Veröffentlicht: 06.10.2020
Die Trockenheit auf der Farm nahm zu, genauso wie die Temperaturen. Wir genossen zwar das ein oder andere abendliche Lagerfeuer, seit wir im Nationalpark gewesen waren, eher aber aus Liebe zur Entspannung als aus Wärmegründen. Am Wochenende nach unserem Großausflug besuchten wir Tilly, eine Deutsche die vor 7 Jahren zum 1. Mal mit einem WHV nach Australien gekommen war, dort Phillip kennengelernt hatte und seit 5 Jahren regelmäßig in Australien war, bisher mit einer Aufenthaltsgenehmigung. Phillips Familie wohnte auf Blair Athol, einer Farm ungefähr 1 h Fahrt entfernt von Stockport. Wir fuhren am Samstag raus und aßen Barbecue mit der Familie und ihrem Pferdetrainer von der Nachbarfarm. Wir fühlten uns sehr wohl in der Runde und lachten herzhaft über einige der wilden Geschichten die Bill und Kalinda, Phillip's Eltern, über die Belegschaft auf Stockport erzählten, anscheinend hatte sich dort in den letzten 50 Jahren nicht viel verändert. Ich verstand mich blendend mit Tilly, es war schade, dass die beiden nur noch 4 Tage in der Gegend waren, weil sie dann wieder nach Townsville mussten, wo sie studierten und arbeiteten. Auf Stockport war alles beim Alten, außer dass Mrs Beauchamp nicht da war, sie war immer noch in Brisbane im Krankenhaus für diverse Checks. Dafür war Joanne nun da, Sams ältere Schwester und unsere 1. Kontaktperson für unsere Bewerbung. Eine ihrer Töchter kam für einige Tage mit ihrem 2 Jahre alten Sohn und der Babysitterin aus dem Northern Territory zu Besuch, es war ungewohnt und eine willkommene Abwechslung, mal mit anderen Menschen zu reden. Sam war wesentlich entspannter, nun wo ihn niemand aller 20 min fragte, wo er sei. Ich kann nicht behaupten, dass ich ihre schrillen Rufe vermisste. Umso mehr vermissten wir Jen und Jeff, mit denen wir telefonisch in Kontakt blieben. 4 Tage nach unserer Rückkehr war ich endlich mit dem Abschaben der Farbe von Kevins Haus fertig und konnte mit dem Malern beginnen. Inzwischen fuhr ich den Gabelstapler wesentlich souveräner und brauchte selbst für kompliziertere Manöver keine Hilfe mehr. Das war auch gut, denn Matze und die Männer waren die meiste Zeit des Tages irgendwo auf dem Grundstück unterwegs. Der Besuch und auch Joanne waren abgereist, damit waren meine Koch- und Essensvorbereitungsaufgaben wieder etwas flexibler und ich konnte mich mehr auf das Haus konzentrieren. Mein Geburstag war ein Wochentag und damit ein Arbeitstag wie jeder andere, nur war Mrs Beauchamp da schon wieder aus Brisbane zurück. Margaux war kurz hereingeschneit und war dann zu ihrem Grundstück in Winton weitergezogen, ein Hausbau stand an. Nach einer kleinen Musterung der Rinder mussten die zum Teil markierten und enthornten Kälber und ihre Mütter wieder auf eine der Koppeln zurück, da die Strecke weit war, sollte ich eins der Autos fahren. Auf dessen Ladefläche war ein Käfig, in dem wir im Notfall einige der Kälber einladen konnten. Der Fall trat gleich nach einigen Minuten ein, ein Kalb, dass erst letzte Nacht in der Yard zur Welt gekommen war, blieb verwirrt und erschöpft stehen. Kevin hob es vorsichtig hoch und schob es in den Käfig, wir fuhren fast 3h mit einem durchschnittlichen Tempo von 4-6km/h, bemüht die Truppe so direkt wie möglich und ohne Aufspaltungen and Ziel zu bringen. Obwohl einige der Kälber vor allem auf den letzten 2km sehr erschöpft wirkten, hielten sie durch. Mein kleiner Mitfahrer lag recht ruhig und schlief die meiste Zeit. Am Ziel angekommen fuhr ich vor Matze und Kevin zur Wasserstelle und legte das Kalb in den Schatten