Coastal Nomads - Suzi, John & Betty
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Vom Winde verweht: Tarifa, Europas Wind Wonderland!

Veröffentlicht: 28.10.2024

Persönlicher Logbucheintrag vom Wohnschiff Betty HH-VX 717: Wir schreiben das Jahr 2024, 15. September, 13:00 Uhr.

Als wir nach vollzogener Umrundung der Iberischen Halbinsel zu guter Letzt in Tarifa eintreffen ist es windig, sehr windig! Die Palmen an der Ortseinfahrt biegen sich unter dem Ansturm des Levante Windes. Betty schaukelt ordentlich, bis wir endlich den Schutz der Häuser erreichen. Tarifa - The Capital of Wind - macht seinem Namen alle Ehre. Zuletzt waren wir vor 25 Jahren hier und das auch nur für eine Woche. Irgendwie erinnern wir uns aber nur wenig an diesen Urlaub. Aber deswegen sind wir ja hier, um diesen Ort und die Region rund um Tarifa neu zu entdecken!

Aber jetzt soll es erstmal aufs Wasser gehen. Mangels aktueller Ortskenntnis steuern wir den ersten Parkplatz an der großen Bucht westlich von Tarifa an, der allerdings wie viele andere auch höhenbegrenzt ist, damit die „bösen Camper“ dort eben nicht parken und übernachten. Nicht ganz so schlimm. Durch den starken Wind ist ein Aufenthalt am Strand kaum möglich, ohne in Sekunden sandgestrahlt zu werden. Auf dem Wasser befinden sich nur eine kleine Handvoll Windsurfer mit ganz kleinen Segeln. Wir steuern den Ausweichspot Bolonia an. Dieser liegt etwa 20 min westlich von Tarifa, der Wind weht dort immer eine Nuance schwächer. Bolonia liegt am Ende einer Stichstraße durch die Küstenhügel und ist ein kleines „End of World“ Kleinod, in dem anscheinend viele Aussteiger leben. Hier ticken die Uhren noch anders und die beiden Beachbars am Spot werden auch mal gerne zu Pferd angesteuert! Der Wind bläst hier genau richtig und in Bolonia gibt es noch eine lebhafte Windsurf (und Wingfoil) Szene. Ein Grund dafür ist, dass Kiten hier verboten ist. Allerdings ist es auch hier so, dass Windsurfen inzwischen anscheinend zu einem Sport fast nur für ältere Männer geworden ist. Da passe ich doch genau rein… Der Tag wird mit einer ordentlichen Windsurf Session mit dem kleinstem Segel und einem Absacker in der urigen Beach Bar Serenade mit Blick auf den Spot abgeschlossen.

Wir übernachten in Bolonia in Strandnähe, durch eine Mauer vor dem starken Wind geschützt. Am nächsten Tag ist es wieder bzw. noch immer windig, aber auf etwas geringerem Niveau. Susi sattelt ihr Bike und macht sich auf eine MTB-Tour durch die umliegenden Dünenwälder und Berge auf, während ich wieder auf das Wasser gehe. Vor Tarifa liegt die Grenze von Mittelmeer und Atlantik und Bolonia liegt bereits am Atlantik. Also ist das Wasser hier schon wieder deutlich kühler, so dass der warme Neoprenanzug mit langen Armen wieder zum Einsatz kommt. Am späten Nachmittag treffen wir uns nach unseren sportlichen Ausflügen wieder in der Beachbar, zusammen mit Surfern und einigen berittenen Gästen. Es wirkt ein bisschen wie im Western Saloon. Nebenan machen einige Alt- und Neuhippies hausgemachte Musik und würzige Rauchwölkchen ziehen hinüber. Die Stimmung hier am Spot und im Ort Bolonia gefällt uns ausgesprochen gut ;-)

