Veröffentlicht: 02.02.2019
Eigentlich war das alles ja andersrum gedacht, aber so geht's natürlich auch. Von Salta aus durch ein paar unscheinbare Dörfer und kleinere Städtchen bei El Carril auf die 33 abgebogen.
Die Strecke ist absolut traumhaft. So ein üppiges Grün wie im ersten Drittel habe ich noch nie gesehen. Bäume, Büsche, sattgrüne Wiesen wohin man auch schaut. Auch alle Hänge der Berge, die die unaufhörlich sich nach oben windende Straße flankieren strotzen vor Vegetation. Ein Anblick, den man aus den Anden eher nicht gewohnt ist. Leider kommt das auf den Bildern gar nicht zur Geltung.
Auf etwa halber Strecke legten wir im "Parador El Maray" eine Pause ein. Wir setzten uns auf die Terrasse vor dem Haus und sahen der Pferdemama und ihrem Kleinen zu, die sich am Straßenrand ungeachtet der gelegentlich vorbeifahrenden Autos, das satte Grün schmecken ließen. Auf der Weide gegenüber tummelten sich eine handvoll Lamas.
Norbert hatte seinen Blick (und seine Kamera) gerade auf eines der Tiere gerichtet, das etwas abseits der Herde einen passenden Platz für sein "Geschäft" zu suchen schien. Das "Geschäft" stellte sich als kleines Kälbchen heraus, das wohl nicht nur von der Mutter (ist ihr Erstes), sondern auch von den Besitzern unerwartet zur Welt kam. Die Aufregung war groß nachdem wir die Besitzer informiert hatten und Norbert wurde die Ehre zuteil, dem Kleinen einen Namen zu geben. Jetzt heißt er Marvin bzw. Marvina - genau wissen wir es noch nicht.
Ein Höhepunkt der Strecke soll ja die "Cuesta del Obispo" sein mit Blick ins Tal aus 3 350 m Höhe. Als wir etwa auf dieser Höhe am Straßenrand ein meterhohes weißes Kreuz mit einer Informationstafel und einem kleinen Parkplatz davor sahen, gingen wir davon aus am "Obispo" angekommen zu sein. Die Aussicht war wirklich traumhaft, was wir auf der Tafel zu lesen bekamen schrecklich. 33 Menschen, alle namentlich aufgeführt, hatten hier bei einem "tragischen Unfall" (mehr stand da nicht) am 04.09.1974 ihr Leben verloren. Nachforschungen im Internet ergaben, dass hier gegen 21:00 Uhr ein vollbesetzter Bus mit Rückkehrern von einem Kirchentreffen in Cachi von der Straße abkam und mehrere hundert Meter den Abhang hinabstürzte. Diese auch heute noch wenig befahrene Straße war damals sicherlich noch nicht durchgängig alphaltiert. Es muss lange gedauert haben, in der Dunkelheit, mitten im Winter bei -12 Grad, bis endlich Hilfe in diesem unzugänglichen Gelände ankam, für viele Verletzte zu spät. Es gab 5 Überlebende - darunter der Busfahrer.
Der eigentliche Aussichtspunkt befindet sich ein paar Kilometer weiter.
Wir fuhren weiter über die Passhöhe "Piedra del Molino " gen Westen. Die Landschaft wurde nun zunehmend rauher, karger und unwirtlicher, das Wetter ungemütlicher. Statt grüner Weiden waren bald rechts und links nur noch felsige Abhänge und in der Puna, der Hochebene, hier auf ca. 2 500 m angekommen zwischen niedrigem Buschwerk Cardone-Kakteen so weit das Auge reicht. Schließlich ist das hier ja auch der "Nationalpark der Cardones" (Parque Nacional los Cardones). Informationstafeln konnten wir ein bisschen über die Vegetation, die Tierwelt und insbesondere die Kakteen entnehmen.
Der erste Ort am Ende der RN 33 heißt Payogasta. Schon vor dem Ortseingang sahen wir einen Gendarmerie-Wagen, hörten laute Musik und sahen dann auf einem freien Platz rechts der Straße Zelte, Stände und jede Menge Leute. Ein Schild klärte uns auf, dass das hier das "zweite jährliche Erbsenfest" war. Na gut, einen Grund zum gemeinsamen Feiern findet man schnell - und wenn es die Erbsenernte ist. Die müssen wir natürlich mitfeiern!