eines Baumes. Ich musste es zur Öffnung des Käfigs ziehen, das es keine Anstalten machte, sich von selbst zu bewegen. Es sah mich etwas verunsichert mit seinen milchig blauen Augen an, bevor es sich ohne Getrampel von mir hochheben und nach unten legen ließ. Der Blick hatte mich berührt, aufgewühlt. In den nächsten Tagen dachte ich viel nach, las, schaute Videos. Ich wusste, was ich wollte, bzw ich wusste, was ich nicht mehr wollte: ich wollte kein Leid mehr verursachen, ich wollte nicht, dass frisches und unschuldiges Leben wie das des Kälbchens ausgelöscht wurde, nur um mich möglichst billig und effizient mit Milch beliefern zu können. Ich hatte die Nase voll davon, von Leuten zu hören, wie sehr sie ihren Hund lie liebten und wie schlimm sie es fanden, was mit Hunden in China gemacht wurde, während sie keinen Gedanken an die Behandlung von Nutztieren in ihrem eigenen Land vergeudeten. Ich war realistisch genug, auf der Farm zunächst vegetarisch zu leben, es gab keine nährstoffreichen Alternativprodukte wie Tofu, pflanzliche Aufstriche oder Nüsse, ganz zu schweigen von Pflanzenmilch. Die Wochenenden verliefen nun recht ruhig, abgesehen von einem Pubbesuch genossen wir unsere Freizeit und kühlten uns in einem Abschnitt des Flussbettes ab, wo es noch Wasser gab. 1 Woche nach meinem Geburtstag stand wieder Muster an, ich arbeitete jedoch am Haus. Plötzlich sah ich Kevin mit seinen Motorrad und einem schwarzen Bündel im Arm. Mein 1. Gedanke war, dass er einen Welpen als Begleitung für Charlie brachte, allerdings kam er aus dem Busch. Bei näherer Inspektion sah ich, dass es ein schwarzes Ferkel war. Es schniefte und wirkte etwas apathisch. Kevin hatte es nicht weit vom Haus in einem Busch gefunden, allein und orientierungslos. Er schloss es erstmal auf seiner Veranda ein und machte sich wieder an die Arbeit. Mittags ging ich rein um nach dem Ferkel zu sehen, Matze bastelte aus einem Gummihandschuhfinger und einer Colaflasche eine Schweinezitze und wir versuchten unser Glück mit Mangosaft. Kuhmilch ist wohl nicht so geeignet, aber vermutlich konnten ein paar Kalorien nicht schaden, die Kleine war ziemlich dürr. Sie nuckelte begeistert und aß ab Tag 2 auch Kartoffelbrei und matschige Haferflocken. Ich war hin und weg von ihr, sie war zwar wild und manchmal versuchte sie, zu beißen, aber sie merkte wohl, dass ich ihr helfen wollte und entspannte sich nach kurzer Zeit. Ihr Schnupfen machte mir Sorgen, ich war mir unsicher, ob es wirklich eine Erkältung war oder ob ihr vielleicht etwas in der Nase steckte. Ich versuchte, sie Eucalyptusöl unter einem Handttuch inhalieren zu lassen (klappt ja bei Menschen so gut) und machte ihr einen Gesundheitssaft aus Honig und Zwiebeln. Auf Honig war sie besonder scharf, die kleine Naschkatze. Neben dem letzten Malerarbeiten am Haus hatte ich nun also noch ein Baby zu versorgen, das ich nach einigen Diskussion auf den Namen Rosie getauft hatte. Ich fütterte sie 3 mal am Tag, Wasser trank sie sehr früh schon aus einer Schale. Sam und Mrs Beauchamp interessierten sich nicht besonders für Rosie, Kevin war froh, dass ich Initiative ergriffen hatte und hatte kein Problem damit, dass wir ständig auf seine Veranda kamen. Matze hatte aus einem Pappkarton und Stroh eine Höhle gebaut, die sie sofort angenommen hatte. Nach etwa 4 Tagen hatte ich die Idee, sie zu baden, ihre Augen waren ziemlich verkrustet vom Tränen, ihr Gesicht voller Essensreste. Rosie fand die Idee gar nicht so toll, sie quietschte empört und versuchte aus der Plastikwanne au springen. Schließlich setzte ich sie raus