Am nächsten Tag macht der Wind eine Pause und Susi und ich gehen auf große Erkundungstour mit den Bikes von Bolonia in Richtung Tarifa. Von Bolonia aus führt ein brandneuer Wander- und Biketrail durch die mit Kiefern bewaldeten, sehr hügeligen Dünen an der Küste entlang. Hinter der Landzunge Punta Paloma beginnt die große, etwa 10 km lange Bucht von Tarifa. Sehr eindrucksvoll ist die große Wanderdüne Duna de Valdevaqueros, ein kleines Stück Sahara in Spanien. Die Straße durch die Dünen muss regelmäßig von Sandwehen freigebaggert werden. Zwischen Valdevaqueros und Tarifa Stadt liegen eine ganze Reihe von Surfspots. Wir klappern die Spots und die zugehörigen Parkplätze mit unseren Bikes ab, denn nicht auf allen Parkplätzen dürfen bzw. können Wohnmobile stehen. Die schöne Apartmentanlage „Las Flores“ in der wir vor 25 Jahren waren, hat wie so viele Hotels und Restaurants in Spanien Covid anscheinend nicht überlebt. An der Auffahrt steht ein Schild „Se Vende“, traurig!

Etwas weiter nordwestlich befindet sich der Ort Los Canos de Meca, zum einen bekannt durch seine hervorragenden Wellen zum Surfen und durch die Landzunge Cabo Trafalgar. Vor dieser fand 1805 die berühmte Seeschlacht von Trafalgar zwischen den Briten unter Führung von Lord Nelson und den französisch-spanischen Streitkräften stattfand. Hier beginnt bereits die Costa de la Luz, die Küste des Lichts. Und wirklich, hier leuchtet das Licht irgendwie heller. Vielleicht liegt es auch an den durchgehend weiß angestrichenen Häusern, die die Sonne so reflektieren? Mit den Bikes fahren wir über kleine Küstenorte und teilweise direkt über den Strand bis nach Conil de la Frontera, eines zur Ruta de los Pueblos Blancos gehörendem malerischen Fischerstädtchen. Wir bleiben für zwei Nächte in Canos de Meca und gönnen uns einen Stellplatz, der von Rafael, einem andalusischen Original betrieben wird. Der Stellplatz ist günstig, alles ist tip-top und Rafael ist an herzlicher Gastfreundlichkeit nicht zu überbieten! Hier treffen wir übrigens die Schweizer Stefan und Heike mit ihren Kindern und ihrem Magirus 4x4 wieder, die wir an der Costa Brava  kennengelernt haben. It´s a small world!

Die nächsten Tage fokussieren wir uns auf Tarifa. Tarifa ist die dem afrikanischen Kontinent nächstgelegene Stadt und je nach Wetterlage ist Marokko mit seinen über 2.000 m hohen Küstenbergen zum Greifen nah. Tarifa befand sich lange unter maurischer Herrschaft und hat schon etwas nordafrikanisches an sich. Gleichzeitig ist Tarifa eine belebte Stadt, die auch, aber nicht nur von Touristen lebt. Aber sie ist auch einer Hochburgen des (windgetriebenen) Surfsports, was unzählige Surfgeschäfte in der Stadt bezeugen und der Stadt ein besonderes Flair verleiht. Am Ortseingang gibt einen großen Lidl und uns fallen die zahlreichen, nagelneuen Mercedes VIP-Kleinbusse mit marokkanischen Kennzeichen auf dem Parkplatz auf. Im Lidl dann die Auflösung: Anscheinend fahren Marokkaner, hauptsächlich Frauen, gerne mal zum Shoppen auf den anderen Kontinent. Die Katamaran-Schnellfähren zwischen Tarifa und Tanger, die in 45 min die Straße von Gibraltar überqueren, machen es möglich. Neben den ganzen Surfgeschäften, tollen Cafés und Restaurants möchten wir noch ein Geschäft besonders erwähnen: Die Ferretería la Nueva ist ein kleiner Eisenwarenhandel, der alles hat, was man so zum Basteln, Schrauben, Handwerken, etc. braucht. Innen drin ist es klein, dunkel und schrummelig, aber die Verkäufer(innen!) reißen sich ein Bein aus, um das Unmögliche möglich zu machen. Schrauben gibt es natürlich auch einzeln zu kaufen. Ein Aufkleber für den Tankdeckel mit Diesel in arabischer Sprach? Kein Problem, drucken wir, ist Montag fertig. Wir lieben dieses Geschäft!