Hier als Tourist geoutet zu werden bedarf es sicher nur eines etwas europäischeren Teints. Wir treffen hier jedenfalls kaum mal auf jemanden, dessen Familienwurzeln in dieser Gegend nicht Jahrhunderte zurückzureichen scheinen. Ist ja in manchem Dorf bei uns auch nicht anders. Die spanischen Conquistadoren haben wohl wenige genetische Spuren hinterlassen und von den Millionen europäischer Einwanderer, deren Nachkommen heute das Bevölkerungsbild von Buenos Aires und fast aller größeren Städte prägen, haben es sicher wenige soweit nach oben geschafft.
Uns wurden sofort Stühle beigeschafft, der "Animator" am Mikrofon begrüßte uns lautstark und reichte uns dann das Mikro, war dann zum Glück mit einem "Juhuuu"-Schrei unsererseits, der auch gebührend beklatscht wurde, zufrieden. Mein Tischnachbar wollte wissen woher wir kommen. "Alemania" wollte er dann wohl konkretisiert haben und fragte, wer denn der Regierungschef sei. Vor lauter Aufregung fiel mir Angies Nachname nicht mehr ein. Ich konnte nur (im Kampf gegen die ohrenbetäubende Lautstärke der gerade aufspielenden Band) "Angie, Angie" rufen. Er schrie zurück "Macron?". Nun fiel mir endlich "Merkel" ein! Er grinste, nickte heftig und sagte was von "sehr gut". Unsere gute Angie scheint auf dieser Seite der Welt doch einige Sympatiepunkte gesammelt zu haben.
Nacheinander traten verschiedene Musik- und Tanzgruppen auf, auch die Dorfjugend bekam mit E-Gitarre und modernen Rhythmen ihre Chance.
Wir fanden Unterkunft in einem, uns für diesen kleinen Ort völlig überdimensioniert erscheinenden, "Hotel" mit Pool und angschlossenem Restaurant. Die Anlage an sich recht ansprechend, die ca. 20 Zimmer auf 2 Ebenen rund um den Pool angeordnet, alle direkt von außen zugänglich. Das Restaurant sehr groß, mit Terrasse auf 2 Seiten. Allerdings keinerlei Schilder, geschweige denn Beleuchtung, oder irgend etwas, das auf einen Beherbergungsbetrieb schließen ließe. Den Hinweis, hier mal nachzufragen, hatten wir vom Inhaber eines Kiosks eine Straße weiter. Beim näheren Hinsehen bemerkten wir gravierende Feuchtigkeitsschäden an allen Wänden - nicht nur in der unteren Etage. Der Pool wäre sicher nutzbar gewesen, aber die einzige Ansprechpartnerin, die mit Putzeimer durch die Gegend lief, murmelte etwas von "Wasser austauschen" und wir verzichteten auf ein Bad. Sie richtete uns ein Zimmer her, kassierte Ar$ 1000 und empfahl uns das Restaurant, in dem auch das im Preis eingeschlossene Frühstück serviert würde. Außer einem Kaffe für Norbert konnten die uns aber jetzt am frühen Abend nicht mehr viel bieten. Das Bier war ausgegangen, wegen einer Hochzeit am Vorabend.
Unser Zimmer hatte riesige Putzschäden und schwarze Flecken am Sockel an allen Wänden, roch aber nicht muffig oder gar schimmlig. Uns ist unerklärlich, wie in diesem Wüstenklima mit 100 mm Niederschlag pro Jahr Gebäude solche Schäden aufweisen können. Auf alle Fälle haben wir die Nacht gut verbracht. Vorher noch einen Abstecher nach Cachi gemacht, der nächst größere Ort, völlig touristisch mit den üblichen Artesanale-Geschäften und Ständen und den Kneipen, Cafés und Restaurants um den zentralen Platz.
Im "Restaurant" des Hotels waren wir abends die einzigen Gäste. Die Milanesa war gut und wirklich liebevoll angerichtet (inklusive der traditionellen 2 Spiegeleier!). Bier war auch wieder da, Norbert meinte mir zu Ehren.