und goss das Wasser aus, die daraus resultierende Matschlandschaft sorgte eindeutig für Begeisterung. Dann jedoch fing sie an, ihre Umgebung zu erkunden, wurde schneller und plötzlich galoppierte sie im Schweinsgalopp Richtung Beauchamphaus. Ich folgte, besorgt dass Bruce sie vielleicht roch und seine Jagdinstinkte mit ihm durchgingen. Rosie stürmte jedoch am Haus vorbei, unter mehreren Zäunen hindurch und mit beachtlichem Tempo. Matze kam zu Hilfe, an einer Senke mit dichtem Gras war sie stehen geblieben und schnüffelte herum. Ich hatte auf der ganzen Strecke weder Spuren noch Kot noch andere Anzeichen für Wildschweine gesehen. Aber Rosie schien diesen Punkt gezielt angesteuert zu haben, wirkte nun jedoch verwirrt. Schließlich rannte sie auf Matze zu und er hob sie hoch. Wir brachten sie zurück, sie kuschelte sich auf meinen Schoß und tat mir sehr leid. Ihre Chancen allein im Busch zu überleben, vor allem bei der momentanen Dürre und den Giftködern gegen "Schädlinge" wie Wildhunde und Schweine, gingen gegen 0. Aber sie bis an ihr Lebensende neben Charlie in den Hundekäfig zu sperren und ab und an mal allein in die Schafspaddock zu stellen, das kam mir auch nicht in die Tüte. Ich recherchierte und stieß schließlich auf eine Farm östlich von Mount Isa, die viele glückliche Farmtiere und auch 2 gerettete Schweine hatte. Mrs Beauchamp war eigentlich gar nicht so begeistert, dass unsere Tage auf Stockport gezählt waren, sie wollte uns gern noch länger da behalten. Aber die Entscheidung stand- ich hatte auch ehrlich gesagt genug von dem Gekoche und Geputze ganz nach ihrer Pfeife…. Am Abend vor unserem Aufbruch nach Mount Isa - wir wollten dort nochmal veganen bzw tierfreundlichen Proviant aufstocken - gab es dann endlich den lang ersehnten Regen, in Form eines recht heftigen Gewitters. Es regnete auch noch am nächsten Morgen, als wir den Großteil unserer Sachen schonmal in Kisten packten und Rosie reisefertig machten. Charlie und Buddy, ein sehr lieber und aufgeweckter Welpe, den Kevins Freundin Trina vor ein paar Tagen geholt hatte, sprangen um uns herum. Rosie war inzwischen auch etwas erkundungsfreudiger, wir hatten sie am Abend nach dem Regen mit einem selbstgebastelten Geschirr herumlaufen lassen. Natürlich schaffe sie es, die lange Leine in einer Holzpalette zu verheddern und sich aus dem Geschirr zu winden, sie ließ sich allerdings wieder einfangen. Margaux, die am Abend noch von ihrer Farm in Winton zurückgekehrt war, konnte ihr Herz auch für unsere Rosie erwärmen und wollte uns die Katzentransportbox geben, die noch iwo in einem der Schuppen herumstehen musste. Außerdem musste sie nochmal nach Boulia, sie hatte sich ein Auto ausgeliehen, weil ihres auf der Fahrt liegen geblieben war. Matze würde mit ihr fahren, das kostet uns leider nochmal fast 1h Zeit, aber Margaux war auf uns angewiesen. Ich hatte die Transportbox doch noch gefunden, nachdem Margaux einige Orte erfolglos gecheckt hatte. Ich sah sie auf mich zukommen, erzählte ihr freudig von meinem Fund und raffte gar nicht, was sie daraufhin sagte: "The pup is dead." Auch wenn ich wusste, dass pup eine Abkürzung für puppy (Welpe) ist, mein Hirn weigerte sich, das zu verarbeitet. "What?", stammelte ich hilflos, in der Hoffnung, mich verhört zu haben. Hilfesuchend guckte ich mich um, Charlie und Bruce sprangen um mich herum, kein Buddy. Es war wie in einem Albtraum. Margaux hatte ihn nicht gesehen, als sie ihr Auto zur Tanksäule fuhr, er musste direkt unter dem Reifen gelegen haben. Mir war schlecht, ich fing an zu zittern, wollte plötzlich nach