zusammen mit dieser Schildkröte und gleichzeitig dieses Feuerwerk an Glücksgefühlen, das dich innerlich zum explodieren bringt- unglaublich. Ja ich denke unglaublich ist das richtige Wort. Das war nur mein Moment und er sitzt in einer Schatztruhe in meinen Erinnerungen. Unglaublich.
4 Schildkröten gesehen und dabei waren diese nicht einmal der Grund für unsere Tour, nein, es war pures Glück.


Der eigentliche Grund war schwarz, bis zu 4 Meter breit und (Gott sei Dank) Plankton fressend: Manta Rochen.
Nach einer Verschnaufpause schickte unser Boot das Flugzeug los, welches für uns das Meer nach Rochen absuchte. Für den nächsten Schnorchelgang wurden wir um der Rochen Willen in 2 Gruppen aufgeteilt und abwechselnd im Meer ausgesetzt und wieder eingesammelt. Nachdem wir eine Weile auf die Nachricht eines gesichteten Rochen warteten, düste das Boot plötzlich los und wir bekamen die Anweisung, uns startklar an die Treppen am Ende des Bootes zu positionieren.
Das Boot hielt an und nachdem sich die Crewmitglieder mit ähnlich aufgeregten Blicken verständigten, sprang unser Guide als erste ins Wasser und nachdem sie den Arm in die Höhe riss, sprangen wir so schnell wie es die Flossen an den Füßen erlaubten ins Wasser und paddelten im Eiltempo hinterher. Unser erster Rochen verabschiedete sich nach ein paar Sekunden leider auch schon wieder und nachdem wir ihm gefühlte 500m (wahrscheinlich waren es nur 100) hinterher schwammen, stellten wir fest: Mantas verfolgen ist scheiße anstrengend! 
Wir wurden also wieder abgeholt und machten uns auf den Weg zu dem nächsten Riesen. Die restlichen unserer 5 Verfolgungsjagden waren dann wesentlich erfolgreicher.
Ich bleibe bei meiner Schildkrötenkollission als Höhepunkt des Tages, doch was soll ich machen? Wie oft schwebt man wenige Meter mit ausgestreckten Armen genau über einem Manta Rochen mit 3 Metern Spannweite? Als wäre ich nicht schon wieder innerlich am eskalieren gewesen, drehte dieses wunderschöne Wesen unter uns eine langgezogene Schraube und zeigte uns seine gefleckte weiße Unterseite.
Kein Mensch kann sich den Nervenkitzel vorstellen, auf der Stufe des Bootes hinzufiebern und auf Kommando ins Wasser zu stürzten, alles zu geben und dann als hätte jemand den Schalter auf Slow Motion gestellt über diesem gigantischen Riesen zu schweben und sich von dem Moment überwältigen zu lassen. Das schafft nur Natur.
Als wir wieder auf das Boot kletterten waren wir fix und foxy, doch high vom Leben.
Auf dem Weg zur Ashos Gap entdeckten wir ein paar graue Flossen aus dem Wasser luken und konnten bald eine Bande Delfine entdecken. (Es kommt noch besser) Nachdem die Tümmler das Nachbarboot abgecheckt hatten, kamen sie auch uns einen Besuch abstatten und tauchten wie in der kitschigsten Corona Werbung direkt neben unserem Boot aus dem Wasser.
Halleluja! Was geht denn hier eigentlich ab?!
Nach dem Lunch auf dem Deck inmitten den unendlichen türkisen Weiten starteten wir einen letzten Schnorchelgang.
Obwohl die Manta Session offiziell beendet war, schwamm nach wenigen Sekunden unter Wasser ein Sting Ray, also die gefährlicheren, mit Stachel ausgerüsteten Kollegen, an uns vorbei. Rochen können bis zu 60km pro Stunde erreichen, doch auch diesen konnten wir kurze Zeit verfolgen.
Nach einigen Minuten, in denen wir 2 kleine Tintenfische und eine Gruppe von winzigen Fischen, die sich am Boden wie eine unheimliche Schwarze Figur fortbewegten gesehen hatten, entdeckten wir eine riesige blaue Muschel, die sich schloss, als unsere Anita sie zu berühren versuchte. Sie lag in der cleaning station, eine der wenigen zugänglichen für Menschen. Die so genannte Waschstraße für größere Meeresbewohner unter Leitung der fleißigen kleineren Kollegen wird immer wieder von Haien und Schildkröten aufgesucht, um sich die Flossen oder eben den Panzer polieren zu lassen, ganz nach dem Motto “Fische sind Freunde, kein Futter“'.
Dementsprechend gespannt schwammen wir zu dem berühmten Spot und nicht einmal richtig angekommen, zogen schon die ersten Grey Reef Sharks, welche bis zu gut 2 Metern lang werden, unter uns ihre Bahnen.
Im
ersten Moment schoss einem bei dem Gedanken mit Haien zu schwimmen das Adrenalin ein, doch auch diese majestätischen Tiere schwammen ruhig weiter und lange Zeit ließen wir uns über ihnen treiben und beobachteten das Naturschauspiel. Wir sind tatsächlich mit Haien geschwommen, glaubt mir das überhaupt irgendjemand?
Wieder auf dem Boot angekommen saß ich wenig später mit Kaffee auf dem Deck und versuchte irgendwie die Erlebnisse zu ordnen und mir derer bewusst zu werden, doch es ging nicht. Es ging einfach nicht. Mein Kopf war eine holi party.
Nach diesem unfassbaren Trip spazierten wir in die Dusche unseres Campingplatzes von letzter Nacht und frisch geduscht hörten wir uns dann eine Standpauke vom Manager höchstpersönlich an, bevor wir lachend abzogen.