Vor zwei Jahren hat mir Susi einen Gutschein für einen Wingfoiling Kurs zum Geburtstag geschenkt. Wingfoilen ist DER neue Trendsport und verbindet Elemente des Kite- und Windsurfens mit dem Hydrofoiling, dem Surfen auf einer Tragfläche. Wie das mit Gutscheinen so ist, hat dieser Gutschein eine Zeit in der Versenkung geschlummert. Als wir mittags zum Windcheck an der Liam Whaley Surfstation in Valdevaqueros stehen sehe ich, dass dort auch Wingingfoilkurse angeboten werden. Ein kurzer Check bei Google ergibt, dass die Liam Whaley Surfstation durchgehend mit 5 Sternen super bewertet wird. Matteo, der umtriebige Stationschef meint, ich könnte doch gleich jetzt und sofort loslegen. Mein Lehrer ist Victor und ein echter Glücksgriff! Nach einer kurzen Einweisung am Strand geht es gleich mit dem richtigen Equipment aufs Wasser. Auf den Umweg Wing + SUP-Board verzichtet man hier. Dank Ausstattung von Lehrer und Schüler mit Funkgeräten können Fehler auf dem Wasser schnell korrigiert werden. Nach einem etwas holprigen Start (die Koordination von Wing, Board und Foil erscheint zunächst unmöglich und manche Routinen vom Windsurfen darf man sich gleich mal abgewöhnen) hat sich das Board am Ende der ersten Session bereits einmal kurz auf die Tragfläche, das Foil, bewegt. Susi genießt derweil das nette Ambiente der Surfstation, von der man das bunte Treiben auf dem Wasser (hauptsächlich Kiter) bestens beobachten kann! Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Vorteil des Kurses ist, dass wir beide die schönen warmen Duschen der Sufstation nutzen können, herrlich!

Am 21.09 machen wir uns wieder in Richtung Malaga auf, denn wir erwarten sehnsüchtig Besuch! Unser Sohn Tim kommt uns für 5 Tage besuchen, bevor er weiter zu seinen Freunden nach Mallorca fliegt. Auf diesen Besuch freuen wir uns natürlich sehr! Auf dem Weg nach Malaga, machen wir einen Abstecher nach La Lineas de la Concepcion, der spanischen Grenzstadt vor Gibraltar. Hier kann man „The Rock“ bereits in seiner ganzen imposanten Größe sehen. Zwischen La Linea und Gibraltar verläuft eine nach wie vor heftig umstrittene Grenze mitten in Europa. Die Spanier erkennen den Status von Gibraltar natürlich nicht an, allerdings haben die Einwohner von „GBZ“ sich vor einiger Zeit mit großer Mehrheit dagegen ausgesprochen, Spanier zu werden. Die Besichtigung von Gibraltar verschieben wir aber auf später. Wir übernachten kurz vor Malaga, auf dem tollen Platz mit Blick auf die ganze Küste, den wir bereits auf der Herfahrt entdeckt haben.

