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Frau Miran und das Meer

Veröffentlicht: 19.05.2024

Nach einer sehr kurzen Nacht - meine Zimmernachbarn haben bis 2 Uhr morgens Rambazamba auf dem Balkon gemacht - startete der zweite Tag in Sokcho mit einem späten und sehr herzhaften Frühstück in einem kleinen Café um die Ecke. 

Toast mit Eggs Benedict und ein französischer Earl Grey. Sehr lecker. :) 

Ursprünglich hatte ich ja geplant, an diesem Tag zum nahegelegenen Seoraksan Nationalpark zu fahren, ein bisschen wandern, ein bisschen Tempel gucken. Aber ehrlich gesagt, hatte ich keine Lust. Ich wollte einfach nur den Tag am Meer verbringen. 

Sinnbild dafür, wie ich am Strand liegen wollte. 

Und da dachte ich mir: "Es ist ja Urlaub. Ich kann ja machen was ich will. Ich muss ja gar nicht jede Sehenswürdigkeit mitnehmen. " Was für eine Erleichterung! Und so habe ich mir mit meinem Buch ein schattiges Plätzchen auf einer Bank am Strand gesucht. (Sonne und mein Hautton, ihr wisst. Hassliebe auch mit Sonnencreme.) 

Ich hatte ungefähr 2 Sätze aus dem Buch (Kurzgeschichten auf Koreanisch für Lernanfänger) gelesen, als ich angesprochen wurde. "Entschuldigung, ist es ok wenn wir uns ein bisschen unterhalten? Ich bin auch alleine hier. " 

Die Frage kam auf Koreanisch von einer (natürlich mit Hut, Schirm, Mundschutz etc vermummten) Frau, die neben mir saß und sich angesichts des koreanischen Buchtitels gedacht hatte, sie könne mich mal ansprechen. 

Mittagessen von meiner neuen Freundin spendiert: Nudeln in einer kalten Suppe mit Gurken und Rettich. Die scharfe Soße mit dem Löffel vorher ein bisschen rausgekratzt, dann war es für mich machbar (in Gegensatz zu dem höllisch scharfen Kimchi). 🌶 🌶 🌶 

Aus ihrer Frage ergab sich ein richtig tolles Gespräch, das insgesamt 3 Stunden dauerte. Es ging um uns, unsere Reisen, Familien, Deutschland und Korea, Dating mit koreanischen Männern (ich habe dankend abgelehnt 😬), gute Ratschläge gegen gebrochene Herzen, Hobbies uvm. Sie lud mich zum Mittagessen ein, und wir sind den "Meeresgeruchsweg" zusammen gegangen und sie hat ca 1 Millionen Fotos von mir gemacht und versucht mir beizubringen, wie ich richtig posiere. (ob das geklappt hat könnt ihr oben in der Galerie selbst beurteilen 😂) 

Mit Miran beim Mittagessen :) 

Miran, so heißt die Anfang 50-jährige, war nämlich mal Model. Und Sekretärin für einen Minister. Und jetzt lernt sie gerade Akupunktur, um ihrem Mann zu helfen. Ihr Sohn lebt in München und ihre Tochter studiert an der besten Uni von Seoul. Und sie liebt es, zu reisen und mit Leuten aus anderen Ländern ins Gespräch zu kommen und hat sich so sehr gefreut, dass sie ein kleines bisschen Englisch mit mir reden konnte. (Hauptsächlich haben wir aber auf Koreanisch geredet.) 

Sie hat sogar plötzlich angefangen ein deutsches Lied zu singen, das sie mal in der Schulzeit gelernt hat ("Ich liebe dich so wie du mich" von Beethoven), das kam so unerwartet und war so schön, dass ich direkt ganz ergriffen war, und dann hatten wir beide ein bisschen Pipi in den Augen. Eine außergewöhnliche Begegnung, die uns beiden in Erinnerung bleiben wird, da waren wir uns einig! 

