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Bogotá – Santa Marta – Minca – Ciudad Perdida

Veröffentlicht: 19.11.2016

18.11.2016

Ich habe die verlorene Stadt (= Ciudad Perida) also gefunden. Der Weg dahin ist eine mehrtätige Wanderung durch den Urwald in der Sierra Nevada de Santa Marta zu einer der grössten präkolumbianischen Stätten. Ich habe diverse Horrorstorys gehört von Moskitoinvasionen, Schlammlavinen anstelle von Strassen und reissenden Flüssen, die man überqueren muss. Deshalb wollte ich mich zuerst noch ein bisschen auskurieren, da ich noch halb krank aus der Schweiz ankam. Leider fühlte ich mich nach den ersten Tagen in Bogota noch nicht wieder ganz fit, aber den Flug nach Santa Marta (Ausgangspunkt für Ciudad Perdida) hatte ich schon gebucht. Bogotá war aber auch nicht gerade erholsam. Die «kleine» Velotur durch die Stadt, für die ich mich im Hostel angemeldet hatte, war dann eine 5-Stündige Tour durch sämtliche Stadtviertel. Bei den gefährlicheren Barrios sind wir einfach durchgerast und nach Anweisung des Guides mehr oder minder in der Gruppe geblieben. Ich habe mich auf jeden Fall immer schön in der Nähe von den zwei polnisch-kanadischen Hockey-spielern aus meinem Hostel aufgehalten. In der nähe vom Markt gab es einen Halt zum «Tejo» spielen. Das ist so etwas ähnliches wie Boule. Nur dass man nicht eine kleine Kugel treffen muss, sondern man muss mit einem Stein von ca. 20m Entfernung das innere eines Kreises treffen. Die Begrenzung des Kreises sind kleine Papierbriefli gefüllt mit Schwarzpulver. Eintritt muss man keinen bezahlen, aber dafür wird erwartet, dass man mindestens ein Bier trinkt. Wie genau die Punkteverteilung ist, habe ich nicht verstanden, aber das Treffen von einem Briefli scheint erwünscht – es hat von allen Seiten geknallt. Seit dem Jahr 2000 ist Tejo Nationalsport in Kolumbien. Nach der Velotour gab es dann eine ajiaco. Das ist eine Spezialität aus Bogotá. Ich weiss jetzt nicht genau, ob es eine Hühnersuppe, Kartoffelsuppe, Maissupe, Reissupe, Avocadosuppe oder Kapernsuppe ist. Auf jeden Fall sind das die Zutaten, die ich identifizieren konnte. Danach war ich wieder gesund. Der Flug nach Santa Marta verlief erstaunlich reibungslos. Von einer Airline namens «Viva Colombia» und für 50.- Franken hätte man auch anderes erwarten können. In Santa Marta selber gibt es nicht viel zu tun. Die meisten Touristen sind dort, weil sie zum Nationalpark Tayrona oder in die Sierra Nevada gehen. Bevor ich den Treck zur Ciudad Perdida in Angriff nahm, ging ich noch nach Minca. Das ist ein kleines Kaffeedörfli 600m.ü.m. Dort wollte ich auch noch eine kleine Wanderung machen. Ich hatte noch nichts gelernt von den kolumbianischen Zeitangaben und so waren wir dann auf der ca. 5-Stündigen Wanderung gut 10 Stunden unterwegs. Wobei wir aber fast zwei Stunden Mittagspause machten auf 1200m.ü.m, weil es da so schön kühl war und die Aussicht einfach super. Ich war mit zwei Schweizern und einem Österreicher unterwegs, die alle nicht langsam liefen.. Das Nachtlager war quasi mitten im Urwald, das Haus hatte keine Wände, es gab nur Moskitonetze ums Bett und eine sehr tropische Geräuschkulisse. Zurück in Santa Marta hatte ich dann noch einen Tag Zeit, um den Muskelkater auszukurieren, bevor ich auf die lange Wanderung ging, da ich meine Wäsche vorher noch zum waschen abgab und warten musste. Am nächsten Morgen haben mir die Putzfrauen erzählt, dass sich in meinen Kleidern eine Schlange versteckt hatte. Sie schienen mir ein bisschen hysterisch, obwohl die Vorstellung, dass ich da den ganzen Weg eine Schlange im Rucksack hatte jetzt auch nicht sehr attraktiv war. Aber es ist ja nicht gleich jede Schlange giftig und sie sei auch sehr klein gewesen. Am nächsten Tag ging es dann auf den Weg zur Ciudad Perdida. Die Wanderung kann man in 3, 4 oder 5 Tagen machen. Die insgesamt 45km tönten jetzt nicht nach wahnsinnig viel. Aber angesichts der hohen Luftfeuchtigkeit und den möglicherweisen nicht ganz so exakten Angaben (man lernt ja), entschied ich mich für die 4-Tagesvariante mit Wiwa-Tours, dem einzigen Anbieter, der von Indigenen geführt wird. Wiwa ist ein Stamm der Tayrona, dem indigenen Volk dieser Region. Sewimaku war Guide unserer 6-Köfpigen (und ausschliesslich spanischsprechenden..) Gruppe. Wie alle Tayrona trug auch er seine Tasche mit Kokablättern und seinen ausgehölten Kürbis mit Muschelstaub mit sich. Mit einem Stab, der im Kürbis «gedippt» wird nehmen sie zusätzlich zu den Kokablättern den alkalischen Muschelstaub zu sich, welcher mit den gekauten Kokablättern reagiert. Das kann mir dann ja ein Chemiker vielleicht noch genauer erklären. Auf jeden Fall können die Tayrona damit stundenlang ohne zu Essen laufen. Ich hatte zum Glück noch ein paar Farmer im Rucksack. Mit dem Stab wird die Speuz-Koka-Muschel-Mischung dann aussen auf den Kürbis aufgetragen, wodurch eine immer grösser werdende Schicht entsteht, welche Weisheit symbolisiert. Sewimaku hat uns geduldig unsere Fragen beantwortet, wobei ich mir nicht immer sicher war, ob mein Spanisch gut genug ist und ob ich das alles richtig verstanden habe, aber ich hab es extra noch einmal nachgelesen, das mit dem Poporo (=Kürbis) ist also tatsächlich so.. Die Wiwa sind alle ganz weiss angezogen (ein Rätsel – meine Kleider waren alle am ersten Tag schon dreckig..), haben alle lange Haare und sind im Schnitt ca. 1 Kopf kleiner als ich. Alle, die ich getroffen habe, waren sehr ruhige und sympathische Menschen. Einige sprechen gut Spanisch und sind sehr offen, wenn man sich für ihre Kultur interessiert. Und sie können stundenlang weit und schnell laufen, ohne etwas zu essen… Aber auch ohne Doping war die Wanderung gut machbar. Am ersten Tag mussten wir nur etwa 4h laufen und beim Camp gab es einen Wasserfall mit natürlichem Pool, wo man sich erfrischen konnte. Die kleine Schlange, die dort auf dem Stein lag, sah ganz harmlos aus, sei aber innert 24h tödlich, hat man mir erklärt. Vielleicht waren die Frauen aus meinem Hostel doch nicht hysterisch? Das Essen wurde mit Maultieren transportiert und zwischendurch gab es immer mal wieder frische Früchte und die Flussüberquerungen waren eine angenehme Abkühlung. Gut ausgerüstet mit ordentlichem Moskitoschutz (und einem Schweizer Wasserfilter!) war es eigentlich fast schon ein Spaziergang.. Naja, man muss schon auf einige Annehmlichkeiten verzichten. Nach dem zweiten Tag war es dann auch schon relativ egal, wie die Kleider aussahen geschweige denn rochen, Hauptsache trocken. Die Ciudad selber fand ich recht beeindruckend. Zwar stehen die Häuser nicht mehr, aber die Grundmauern in Kreisen und Ovalen angeordnet sowie die Treppe mit über 1200 Stufen sind gut erhalten. Ein Grossteil der Stadt ist noch nicht ausgegraben und aktuell wehren sich die Indígenos, die dort leben auch dagegen. Die Stadt wurde erst in den 70er von Grabräubern wiederentdeckt, danach als Grasplantage genutzt und von Rebellen besetzt. Wir kamen auf dem Weg bei verschiedenen Dörfern der Kogi (auch ein Stamm der Tayrona) vorbei. Was mich ein bisschen gestört hat, war der Kontakt zu den Leuten dort. Ich glaube, die wollten gar keinen, aber es sind wahrscheinlich schon zu viele Touristen vorbeigekommen. So rannten die Kinder auf uns zu und fragten nach Süssigkeiten. Im Gegenzug durfte man ein Foto von ihnen machen. Und es kommen jeden Tag Wanderer dort vorbei.. Ich hatte meine Farmer eh schon aufgegessen. Es gab aber Touris, die den Kindern irgendwelches Zuckerzeug gaben und ihr Foto machten. Danach sind sie aber sofort wieder weggerannt und die Erwachsenen haben sich gar nicht erst blicken lassen. Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich mehr Zahnpasta mitgenommen.. Die Wanderung ist auf jeden Fall ein Erlebnis, wenn auch keine lebensverändernde Grenzerfahrung, wie einige Leute behaupten. Trotzdem habe ich mich jetzt mal in Richtung Strand begeben. Man kann sich ja auch erholen, ohne dass es irgendwo wehtut.

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