Hause, in mein Bett, das eben Gehörte vergessen. Eine Welle von Schuldgefühl breitete sich in mir aus, ich hatte ihn für einige wenige Minuten nicht gesehen, ihn vergessen durch das Gepacke. Margaux sah wie ich mich quälte und sagte eindringlich, es sei allein ihre Schuld. Es drang nicht zu mir durch, während Matze und sie mit 2 Autos nach Boulia fuhren, konnte ich an nichts Anderes denken, fühlte mich tot, weinte. Als er wieder da war, sammelte ich mich einigermaßen, wir packten Rosie ein und starteten. Durch die Pfützen angelockt, hockten extrem viele Känguruhs auf der Straße, mir blieb jedes Mal fast das Herz stehen, wenn sie den Eindruck machten, uns ins Auto zu rennen. Noch mehr Tod hätte ich nicht ertragen. Rosie schlug sich wacker und war recht ruhig, auch wenn sie ihr Frühstück wieder auskotzte. In Mount Isa rannten wir in Windeseile durch den Supermarkt, draußen herrscht eine schwüle drückende Hitze. Nach etwa 3,5 weiteren Stunden Fahrt kamen wir auf dem Corella Creek Farmstay an. Es war bereits dunkel und die Besitzer Georgi und Erik hatten wohl nicht mehr mit uns gerechnet. Dennoch war Platz für uns und nachdem wir Rosie mitsamt Box in einem dunklen und ruhigen Platz untergebracht hatten, setzte ich mich zu Erik und den Tieren ans Lagerfeuer (die Kuh stand praktisch fast im Feuer). Die Ziegen zu streicheln war sehr beruhigend und ab und an sah ich im Feuerschein ein Känguruh herumspringen. Am nächsten Morgen wurde ich weit vor der Dämmerung von eindringlichem Hahngeschrei geweckt, aber es störte mich nichtmal allzu sehr. Ich hatte die Farm und all ihre Bewohner bereits ins Herz geschlossen. Als ich dann aufstand, war Erik gerade auf dem Weg zur morgendliche Fütterrunde. Es gab einen großen Radau, die vielen Hühner, Gänse und Enten rannten wild durcheinander, ebenso der Hund, der die Flattertiere gern ein wenig scheuchte, ihnen jedoch kein Haar krümmte. Als die Sonne da war, stellte ich Rosies Box nach draußen, sodass der Hund und die Ziegen sie durch das Gitter sehen und riechen konnten. Rosie wirkte etwas verunsichert, aber kein bisschen panisch. Zusammen mit ein paar anderen Gästen durften wir Kängurubabys mit der Flasche füttern, alles Tiere deren Mütter Unfallopfer waren und die allein keine Chance hätten. Wen es interessiert, hier ein Link zu einem kurzen Youtubebeitrag
https://m.youtube.com/watch?v=HdeQrux8PQo
Rosie wurde zunächst in einem Hundezwinger einquartiert, um Ansteckung anderer Tiere auszuschließen. Sie nahm die angebotenen Körner an und haute sich in eine Ecke, wo etwas Matsch war. Der Abschied von ihr fiel mir unendlich schwer, auch wenn ich wusste, dass ich alles getan hatte, damit es ihr in Zukunft gut gehen würde. Wir fuhren bis Cloncurry und schlugen unser Lager im Caravan Park auf, wo wir den kalten Pool genossen. Es war noch immer extrem schwül und das Einschlafen fiel mir schwer, aber nicht nur wegen den Temperaturen. Der nächste Tag brachte keine Abkühlung, zum Glück gab es auf dem Weg den Corella Dam, wo wir uns abkühlten und picknickten. In Mount Isa mussten wir noch einige Sachen besorgen, das Wetter war wechselhaft aber das war mir eigentlich recht. Melancholie und Regen vertragen sich ganz gut. Wir kamen mit gemischten Gefühlen auf Stockport an, vor allem vor dem Wiedersehen mit Kevin und Trina graute es mir. Es war total verständlich wenn sie wütend auf uns waren, weil wir nicht besser aufgepasst hatten uns auch vor ihrer Trauer hatte ich Angst, meine eigene war noch so wenig verdaut. Kevin jedoch war die Ruhe selbst, meinte, Trina würde einen neuen Hund holen, es gab noch mehr die ein gutes Zuhause suchten. Landleben härtet wirklich ganz anders ab als das in der Stadt… Das Packen am nächsten Morgen dauerte länger als mir lieb war, aber es musste ja alles wackelresistent verstaut werden, stand ins ja eine sehr wagemutige Strecke durch die Wüste bevor. Wir fuhren bis an einem freien Campingplatz an einem friedlichen Wasserloch, verstanden uns sehr gut mit den einzigen anderen 2 Campern und schliefen wieder etwas besser als die 2 Nächte zuvor.