Vor über 5 Monaten haben wir uns nach dem großen Familienbesuch auf Teneriffa  von Tim verabschiedet, nun können wir ihn am Flughafen von Malaga wieder in die Arme schließen! Ein großes, glückliches Hallo! Wir frühstücken am Strand mit Blick auf Gibraltar und holen dabei seinen 24. Geburtstag vom 11. September mit einer kleinen Bescherung nach. Für zwei Nächte haben wir uns auf dem Campingplatz Rio Jara an der Bucht von Tarifa einquartiert, da unsere Betty nur über zwei Schlafplätze verfügt (wie wir eigentlich denken…). Wir haben aber eine große Strandmuschel dabei, die zu einem einfachen Zelt umfunktioniert werden kann. Diese wird Tims Nachtquartier. In und um Tarifa lassen wir drei uns treiben und genießen die gemeinsame Zeit miteinander.

Die nächsten beiden Nächte verbringen wir mit Tim auf dem Wohnmobilstellplatz in Canos de Meca und stehen neben unseren Freunden aus der Schweiz. Diese sind gerade dabei, einer anderen weltreisenden, multinationalen Familie aus Australien zu helfen, die Ladeelektrik ihres betagten Iveco Wohnmobils zu reparieren. Stefan kennt sich offenbar super mit der Wohnmobilelektrik aus und hat die Reparatur zu „seinem“ Projekt gemacht (und später auch erfolgreich abgeschlossen). Mike und Maki aus Australien sind Surfer und wollen ihren beiden Kindern, die sie wie Stefan und Heike ebenfalls im Homeschooling unterrichten, die ganze Welt zeigen. Natürlich kommt man ins Gespräch über das Woher und Wohin und wir erfahren, dass sie auch vorhaben, nach Marokko zu reisen. Wir tauschen gleich die Kontaktdaten aus, damit wir uns irgendwo in Marokko treffen können. Für die zweite Nacht müssen wir das „Zelt“ von Tim leider abbauen. Rafael entschuldigt sich dafür tausendmal. Seine Konzession umfasse aber nicht das Aufstellen von Zelten und die umliegenden Campingplätze achten wohl sehr darauf, dass auf seinem Stellplatz keine Zelte aufgebaut werden. Wir nutzen diese Gelegenheit um zu testen, ob nicht doch drei Personen in Betty schlafen können. Und siehe da, Tim verbringt eine - nach seiner Aussage - hervorragende Nacht auf unserer Ecksitzbank. Die Tage mit unserem Sohn sind wie im Fluge vergangen und am 26.09 geht es für ihn schon wieder in Richtung Malaga zum Flughafen und wir verabschieden uns auf eine unbestimmte Zeit.

In und um Tarifa haben wir viele verschiedene Übernachtungsplätze ausprobiert. Zumindest in der Nebensaison gibt es hier keinen Stress mit der Polizei und das Freistehen wird überall geduldet. Wir stehen mal an den Strandparkplätzen, mal mitten in der Stadt und mal auf einem von uns „die Platte“ getauften, großen Schotterplatz am Ortsrand von Tarifa. Dieser Platz liegt praktischerweise oberhalb des Lidl-Supermarktes und von dort hat man abends den besten Blick auf Tarifa, das Meer und Marokko und dazu die schönsten Sonnenuntergänge. Nur bei heftigem Levante kann man dort nicht stehen, da der Wind dort umgebremst über „die Platte“ braust und der Van nachts zu sehr wackelt. Wie in den vergangen 8 Monaten, haben wir auch hier die Erfahrung gemacht, dass man in Europa mit ein bisschen Umsicht fast überall frei stehen kann. Leider beobachten wir gerade hier in Tarifa auf den Strandparkplätzen viele Vanreisende, die sich wie die Schwe… benehmen, nach dem Motto „nach mir die Sintflut“. Da gibt es Dauercamper mit Platzreservierung , die Abfälle und leider noch mehr werden in das Dünenwäldchen (Naturschutzgebiet) entsorgt und sogar Wohnwagen werden aufgestellt. Traurig, jeder dieser „Vanlifer“ sägt so ganz kräftig an dem Ast auf dem er sitzt…

