Auszeit - Reise Richtung Osten
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Seoul: Ankunft im Land der Pilzfrisuren

Veröffentlicht: 11.07.2019

Via Kuala Lumpur flogen wir am nächsten Tag von Kota Kinabalu nach Seoul. Die Reise nahm inklusive Umsteigen und Aufenthalt in Kuala Lumpur den ganzen Tag in Anspruch. Spätabends trafen wir plangemäss am Flughafen von Seoul ein. Wir besorgten uns eine SIM-Karte und sahen uns nach einer Transportmöglichkeit um. Zu unserem Erstaunen wurde der Metrobetrieb noch vor 23.30 Uhr eingestellt. Für einen Flughafen von dieser Grösse ist dies doch sehr verwunderlich. Den Neuankömmlingen blieb nichts anderes übrig, als sich in die Warteschlange für die Nachtbusse zu stellen. Etwas ungläubig brachten wir in Erfahrung, dass diese nur alle 50 Minuten fahren. Die Warteschlange wuchs stetig an und schon bald wurde uns bewusst, dass nie und nimmer alle Wartenden in einen Bus passen würden. So war es dann auch. Wir verpassten den ersten Bus und mussten uns weitere fünfzig Minuten gedulden – nach einer solch langen Reise eine echte Geduldsprobe. Endlich sassen wir im Bus, da traf auch schon die nächste negative Meldung ein. Die Hotelplattform Agoda teilte uns via Mail mit, dass unsere Buchung storniert worden sei, da wir nicht rechtzeitig im Guesthouse erschienen seien. Nach einem längeren Hin und Her mit vielen Missverständnissen konnte die Stornierung rückgängig gemacht werden. Trotzdem konnten wir nicht direkt in unsere Unterkunft gehen, da niemand mehr dort war, der uns hätte empfangen können. Eine verzwickte Situation. Gegen 2.00 Uhr morgens trafen wir endlich in der Stadt ein. Wir beschlossen, uns für eine Nacht ein Hostel zu suchen. Die Suche blieb leider erfolglos, da sämtliche Hostels von Seoul nur bis 24.00 Uhr eine bediente Rezeption haben. Wir fanden nur wenige Hotels mit einer 24h Rezeption und die meisten waren preislich definitiv eine Liga zu hoch für uns. Wir fanden ein Mittelklassehotel, das bis drei Uhr geöffnet gewesen wäre. Hoffnungsvoll bestiegen wir ein Taxi. Leider sprach der Fahrer kein Wort Englisch und konnte auch unsere Zeichen nicht entziffern. Frustriert entsteigen wir zehn Minuten später dem Taxi. Nach sechs Monaten auf Achse hätten wir nie erwartet, ausgerechnet in der Megapolis Seoul auf verschlossene Türen zu treffen. Ein regelrechter Schock! Uns blieb nichts anderes übrig, als uns die restlichen Stunden draussen um die Ohren zu schlagen. Wie zwei Obdachlose richteten wir unser Lager direkt vor einem geschlossenen Kaffee ein. Wir beobachteten die Partygänger, die frühmorgens durch die Strassen torkelten, aktive Frühsportler, ältere Menschen, die vermutlich nicht mehr schlafen konnten und weitere Gestalten. Die meisten schauten uns verwundert an und ein Herr bot uns gar seine Hilfe an. Gegen sechs Uhr begaben wir uns mit der Metro in Richtung unserer Unterkunft. Vor Ort warteten wir eine weitere Stunde bis endlich um 8.00 Uhr das Warten ein Ende nahm. Erleichtert fielen wir ins Bett. Der Start in Seoul war alles andere als geglückt.

Gegen 15.00 Uhr wanden wir uns aus dem Bett und gingen auf eine Erkundungstour in unserem Viertel. Hongdae ist ein hippes, modernes und quirliges Studentenviertel. Es gibt viele kleine und stilvoll eingerichtete Kaffees, unterschiedliche Restaurants sowie haufenweise Shoppingmöglichkeiten. Vor allem Beautyshops sind an jeder Ecke zu finden. Die Koreaner sind einem regelrechten Schönheitswahn verfallen – so wird etwa 45% der weltweit produzierten Männerkosmetik in Korea verkauft. Wir hatten den Eindruck, dass ausnahmslos alle KoreanerInnen geschminkt sind. Auch farbige Kontaktlinsen, farbige Haare und Pilzhaarschnitte scheinen voll im Trend zu sein – alles im Sinne des K-Pops (Koreanische Pop Musik). Schicke Businesskleidung, lockere Alltagskleidung oder schäbig Strandbekleidung – in Korea ist alles möglich. Und das wirklich Schöne daran: Niemand stört sich an der Kleidung des anderen. Besonders amüsant finden wir die männlichen K-Pop Anhänger mit ihren farbigen Pilzfrisuren, den enganliegenden Hosen und dem einen Ohrring. In der Schweiz würde man mit einer solchen Bekleidung klar als Sonderling durchgehen.