Sokcho Eye! 🎡 

Nachdem wir uns verabschiedet hatten, wollte ich meinen Höhenflug fortsetzen: Eine romantische Runde mit mir selbst auf dem Riesenrad. Die Aussicht war wirklich super, und der Preis war auch ok (ca. 8€ für 15 min. Fahrt).

65m über dem Strand - hinten an der grünen Landzunge verläuft der Meeresgeruchsweg
Blick in die andere Richtung: bis zu dem hintersten Zipfel rechts bin ich gelaufen. 

Mittlerweile war die Mittagssonne abgeklungen und ich habe es gewagt, den langen Fußmarsch zum anderen Ende der Stadt zu machen, wo neben einem großen Fischmarkt auch zwei traditionelle Pavilions mit schönem Ausblick warten sollten. 

Für die 3,5km habe ich etwa 45 Minuten gebraucht, inklusive Treppe hoch auf die Brücke und wieder runter (x2). Da kam ich bei 28 Grad doch ziemlich ins schwitzen! 

Blick von Brücke 1 zurück. Seht ihr das Riesenrad im Hintergrund? 

Schließlich am Pavillon angekommen, war das Ergebnis doch recht ernüchternd. Dafür bin ich jetzt so weit gelaufen? Ich hatte es mir den Beschreibungen im Netz zufolge irgendwie eindrucksvoller vorgestellt. Auf den Fotos wirkt es aber ganz gut, wie ich gerade so feststelle. 

영금정 Jong-güm-dschong Pavillon 
... Und der Blick von unten nach oben. 

Den Fischmarkt habe ich ausgelassen. Das Elend kann ich mir nicht ansehen. Ich habe ziemlich früh auf meiner Reise beschlossen, hier keinen Fisch/ Meeresfrüchte zu essen. Die Tiere werden direkt vor den Restaurants in winzigen Becken zusammengefercht und harren dort aus bis zu ihrem Tod. Ich finde das ganz furchtbar zu sehen wie elendig die da vor sich hin vegetieren. 

Mir ist klar wie falsch das klingen muss, weil ich trotzdem Fleisch, Eier und Milchprodukte esse, in dem Wissen, dass es diesen Tieren mit Sicherheit nicht besser geht. 

In meinem inneren Kampf gegen meine angelernten Essgewohnheiten bin ich leider noch nicht so stark wie ich es aus ideologischer Sicht gern wäre. Aber zumindest der Anblick des Tierleids im unmittelbaren Kontext des "Endprodukts"  hat mir geholfen, diesen einen Weg schon mal nicht mehr zu gehen. 

(Ich schäme mich, diese Zeilen zu schreiben. Wieso bin ich so schwach und wieso stellen tierische Produkte eine so große Versuchung für mich dar?) 

Aus dem Bus: Deko-Reste von Buddhas Geburtstag

Mir taten die Füße weh, ich war ein bisschen genervt* und mir war warm. Ich wollte einfach nur mit den Füßen ins Wasser und ein bisschen irgendwo sitzen. Also bin ich mit dem Bus zurück gefahren, was eine ziemlich gefährliche Angelegenheit war** und habe dann genau das am Strand gemacht (Update: Das Wasser ist arschkalt!), bevor ich mir was zu essen geholt*** und mich damit ins Hotelzimmer verzogen habe. Tag vorbei! 

Fußnoten:

*Ich hatte eine alte Frau einfach freundlich angelächelt, woraufhin sie mich ziemlich giftig gefragt hat, was es denn zu lachen gäbe. Ich meinte dann nur "Ach der Aufstieg zu dem Pavillon war so anstrengend" und dann sie "Aigu" (das heißt so viel wie "ach Gottchen"), setzte sich neben mich und fasste mir einfach in die Haare während sie sich mit ihrer Freundin unterhielt. Irgendwie seltsam und ein bisschen übergriffig. 

**Der Busfahrer ist so rasant gefahren, dass man selbst im Sitzen herumgeschleudert wurde. Ein Mann, der aussteigen wollte, ist dann bei einer Vollbremsung richtig doll gegen mich gestürzt. Konnte er natürlich nix für, aber mir hat ganz schön der Schädel gebrummt. 