Simpson Desert CrossingMorgens fuhren wir dann nach Birdsville, guckten uns den Ort an, tankten nochmal alles voll und besorgten unseren Desert Park pass, die Genehmigung für den Eintritt und Camping in der Simpson Desert. Die Simpson ist die drittgrößte Wüste Australiens und hat die weltweit längsten parallelen Sanddünen der Welt. Ca 1200 an der Zahl und über alle mussten wir rüber. Der Track ist zwischen dem ersten Dezember und 15. März jährlich wegen zu hoher Temperaturen und damit einhergehender Gefahr gesperrt und zählt als eine der härtesten Off road-Strecken Australiens. Beängstigend aber auch aufregend. Wir frühstücken am Rande der Stadt, füllten unser Wasser auf machten uns auf den Weg. Aus der Stadt heraus war alles sehr entspannt, die Straße war gut, eine Polizeistreife wachte über alle ankommenden Autos und unsere wunderschöne Sandflagge schaukelte im Wind. Nach etwa einer halben Stunde kamen wir dann an Big Red an. Diese 30-40 m hohe Sanddüne ist der Anfang der Wüste und gleichzeitig ihre hochste. Wir ließen eine Menge Druck aus unseren Reifen, um die Lauffläche zu vergrößern und damit mehr Traktion zu bekommen, unterhielten uns kurz mit ein paar anderen Leuten und dann ging es los. Schön langsam und entspannt, nicht voll Power wie in Fraser, der Sand war wesentlich härter, als dort. Unser Auto hatte keine Probleme, stampfte langsam und entspannt seinen Weg nach oben zu einem wunderschönen ersten Blick auf die Wüste dahinter. Lustig war dann die Abfahrt. Gute 50° vielleicht auch mehr Gefälle. Clara schrie nur NEIN, NEIN, NEIN. Aber das war der Weg, den wir zu nehmen hatten. Und ein echt cooles Gefühl so eine Düne herunterzufahren, wobei es mehr ein Rutschen ist, denn ein Fahren. Wir fuhren noch etwa 30 km an dem Tag und schlugen dann kurz vor der Grenze zum Munga-Thirri National Park unser erstes Nachtlager auf. Wir waren komplett alleine und die Nacht war Bitterkalt. Man erwartet kalte Nächte in der Wüste, aber die ca. 5 Grad waren dann doch überraschend. Morgens gabs einen lecker Kaffee und weiter ging die wilde Fahrt. Durchschnittstempo: 20 km/h. Schneller fahren geht nicht wirklich, da der Track stellenweise sehr zerfahren ist und gerade auf der Westseite der Dünen (da wo wir runter kamen) tiefe Löcher hat. Die Ebenen zwischen den Dünen bestehen hauptsächlich aus Lehm und Sand und gerade in dem Lehm halten sich Pfützen sehr lange. Diese gilt es zu umfahren, wenn man nicht stecken bleiben möchte. Wir kamen gut voran und schafften an diesem Tag 130 km, die uns bis Poeppel Corner brachten. Es waren auch einige andere Leute unterwegs, die das als Tagesziel nutzten oder aus anderen Richtungen kamen. Poeppel Corner ist der Grenzpunkt der 3 Bundesstaaten Queensland, South Australia und Northern Territory. Und das offizielle Ende der QAA Line (Die “Straße” von Birdsville) und der Beginn der French Line, eine alte, schnurgerade Zufahrtsstraße für eine Ölgesellschaft die hier irgendwann in den 50ern nach Öl gesucht hatte. Die French Line begrüßt einen gleich erstmal mit weicherem Sand, mehr Löchern und vor allem