Veröffentlicht: 17.07.2019
Mit der U-Bahn fuhren wir zum riesigen Busterminal von Seoul. Nur kurz nachdem wir an einem Schalter unser Ticket erworben hatten, bestiegen wir den Bus nach Jeonju. In Korea ist alles bestens organisiert. Beim Betreten des Busses wird der QR-Code auf dem Ticket eingescannt. Auf dem Bildschirm ändert sich die Farbe nach dem Einstempeln von rot auf blau. So erkennt der Chauffeur, welche Sitze belegt sind und welche Passagiere noch fehlen. Alles top modern. Auf die Minute genau stetzte sich der Bus in Bewegung. Nach sechs Monaten Südostasien kommt dies einem Schock gleich. Die Präzision der Koreaner ist selbst für uns Schweizer beeindruckend. Auch die Ankunft in Jeonju war eine Punktlandung. Exakt um 16:40 Uhr entstiegen wir dem Bus.
Während der Busfahrt buchten wir ein Zimmer in einem traditionellen Hanok Haus im Jeonju Hanok Dorf. Die Besitzerin war so nett, uns per Mail eine Wegbeschreibung inkl. Telefonnummer zukommen zu lassen. Wir hielten unserem Taxifahrer die Schriftzeichen unter die Nase und einen Anruf später setzten wir uns in Bewegung. Was für eine wunderbare Idee – gerade die Kommunikation mit den Taxifahrern ist meist äusserst schwierig. Viele sind zudem mit den lateinischen Schriftzeichen total überfordert. Und unser Koreanisch ist leider auch nicht fliessend. ;-) Die Fahrt war kurz. Unsere Gastwirtin empfing uns mit einem Regenschirm. Das Wetter war trüb und regnerisch. Wie sich bald herausstellte, sprach auch unsere Gastgeberin kein Englisch. Die Übersetzung stammte wohl von einer anderen Person. Mit Handzeichen, ein paar Brocken Englisch (unterbrochen durch koreanische Redeschwalle – hier nickten wir nur höflich) sowie mithilfe von Google Translator konnten wir uns dennoch irgendwie unterhalten. Ansonsten wäre es auch egal gewesen. Die Frau strahlte eine solche Wärme und Gastfreundlichkeit aus, dass wir uns auch so wohlgefühlt hätten.
Unser Schlafplatz war ein 6m2 Zimmerchen mit angrenzendem Badezimmer. Dies reichte gerade, um die dünnen Matten auf dem Boden auszulegen und unser Gepäck zu verstauen. Bereits bei der Betrachtung der Unterlage, schmerzte uns der Rücken. Für einen Rückzug war es nun zu spät. Schliesslich hatten wir ja gewusst, auf was wir uns da einlassen. Die Neugierde hatte wieder einmal gesiegt. Wir wollten nicht nur wissen, wie ein solches Haus von Innen aussieht, sondern auch, wie sich das Wohnen darin anfühlt.
Vor unserem Zimmer trafen wir auf Thijs aus Holland. Wir verabredeten uns zu einem gemeinsamen Abendessen. Wir beschlossen, den grossen Markt von Jeonju zu besuchen. Komischerweise waren fast alle Stände und Restaurants geschlossen. Wir hatten uns das landesweit bekannte Touristenziel Jeonju belebter vorgestellt. Auf dem Strassen trafen wir kaum Leute an. Schliesslich fanden wir doch noch ein geeignetes Restaurant. Wir assen unterschiedliche koreanische Speisen – alles war sehr lecker. Die koreanische Küche ist frisch, abwechslungsreich und sehr fleischlastig.