Hongdae ist auch als Ausgangs- und Partyviertel der Stadt bekannt. An jedem Abend, egal welcher Wochentag, sind die Strassen belebt und zig Strassenkünstler stellen ihr Können vor kleinem oder grossem Publikum zur Schau. Es wird zu K-Pop Musik getanzt, gesungen, gerappt und Feuer gespuckt. Uns gefällt die lockere Atmosphäre und die aufgeheiterte (vielleicht auch ein bisschen angeheiterte) Stimmung. Die Menschen treffen sich zum Essen und Trinken und geniessen einen gemütlichen Abend. Auch wir genehmigten uns einen koreanischen Grill. Hungrig stürzten wir uns auf das Fleisch und die Beilagen. Zudem bestellen wir eine Flasche Soju (Reiswein). Dieser wird entweder pur getrunken oder mit Bier vermischt. Wir bevorzugten die gemischte Variante. Das Essen schmeckte einfach köstlich.

Nach dem Essen, streiften wird durch die Gassen und liessen das Nachtleben auf uns einwirken. In einem kleinen Park setzten wir uns hin und beobachteten die Strassenkünstler. Einige waren begnadete Sänger, andere eher weniger. Per Zufall trafen wir gar auf einen Schweizer. Dieser konnte uns viele wertvolle Tipps für Seoul und Umgebung geben. Als wir uns gegen Mitternacht auf den Rückweg machten, schwirrten immer noch hunderte Partygänger durch die Strassen von Hongdae. Trotz des holprigen Startes haben wir uns sofort in die quirlige Stadt und dessen Bewohner verliebt.

Am Folgetag begaben wir uns auf die Spuren der Geschichte Seouls. Dazu begaben wir uns ins nördliche Zentrum der Stadt. In Seoul sind noch fünf Paläste vorhanden, die von der Joseon Dynastie (1392-1910) zeugen. Wir besuchten den Changgyeonggung Palast und den Changdoekgung Palast – nein, wir wissen nicht, wie die Namen korrekt ausgesprochen werden. Von ersterem sind nur noch ein Fünftel der einstigen Bauten erhalten. Dafür weist er einige architektonische Besonderheiten auf. Zudem sind der umliegende Park sowie das alte viktorianische Gewächshaus äusserst sehenswert. Während der Changgyeonggung Palast nur als Zweitwohnsitz der Königsfamilie verwendet wurde, diente der Changdoekgung Palast über 250 Jahre lang als Erstwohnsitz. Der Palast ist gut erhalten und verfügt über einen 'geheimen Garten'. Dieser Garten kann nur auf einer geführten Tour besucht werden. Für knapp zwei Franken pro Person schlossen wir uns der rund einstündigen Führung an. Wir erfuhren viele spannende Details über die Parkanlage und die Königsfamilie. Der geheime Garten gefiel uns sehr gut – in der Blütezeit muss dieser jedoch noch viel schöner sein. Nach dem Palastrundgang begaben wir uns in die Handwerkerstrasse. An dieser sehr touristischen Strasse befindet sich auch das bekannte Poop-Kaffee. Wir konnten es nicht lassen, einen Cafe Latte aus einer Kloschüssel zu schlürfen. Gestärkt besichtigten wir ein Naherholungsgebiet. Mitten zwischen riesigen Hochhäusern befindet sich ein kleiner Kanal. Links und rechts führt je ein Weg entlang des Kanals. An gewissen Stellen kann dieser überquert werden. Dazu springt man von Stein zu Stein. Besonders für Kinder ist dies ein geeigneter Spielplatz. Der Fluss ist so sauber, dass darin gebadet werden kann. Auch Fische wurden ausgesetzt und die Umgebung wurde begrünt. Wirklich ein schöner und ruhiger Rückzugsort. Wir verliessen die Oase Richtung Aussichtspunkt. Von dem kleinen Hügel aus – hier ist auch noch ein Stück der ehemaligen Stadtmauer vorhanden – kann ein Teil der Stadt überblickt werden. Wir hatten Glück mit dem Wetter (und dem Smog) und genossen die relativ klare Sicht auf die Wolkenkratzer. Nach diesem ausgiebigen Spaziergang fuhren wir mit der Metro zurück zum Hotel.

Mit dem Kauf der SIM-Karte hatten wir einen vergünstigten Eintritt in den Everland-Vergnügungspark erworben. Wir freuten uns sehr, diesen einzulösen. Wir beschlossen, anstelle eines Sonderbusses, die Metro für die Anreise zu nutzen. Wir wollten möglichst zur Parkeröffnung um 10.00 Uhr vor den Pforten stehen. Leider hatten wir die Anreisezeit per Metro komplett falsch eingeschätzt. Erst nach zwei Stunden, etwas gegen 11.00 Uhr, standen wir endlich vor dem Eingangsportal. Wir ärgerten uns über unsere Verspätung, denn schliesslich wollten wir auf keinen Fall zwei Stunden vor der Hauptattraktion, einer riesigen Holzachterbahn (T-Express), warten. Wir waren etwas überrascht, dass nur drei der fünfzehen Kassen geöffnet waren. Auch im Parkinneren trafen wir nur wenig Leute an und die meisten Bahnen und Restaurants waren noch gar nicht geöffnet. Wir freuten uns darüber. Schnurstraks begaben wir uns zur Achterbahn. Auch diese öffnete erst um 13.00 Uhr. Nun waren wir doch froh um unsere Verspätung. Typisch Korea – das Leben findet am Abend statt. Der Park ist bis 22.00 Uhr geöffnet.