Am
nächsten Morgen galt es für mich meine Travelmates von Blowholes zu überzeugen, nachdem ich sie in Tasmanien ein bisschen enttäuscht hatte. Dieses mal hatte ich allerdings den Blowhole Gott auf meiner Seite und die Wucht der sich brechenden Wellen brachte uns alle zum staunen.
Daraufhin stand endlich wieder ein bezahlbarer Supermarkt mit mehr als 3 Regalen auf dem Plan und ich sag's euch, es war so schön! Zwar wussten wir im Vorherein, dass die Westküste wenig erschlossen und geprägt von ihrer großartigen Natur ist, doch dass die Verhältnisse in Western Australia so sehr derer im Outback ähneln, daran haben wir nie gedacht. Vom nicht vorhandenen Handyempfang über die Preise bis hin zu den den endlosen Straßen und dem Klima - wäre da nicht ab und zu das Meer zu sehen gewesen, hätten wir genauso gut wieder auf dem Weg ins Outback sein können. In dem Städtchen Carnavon liefen wir noch einmal den 1 Mile Jetty ab, bevor wir den restlichen Tag on the road verbrachten. Nein, das Autofahren nimmt kein Ende und ehrlich gesagt ist mir in diesem Moment wieder einmal totlangweilig, mein Hintern tut weh und ich kenne jedes einzelne Lied unserer aller Playlisten in und auswendig.
Manchmal ist es mittlerweile tatsächlich anstrengend, sich wieder und wieder für Stunden in das Auto zu quetschen.
Doch dann kommt eines dieser geilen Lieder, meine Gedanken schweifen durch die letzten Tage und vermischen sich mit der Vorstellung, in 7 Wochen meine Familie und Freunde wieder zu sehen.
Keine Frage, das Reisen ist auch oft anstrengend. Sein ganzes Leben mit 2 anderen menschen in einem kleinen Campervan teilen, nie irgendwo 'ankommen' und den Willen manchmal abschminken gehört genauso dazu wie die unfassbaren Erlebnisse, mit denen ich euch tagtäglich ärgern darf.
Doch da ist dieses Gefühl, das mich jeden Morgen glücklich aufwachen und glücklich zu Bett gehen lässt. Glückseligkeit. Das Reisen, das Fotografieren, dieses einfache Leben, es erfüllt mich einfach. Wie viele Menschen können von sich behaupten, sie sind von Herzen glücklich? Könnte ich das Reisen um ein Jahr verlängern, würde ich es machen. Könnte ich morgen meine Familie wiedersehen, wäre es nicht weniger schön. Es kann kommen was will, wer einmal gesehen hat, wie schön das Leben sein kann, den kriegt so schnell niemand klein. Und ja, ich bin einer dieser Glückspilze.  

Antworten

Australien
Reiseberichte Australien
#australien#workandtravel#wa#westernaustralia#schnorcheln#coralbay#hai#schildkröte#backpacking#campen#campervan#strand#leuchtturm#exmouth#sharks#turtles