***Die Verkäuferin in dem Laden war so süß, sie war ganz begeistert, dass ich auf Koreanisch bestellt habe und nach den üblichen Fragen (woher kommst du, wieso kannst du die Sprache) gab sie dann ihre zwei Brocken Deutsch zum besten. Mit richtig guter Aussprache! 😊 Da hab ich sie auch erst mal gelobt. Das war eine schöne Interaktion am Ende des Tages. 

Goodbye Sokcho! 

Mittlerweile ist es Sonntagmorgen und während ich das alles schreibe, sitze ich schon im Bus zurück nach Seoul. Ich bin nämlich später noch mit Freunden verabredet. Dieser Busfahrer fährt übrigens ganz normal, also keine Sorge! 😅

Damit ist nicht nur mein kurzer Ausflug ans Meer vorbei, sondern auch die Hälfte meiner Reise! 

Mein Fazit zur Halbzeit:

Ich denke, das Korea nun für mich ein bisschen entzaubert wird. Was ich damit sagen will: Es ist für mich jetzt nicht mehr dieses Wolkenschloss aus den (kitschigen) Dramas, die ich verschlungen habe, sondern ein richtiges echtes Land, mit guten und weniger guten Seiten, mit ganz normalen Menschen, von denen viele unglaublich nett, hilfsbereit und interessiert sind, aber manche eben auch keine Lust auf Ausländer haben oder nicht so richtig wissen, wie sie mit Leuten umgehen sollen, die sie nicht richtig verstehen. 

Ich finde diese Entwicklung gut. Ich habe das Gefühl, dass ich nicht mehr durch eine rosarote Brille auf das Land schaue und es gefällt mir trotzdem sehr gut. (Aber ich bleibe auch bei meiner Aussage, hier nicht leben und arbeiten zu wollen.)

Ich merke auch, dass ich ein bisschen "reisemüde" werde im Sinne von "es sind jetzt erst mal genug neue Eindrücke". Deshalb freue ich mich jetzt auf eine Woche lernen und nette Menschen treffen in Seoul, ohne den Druck, noch irgendwas ganz dringend tun/sehen zu müssen (das meiste davon hab ich ja schon gemacht). Und dann natürlich noch mal eine Woche komplett Urlaub im Süden!! 😊 

Wahnsinn. Ein Monat ist ganz schön lang. Ich freue mich schon auf euch und wünsche euch ein schönes langes Pfingstwochenende! ♥️


Antworten (4)

Lena
Klingt doch insgesamt nach einem guten Fazit! :-) Halbzeit schon, wie schnell die Zeit verfliegt. Viel spass in Seoul 😊

uta
Entwaffnend authentisch! Gibt es eine Medaille für den größten Fan deiner Berichte? Ich möchte mich offiziell bewerben, bitte. Deine Begegnung mit Miran hat mir sehr gefallen, weil sie dir 1. so gut tat und 2. zeigt, welche Schätze Alleinreisen eben auch bergen. Happy Bergfest und schreib weiter! Schöne Pfingsten und liebe Grüße aus der Rammstein-Hauptstadt (4 Konzerte in 1 Woche... 🥴)

Oma und Mama
Da sitzt die "einäugige" Oma mit mir an ihrem kleinen Pflegezimmertisch und wir (lesen und) lauschen deinen interessanten Reiseerzählungen. Wir begegnen dem freundlichen, alten Herrn mit dem Schokoladenkuchen, der unwirschen Frau, die nicht angelächelt werden mag und der reiselustigen Miran. Wir fahren mit dir Riesenrad, futtern seltsame, exotische Speisen und stehen traurig vor den Fischbehältern. Aber, ganz ehrlich, am schönsten finden wir das kleine bisschen Heimweh, was da zur Halbzeit durchblitzt...

Ihr seid ja alle süß 🥰❤️

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