Nach einer koreanischen Nudelsuppe besuchten wir erneut das Europa-Dorf, wo sich auch die Holzachterbahn befindet. Das erste, was wir hörten, war ein Schweizer Volkslied, das aus den Lautsprechern dröhnte. Nach sechs Monaten auf Achse fühlte sich das Stückchen Heimat gut an. Interessanterweise befindet sich auch der T-Express in der Schweizer Ecke. Da wir noch Zeit hatten, besuchten wir zuerst das 4D Kino – eine interessante Erfahrung. Danach stellten wir uns in die Warteschlange für den T-Express. Der Weg zur Bahn führte am Bahnschalter von Grindelwald sowie an vielen Wegweisern (Interlaken Ost, Bönigen, Iseltwald etc.) entlang. Wir freuten uns wirklich über die schöne Kulisse. Nach vierzig Minuten waren wir dann auch bereits an der Reihe. Wir belegten die beiden vordersten Sitze. Nach einem steilen Ansteig, sausten wir auf der andern Seite mit hoher Geschwindigkeit herunter. Das Gefälle beträgt 77% - weltweit sind nur drei andere Holzachterbahnen steiler. Die Fahrt war nach weniger als zwei Minuten zu Ende. Gelohnt hat es sich allemal. Zu den weiteren Highlights des Parks gehören eine Achterbahn mit zwei Loopings und ein Gefährt, das sich immer wieder um die eigene Achse dreht. Das wirkliche Highlight waren jedoch die asiatischen Animatoren. Einige waren richtig in ihrem Element. Es wurde geplappert, gesungen und wild getanzt. Bei jeder Bahn wurde eine andere Choreographie aufgeführt. Wir lachten uns kaputt. Gegen 19.00 Uhr verliessen wir den Vergnügungspark. Um uns die zweistündige Metrofahrt zu ersparen, planten wir, den Sonderbus zurück in die Stadt zu nehmen. Dies war einfacher gesagt, als getan. Der Bus nach Hongdae fuhr erst um 21.00 Uhr. So gingen wir von Schild zu Schild und schauten nach, welcher Bus in unsere Nähe fahren würde. Eine nervenaufreibende Angelegenheit. Schliesslich fanden wir eine einigermassen passende Lösung. Wir erreichten unser Zuhause erst gegen 23.00 Uhr. Zum Glück war noch ein Restaurant in der Nähe geöffnet – halb verhungert, fielen wir über das Essen her. Der Ausflug in eine Welt der Illusion und Fantasie rief das Kind in uns hervor. Ein wunderbarer Tag!

Am letzten Tag besuchten wir Bukchon Hanok Village. Die alten, aber sehr stilvollen, Häuser gefielen uns sehr gut. Weniger schön war der Touristenstrom. Viele der Touristen hatten sich für den Besuch eine traditionelle Tracht geborgt. Wir müssen zugeben, dass die Kleider an den AsiatInnen wirklich sehr gut ausgesehen haben. Wir durften einige Bilder von den BesucherInnen schiessen. Nach dem Abendessen begaben wir uns erneut in den kleinen Park in Hongdae. Diesmal trafen wir auf eine Gruppe ehemaliger Studenten. Ein junger Mann aus Kirgistan hatte uns zwei Tage zuvor auf der Strasse gesehen. Er arbeitet, wie alle anderen auch, als Übersetzter. Ein solcher Mix an Sprachen und Nationalitäten hatten wir schon lange nicht mehr angetroffen. Die Leute unterhielten sich auf Koreanisch, Englisch, Russisch und Japanisch. Rein vom Erscheinungsbild sahen fast alle Anwesenden asiatisch aus. Aufgewachsen waren sie aber alle in unterschiedlichen Ländern: Italien, Russland, Kirgistan, Hawaii etc. Nicht alle sprachen Englisch und so musste manchmal über eine Mittelperson – eben einen Übersetzer – eine Unterhaltung geführt werden. Wir konnten viel über die jeweiligen Kulturen in Erfahrung bringen und knüpften Kontakte für Japan. Wir lernten zudem, wie der Soju richtig getrunken wird und welche Snacks sich als Beilage eignen. Gemeinsam zogen wir weiter in eine nahegelegene Bar. Wir genossen den Abend in guter Gesellschaft.

Nach vier Tagen im pulsierenden Seoul heisst es am nächsten Tag Abschied nehmen. Mit dem Bus geht es weiter in das rund drei Stunden entfernte Städtchen Jeonju.

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