Am nächsten Tag weht wieder ein guter Wind zum Wingfoilen lernen. Dank der guten Anleitung von Victor hebt sich das Board schon mehr aus dem Wasser und langsam bekomme ich ein Gefühl für das richtige Zusammenspiel von Wing, Board und Foil. Susi düst derweil mit ihrem geliebten E-MTB durch die Gegend und erkundigt jede Ecke und jeden Berg um Tarifa. Zwischenzeitlich ist es auch mal wieder richtig windig. Wir fahren nach Bolonia zum Windsurfspot, wo ich mit meinem kleinsten Segel auf´s Wasser gehe. Der Wind ist aber sehr böig und schwankt gefühlt zwischen 0 und 8 Windstärken. Beim Windsurfen ist so ein böiger Wind sehr anstrengend und ich beneide die Wingfoiler, denen böige Winde viel weniger ausmachen. Am darauf folgenden Tag habe ich meine dritte Wingfoilstunde und den Durchbruch: Auf einmal passt alles zusammen, das Board hebt sich auf das Fail und ich düse widerstandsfrei in gefühlt „unendlicher“ Höhe über die Wasseroberfläche. Ein irres Gefühl, das süchtig macht. Am Ende der dritten Stunde kann ich schon längere Strecken auf dem Foil fahren und freue mich sehr über das große Lob von Victor, meinem Surflehrer.

Es ist der Morgen des 1. Oktober, das letzte(?) Quartal unserer Auszeit bricht an. Was haben wir alles in den letzten 8 Monaten unserer Reise erlebt und trotzdem fängt die Zeit jetzt zu rasen an. Heute nacht haben wir auf dem Strandparkplatz übernachtet und machen morgens unsere regelmäßige Frühgymnastik in der mittlerweile schon recht spät aufgehenden Sonne. Susi möchte noch etwas aus dem Van holen. Beim Herabsteigen aus dem Van bricht der Klapptritt, der vor dem Van steht unvermittelt weg. Susi fällt mit dem Rücken auf unsere mit einer geriffelten Aluschiene versehene Eintrittsstufe. Obwohl ich direkt neben der Schiebetür stehe, geschieht alles so schnell, dass ich nicht eingreifen kann. Für eine gefühlte Ewigkeit liegt Susi vor dem Van und wir beide denken das Gleiche, dass sie hoffentlich nicht auf ihre erst Ende 2022 zusammengeschraubten Rückenwirbel gefallen ist. Zum „Glück“ ist es anscheinend nur eine Prellung der hinteren Rippenbögen und eine großflächige Schürfwunde. Beides wird sie leider über Wochen mit Schmerzen und Bewegungseinschränkungen beschäftigen. Dass ich an diesem Tag nach meiner vierten erfolgreichen Wingfoilingstunde von Victor in die Wingfoiling-Eigenständigkeit entlassen werde, ist da nur noch Nebensache.