Am nächsten Morgen klagte vor allem Mathias über Schmerzen in Hüfte und Rücken. Diese verschwanden aber rasch wieder. Insgesamt hatten wir auf dem harten Untergrund erstaunlich gut geschlafen. Wir schlossen daraus, dass uns das Reisen in vielerlei Hinsichten abgehärtet hat (Essen, Schlafen, Lärm, Hitze etc.). Wir unternahmen einen kleinen Spaziergang durch den östlichen Teil des Hanok Dorfes. Vor einem Tempel sprach uns ein älteres koreanisches Ehepaar an. In hervorragendem Englisch erzählten sie uns die Geschichte des Tempels sowie die Bedeutung Ginkgo Baumes in der koreanischen Kultur. Was für ein Glückstreffer – der kleine Vortrag war wirklich äusserst spannend! Zudem erfuhren wir von den gratis Stadtführungen, die dreimal täglich stattfinden. Nach dem Mittagessen schlossen wir uns einer Führung durch das Kunst- und Handwerkerviertel an. Wir besuchten Kunstgalerien, eine traditionelle Papierfabrik, das Soju-Museum (Prozess der Reisweinproduktion) sowie die Ausstellung eines berühmten Fächer-Meisters. Uns gefielen die Kunstwerke wirklich gut. Eines zu ersteigern, wäre allerdings zu teuer gewesen. Ein kunstvoller Fächer kostete um tausend Schweizer Franken. Eindeutig ausserhalb unseres Budgets.
Nach der Führung schauten wir uns im 'Dorfzentrum' um. Viele der koreanischen Touristen – ja hier gab es doch noch einige Reisende – hatten sich traditionell eingekleidet. Wieso so viele Männer Frauenkleider trugen, konnten wir allerdings nicht erklären. Es können ja nicht alle eine Wette verloren haben... Vielleicht gab es auch ganz andere Gründe. Wir haben nicht nachgefragt. Zum Abschluss begaben wir uns auf einen nahegelegenen Hügel. Auf diesem Steht ein schöner Tempel. Wir genossen die Ruhe, die an diesem Ort herrschte, sehr. Wir schossen einige Fotos und kehrten anschliessend zu unserem Guesthouse zurück. Unser Rundgang durch das Hanok Dorf sowie die Führung haben wir als sehr bereichernd erlebt.
Den Tag schlossen wir bei einem traditionellen Makgeolli-Restaurant ab. Hier wird zum Essen Makgeolli, ein süss-säuerlicher Reiswein, serviert. Andrea schmeckte dieser eindeutig besser als der herkömmliche Soju. Getrunken wird der Makgeolli aus kleinen Blechschüsseln. Wir hatten ein Set für 2-3 Personen bestellt und waren froh, dass uns Thijs zum Abendessen begleitete. Alleine wären wir mit der Menge an Speisen auf keinen Fall klar gekommen. Einmal mehr staunen wir, wie viel die schlanken KoreanerInnen pro Mahlzeit vertilgen – einfach unglaublich! Es wurden elf verschiedene Gerichte serviert: Reis, Fisch, Schweinefleisch, Shimps, Bohnenpastete, Schweinefüsse, Omelette, Kimchi-Pfannkuchen, Muscheln, roher Krebs, Gemüsesuppe. Von den Schweinefüssen abgesehen, schmeckte alles köstlich. Leicht überessen kehrten wir in unsere Unterkunft zurück. Dort trafen wir auf drei junge Koreanerinnen, die Akupunktur studieren. Wir waren erstaunt, wie gut diese Englisch sprachen. Wir setzten uns gemeinsam in das Wohnzimmer und unterhielten uns bis in die Nacht. Von den aufgeweckten Frauen erfuhren wir viel über das Land und die Kultur. Interessant war auch festzustellen, dass sie dem Konflikt mit Nordkorea eher passiv, ja schon fast gleichgültig, gegenüberstehen. Sie wünschen sich ein besseres Leben für die nordkoreanische Bevölkerung und empfinden sich als ein Land, aber einen persönlichen Bezug haben sie nicht. Schliesslich kennen sie niemanden, der auf der anderen Seite wohnt. Gleich wie in Europa herrscht auch hier eine pro-amerikanische Sichtweise. Dass Amerika für die Spaltung des Landes genauso verantwortlich ist, wie Russland, scheint in Vergessenheit geraten zu sein (zumindest bei der jüngeren Generation).
Die nächste Destination heisst Busan. Die zweitgrösste Stadt Koreas befindet sich im Süden des Landes.