Salzseen. Salzseen sind gefährlich, denn sie mögen auf den ersten Blick trocken und hart aussehen, können aber trotzdem sehr feucht und weich sein. Wir hörten, dass am Tag vor uns erst eine Gruppe für volle 6 Stunden feststeckte, bevor jemand kam, der sie rausziehen konnte. Nachdem wir unser Camp aufgebaut hatten, liefen wir ein wenig des Salzsees bei Poeppel Corner ab und sahen uns die Situation genauer an. Die Ränder waren trocken und hart, aber in der Mitte wurde es immer weicher. Bis dann eine riesige Pfütze kam, in der wir sehen konnten, dass einige Leute stecken geblieben waren. Wir beschlossen einen anderen Weg weiter südlich zu nehmen, der stärker frequentiert war. Nach einer wieder eiskalten Nacht und einem lecker Kaffee machten wir uns dann auf den Weg, um den Salzsee zu meistern. Clara saß am Steuer, ich hatte mein Fenster offen und guckte mir die Umgebung an. Auf gings in den Salzsee. Wichtigste Regel: Bleib in der vorgefahrenen Spur! Sieht am schlimmsten aus, ist am Besten! Der Anfang war gut, schön festgefahren, wurde ein wenig weicher richtung Mitte und dann riesen Pfütze. Mist! Zum Anhalten wars zu spät und es war eh der einzige Weg, also durch da. Unsere alte Lady hatte ein bisschen zu kämpfen, schlingerte auch gut und saß auch ein wenig auf in der Mitte zwischendurch, ließ sich aber nicht beirren. Clara hielt wacker den Fuß auf dem Gas. Wer Bremst verliert, wer stoppt sitzt fest! Mir spritzte der Matsch um die Ohren, hatte ich doch das Fenster offen. Am anderen Ufer atmeten wir erstmal tief durch. Das war beängstigend, aber zum Schluss doch einfacher als gedacht. Gut zu wissen, hatten wir doch noch 6 weitere Seen vor uns. Diese waren zu unserem Glück allerdings trocken und fuhren sich wie Autobahn. Einziges Problem war jetzt, dass plötzlich die Motorwarnlampe anging und die Automatic Transmission Lampe blinkte. Also Auto aus, Fehlersuche. Alles war voller Matsch, vorne, oben, seitlich und vor allem unten. Ich ging davon aus, dass es einfach ein elektrischer Kontakt war, dem der Dreck nicht gefiel. Sobald wir Gas gaben, gingen auch beide Lampen sofort wieder aus und war das Auto einmal gut warm, blieben sie das auch. Naja, altes Auto halt, mal sehen wie weit wir kommen. Die Reisegeschwindigkeit verringerte sich nun im Laufe der French Line auf 12-15 km/h. Weicher Sand und zerfahrene Tracks ließen nicht mehr zu. Wir schafften so nur noch etwa 100 km und schlugen unser Nachtlager in einer Senke zwischen zwei Dünen auf. Der Sonnenuntergang war traumhaft, wir spazierten ein wenig herum und wickelten uns in dicke Decken ein, denn sobald die Sonne weg war war es bitterkalt. Es sollte unsere (vor-)letzte Nacht in der Wüste sein, denn das Ziel des nächsten Tages war Purni Bore, eine Wasserborung der Ölgesellschaft, aus der immer noch Wasser herausfließt und einen kleinen See gebildet hat. 100 km entfernt, gute 7h Fahrt. Wir machten uns früh auf den Weg, es wurde aber mit Mittagspause und ein wenig spazieren gehen doch wieder Dämmerung. Die Lampen spielten wie am Vortag ein wenig verrückt, aber Auto lief gut. Die letzten 20 km waren zum Glück ziemlich gute "Straße", sodass wir schnell vorankamen. 