Für den nächsten Tag haben wir uns eine Besichtigung von Gibraltar vorgenommen. Wir parken Betty kurz vor der Grenze und passieren die Grenzkontrollen recht schnell. Von der prophezeiten Schikane auf spanischer Seite ist nicht zu spüren. Zu den Besonderheiten von Gibraltar zählt, dass Fahrzeuge und Fußgänger nach Grenzübertritt einmal quer die Landebahn des Flughafens von Gibraltar passieren müssen. Startet oder landet eine Maschine werden Fahrzeug- und Füßgängerverkehr für den Zeitraum eingestellt (bei 3-4 Maschinen pro Tag noch vertretbar). Wir lassen uns durch Gibraltar Stadt unterhalb des Felsens treiben und genießen es, nach 8 Monaten Spanien und Portugal mal englische Atmosphäre zu schnuppern. In der „High Street“ gibt es viele typisch englische Geschäfte, ein lustiger spanisch-englischer Mix. Auf die Besichtigung des Affenfelsens und der Festungsanlagen auf „The Rock“ verzichten wir, über 100 € für Eintritt und Seilbahn halten wir für Wucher. Wir laufen lieber bis zum Point of Gibraltar, die mit dem Europa Point Lighthouse die südlichste Spitze Festlandeuropas bildet. Es sind immerhin 6 km bis dorthin und zurück wollen wir (Susis Rücken…) mit dem Pendelbus fahren. Leider kann man im Bus nicht mit Karte zahlen, Euro werden zwar genommen, aber unseren kleinsten Schein (ein 20er) kann der Busfahrer nicht wechseln. Vorne im Bus sitzen zwei ältere Damen, die sich in unser Gespräch mit dem Busfahrer anhören. Prompt zückt die eine Dame das Portemonnaie und bezahlt unsere Tickets. Wie unglaublich nett, Wunder gibt es immer wieder auf dieser Welt! Nachdem wir dann noch ganz lecker bei einem winzig kleinen indischen Restaurant gegessen haben und in einem Pub ein Pint Bier getrunken haben sind wir erst Recht der Meinung, dass sich dieser Ausflug gelohnt hat. Gibraltar hat uns wirklich positiv überrascht. Übernachten tun wir vor der Marina von La Linea de la Concepcion mit schönem Blick auf Gibraltar.

An der Surfstation habe ich mir für einige Tage Wingfoiling Material geliehen. Wie immer geht es jetzt los mit dem Warten auf den richtigen Wind und die richtigen Bedingungen, um meine Kenntnisse zu vertiefen. Susi meint aber, dass ich da schon viel ruhiger geworden bin und nicht mehr so auf und ab „tiger“ wie damals, wenn die Bedingungen nicht stimmen… Zwei gute Tage kann ich aber noch mitnehmen und der Zeitvertreib in und um Tarifa ist auch keine Strafe. Aufgrund der guten Winde, aber auch der tollen Stadt, dem milden Klima und der schönen Landschaft Andalusiens haben sich Surfer aus ganz Europa in Tarifa niedergelassen. Wenn wir uns denn ein Fleckchen auf der Erde aussuchen könnten, dann könnte es auch hier sein. Aber wir sind uns einig, dass wir auf längere Zeit lieber mobil und flexibel in der Wahl unserer Urlaubsorte sein wollen. Ein Highlight ist dann noch unsere Wanderung zur Buddha Höhle in Tarifas Küstenbergen. Von der Uferstraße N-340 aus geht doch recht steil in die Berge hinauf. Oben auf dem Berg befindet sich eine kleine Felshöhle. Vor Jahren hat der ein Wanderer angefangen, dort in die Höhle den ersten Buddha zu stellen. Viele weitere Buddhas, Fähnchen, Ketten und kleine Andenken folgen. Zusammen mit dem Blick auf Tarifa und Marokko hat der Ort eine besondere, meditative Atmosphäre. Ausgerechnet heute haben wir aber so überhaupt nichts dabei, um auch unsere Spur zu hinterlassen. Ein Grund wieder zu kommen! Zurück geht es auf der anderen Bergseite und wir wundern uns über die Vielseitigkeit der Bergwelt hier, die uns bisher nicht bewusst war.

Mittlerweile haben wir Ernst gemacht und die Fähre nach Marokko gebucht. Am 17.10 werden wir mittags in Richtung des afrikanischen Kontinents ablegen. Geplant soll die Überfahrt nur 90 min dauern (Spoiler: haha!). Wir begeben uns auf Abschiedstournee und fahren nochmal für zwei Tage nach Canos de Meca, um unsere Schweizer Freunde zu treffen. Der Stellplatzbetreiber Rafael begrüßt uns wie alte Freunde und ruft überschwenglich „welcome home, this your home“, herrlich! Bei unserer Ankunft in Canos sind die Schweizer wider Erwarten nicht da. Rafael meint, sie wären vor einigen Tagen weitergefahren, schade. Hier in Canos wollen wir auch den Van für Marokko vorbereiten. Etwas umgepackt werden muss auch, denn ich habe mir (nur ganz wenig…) Wingfoil Material zugelegt und dafür muss ein Teil meiner Windsurfausrüstung in Tarifa eingelagert werden. Praktischerweise gibt es dafür „Tarifa Box“, ein kleines Storage, welches von der umtriebigen Spanierin Dona betrieben wird.

In Andalusien ist die Einkehr des Herbstes mittlerweile deutlich zu spüren. Die Sonne geht spät auf, es wird nicht mehr so warm und das eine oder andere Regengebiet zieht über den Südwestzipfel Spaniens hinweg. Wir merken das auch an unserer Solaranlage auf dem Dach von Betty, die lange nicht mehr so viel Strom produziert, wie auf Teneriffa und oder im Sommer auf der iberischen Halbinsel. Teilweise greifen wir daher zum Kochen wieder auf den Gaskocher zurück, um die Batterie zu schonen. Nachdem wir in Canos den Van einmal für Marokko komplett ausgepackt, neu sortiert und wieder eingepackt haben, soll es ein letztes Mal zurück nach Tarifa gehen. Kurz vor der Abfahrt vom Stellplatz hören wir auf einmal das tiefe Grummeln eines LKW-Motors. Unsere Schweizer Freunde kommen gerade nochmal für ein paar Tage zurück. Es gibt ein großes Hallo, neueste Infos und Kontaktdaten werden ausgetauscht und nach einem Abschiedsfoto trennen sich unsere Wege bereits wieder, denn Marokko steht für sie nicht auf dem Plan. Aber als FedEx Lieferwagen bekommen wir noch ein Amazon Paket mit Büchern in die Hand gedrückt, dass wir den mittlerweile in Marokko befindlichen Australiern mitbringen sollen. Wird gemacht!

Zurück in Tarifa wird noch einiges erledigt. Das „überschüssige“ Windsurfmaterial wird bei Tarifa Box eingelagert. Wir machen noch eine große Shoppingtour nach Algeciras, der großen Hafenstadt, von der die meisten Fähren nach Marokko auslaufen. Das Wetter in den letzten Tagen ist so la la, der Herbst in Andalusien ist da. Auch die Bedingungen auf dem Wasser eignen sich in diesen Tagen weder gut für das Wingfoilen noch für das Windsurfen. Immerhin kann ich noch einmal Wellenreiten gehen, denn auch hier wollen die Fähigkeiten weiter vertieft werden! Die hohen Wellen der vergangenen Tage (leider verbunden mit einem frontal auflandigem Sturm) haben den ganzen Strand von Tarifa überschwemmt und eine flache Lagune geschaffen, auf der sich bei leichtem Wind die Kiter tummeln. Zum Windsurfen oder Wingfoilen taugt die Wassertiefe von 10-15 cm nicht. Wir spüren aber, es ist Zeit Abschied von Tarifa zu nehmen und den zahlreichen Störchen in Richtung Süden zu folgen. Am Morgen des 17.10 wird Bettys Motor angeschmissen und wir tuckern über die Küstenberge zum Hafen von Algeciras, der von Tarifa ca. 40 min mit dem Auto entfernt ist.

Fazit Tarifa und Umgebung: Was soll man dazu noch schreiben? Surfers Paradise! Alles da, was man braucht: Sonne, Wind, Wellen, Strand, Mittelmeer, Atlantik, Berge, andalusischer Lifestyle, leckeres Essen und entspannte Menschen!

On the road: 269 Tage
Zurückgelegte Strecke: 16.500 km

Antworten (2)

Andreas
Viel Spaß in Afrika 🙋‍♂️

Toller Bericht! Hoffentlich geht es Susi schon wieder besser. Und Gratulation zum Einstieg in die Wingfoil-Szene :-) Was für Material hast du dir zugelegt?

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