15 km vor dem Ziel musste ich bremsen, denn eine Schlange lag vor uns auf der Straße. Groß und grünlich schimmernd guckte sie mich interessiert an. Als ich ein Foto machen wollte, büchste sie dann leider, aufgeschreckt von Clara, die aus dem Auto stieg um auch was zu sehen, aus. Wie wir später herausfanden, handelte es sich um einen Inland-Taipan, die giftigste Schlange der Welt. Wunderschön, hochgefährlich, aber sehr scheu und nicht aggressiv. Die letzten 5 km wollte Clara dann noch Joggen. Ich setzte sie ab und fuhr zum Camp und fing an aufzubauen. Clara kam auch bald darauf an und ging gleich erstmal duschen. Erste Dusche seit gut einer Woche, traumhaft. Das Wasser in Purni Bore kommt aus gut 1600 Metern Tiefe mit einer Temperatur von 85 Grad herausgelaufen und speist einen kleinen Tümpel, der vielen heimischen und auch eingeschleppten Tieren, wie Eseln und Kamelen als Wasserquelle dient. Leider sahen wir keine Kamele oder Dingos, Esel und anderes Geviech, nur jede Menge Vögel. Die Nacht war erstaunlich mild und wir ließen uns viel Zeit am nächsten Morgen. Wir liefen etwas um den Teich, tranken Kaffee und starteten gegen halb 11 dann los zu den Dalhousie Springs nur 75 km entfernt. Unsere Lichter im Armaturenbrett leuchteten auch wieder fröhlich, aber egal, Auto fuhr. Die letzten 10 Dünen der Simpson waren schnell geschafft und ab dann wurde es flacher und einfacher zu fahren. Nach einem lecker Mittagessen erreichten wir am frühen Nachmittag Dalhousie, suchten uns ein nettes Plätzchen, bauten auf und gingen spazieren. Die ganze Gegend ist eine große Ansammlung natürlicher heißer Quellen, mit den Dalhousie Springs als Hauptquelle mit Badegelegenheit. Das Wasser in dem kleinen See ist zwischen 34 und 38 Grad warm und das schönste, was man sich nach einem anstrengenden Trip und vielen kalten Nächten vorstellen kann. Bevor es dunkel wurde, kroch ich noch einmal unter unser Auto um ein wenig von dem Matsch unter den Unterbodenschutzblechen abzukriegen, den wir seit Tagen mit uns rumfuhren. Gute 10 Kilo bekam ich auch ab und entdeckte einige Kabel und Stecker, die komplett verdreckt waren. Ich reinigte alles, schüttelte die Kabel ein wenig, vielleicht hilft es ja was. Die Nacht schliefen wir wie die Babys. Die Wüste hinter uns, Zivilisation in greifbarer Nähe und das Auto immer noch fahrtauglich - alles perfekt. Morgens gingen wir noch eine kleine Runde um die Springs, tranken unseren Kaffee und fuhren los, Tagesziel: Erldunda Roadhouse. Unsere beiden Problemleuchten - aus! Erster Zwischenstopp war das Mount Dare Hotel, Australiens abgelegenster Pub, mitten im Nirgendwo, Start oder Ende der Reise für bekloppte Simpson-Touristen und erste Tankstelle seit über 500 km. Wir tranken erstmal ein Bier. Es war zwar erst um 1 und kaum eine Seele außer uns war dort, aber das Bier gehört zur Simpson, wie die Dünen, da sind sich alle, die schon einmal dort waren einig. Nach einer kurzen Unterhaltung mit den Eigentümern des Hotels wurden wir gefragt, ob wir nicht ein wenig Zeit hätten, um zu bleiben. - Eigentlich nicht, aber an diesem Abend waren die Besitzer zu einer Feier beim Nachbarn eingeladen und sie brauchten nur jemanden, der für diesen Abend mit aushalf. Wir bekamen 100 Dollar, gratis Camping und Essen uns sogar noch ein Bier dazu, also willigten wir ein. Viel war nicht los, wir hatten ein paar nette Gespräche mit anderen Leuten, die vorbeikamen, Leute, die uns noch ein wenig länger begleiten sollten, hörten interessante Geschichten, bekamen ein lecker Abendessen und um 8 hatten wir dann auch schon Feierabend. Ein perfekter Tag, obwohl doch ganz anders geplant. Morgens verabschiedeten wir uns schweren Herzens von allen, hatten wir den Pub und die Leute trotz der kurzen Zeit schon so lieb gewonnen. 10 km und einiges Geholper später erreichten wir schließlich und endlich die Grenze zum Northern Territory. Geplant schon Monate vorher, möglich erst jetzt. Vermutlich aber die "reichsten" Monate in Australien bisher.