Veröffentlicht: 09.03.2023
Der Flug von Delhi nach Dehradun war so kurz, wie er nur sein kann: 30 Minuten Flugzeit, wo das eine Autofahrt 5 Stunden gedauert hätte. Wir stiegen aus dem Flieger in die warme Luft und sahen zum ersten Mal die Berge. Die hatten zwar mit dem Himalaya-Panorama noch nichts zu tun, gaben aber eine tolle Kulisse und machen auch aus unserem Hotelzimmerfenster richtig was her.
Eine große Gruppe der Hochzeitsgäste kam mit zwei fast zeitgleich landenden Fliegern an und nach herzlicher Begrüßung und kurzem Austausch über die Reiserouten stiegen wir in die bestellten Taxis und machten uns auf den Weg nach Rishikesh, wo neben der Hochzeit noch einige andere spannende Aktivitäten bevorstanden. Alles war vom Hochzeitspaar akribisch durchgeplant und super vorbereitet. Die Gäste wurden mit mehreren PDFs darauf vorbereitet, was man wann anziehen sollte, von welchen Speisen man sich fernhalten sollte und wie der zeitliche Ablauf war.
Die Ankunft klappte somit hervorragend. Alle Taxen standen bereit und los ging es von Flughafen zum Hotel in Rishikesh, eine etwa 30-minütige Autofahrt, die schon etwas entspannter war, als die Fahrerei in Delhi. Es wurde sich herzlich umarmt, unter Tränen begrüßt, bevor es schon ziemlich geradlinig zum ersten Programmpunkt ging: Henna‘s für die Damen. Also zumindest planmäßig, da wir ja aber in einer fortschrittlichen Gesellschaft leben, durften sich auch die willigen Männer die Arme tätowieren lassen. Das ganze passiert mit aus mit einer pflanzlichen Paste, die wie beim Tortenverzieren mit einem Spritzbeutel aufgetragen wird. Die beiden „Künstler“ malten gekonnt und zügig schöne Kreationen auf die Hände und Arme. Natürlich wurde sofort verglichen und begutachtet, immer mit Vorsicht die Paste nicht zu verwischen, bevor sie trocknete und knapp 2 Stunden später alleine abbröckelte. Das machte tatsächlich Essen etwas schwieriger, letztlich war der ganze Boden voll mit schwarzen Krümeln.
Viele der Gruppe genossen ihr erstes indisches Essen, Karsi wusste schon, dass der Magen wohl mit dem Abendessen etwas kämpfen wird.
Arri und Jürgen, das Hochzeitspaar in spe, richtete noch ein paar Worte an das Volk und erläuterte den Ablauf. Anscheinend hatten nicht alle Anwesenden das 3164-seitige Dokument vollständig verinnerlicht und so wurden noch letzte Fragen zu Farb- und Kleiderwahl geklärt. Da die kommenden Tage eher gut gefüllt waren und es während der gesamten Hochzeitszeremonie eh keinen Alkohol gab (was besonders der polnischen Fraktion sauer aufstieß :P ) machten sich alle auf den Weg ins Bett. In unserem Fall hatten wir noch einen etwa 10 Minuten Fußweg in ein anderes Hotel zu bestreiten.
Der nächste Morgen startete zeitig, als sich die Gruppe am Hoteleingang traf, um gemeinsam an dem Ufer des Ganges, dem heiligen Fluss, Yoga zu machen. Rishikesh wird als Hauptstadt des Yogas mit unzähligen Hotels mit Kursen, Anwendungen, spirituellen Aktivitäten und Ausflügen, Ritualen entlang des Flusses und klosterähnlichen Einrichtungen für Gläubige gehandelt. Das war auch der Grund für das „Alkoholverbot“ und das durchweg vegetarische Essen.
Da unsere Yogalehrerin sehr gefragt und daher etwas spät dran war, mussten wir uns mit „chanting“, einem spirituellen rhythmischen Gesang, die Zeit vertreiben. Die Yoga-Einheit selbst war spannend, besonders an diesem heiligen Ort in der wärmer werdenden Sonne. Allerdings war es für Karsi schon eher eine kämpferische Sporteinheit, während Lotti es wohl etwas mehr genießen konnte. Nach 30 Minuten war der Spuk vorbei, wir zottelten zum wohlverdienten Frühstück und waren bereit für die geleitete Führung durch Rishikesh, auf der wir mit einem Boot den Fluß übersetzten, wieder viel über die Religion und die Verbindung der Menschen zu dem Fluss erfuhren und Zeit hatten auf dem Markt zu bummeln. Während viele der Gruppe zum Mittagessen in ein Restaurant gingen, nutzten wir die Zeit die Marktstände auszukundschaften ohne etwas zu kaufen, waren aber immer wieder überrascht über die Preise, und die Füße in den Ganges zu halten, der nach Glaube eine „reinigende“ Wirkung haben soll…Rein spirituell gesehen.
Nach dem Mittag ging die Führung weiter und endete schließlich am Fluss, wo wir einem hinduistischen Aarti-Ritual beiwohnten, bei dem den Gottheiten unter Singsang das Feuer der Kerze dargeboten wird. Wir verfolgten das doch sehr beeindruckende Schauspiel, bevor wir unsere Blumenschiffchen mit Kerze auf dem Ganges auf die Reise schickten.
Zurück zum Hotel und Abendessen ging es in 6er Gruppen mit dem 3rädrigen motorisierten Tuk-Tuk. Wir saßen noch einen Augenblick beisammen, bevor wir wieder recht zeitig ins Bett gingen, um für die anstehenden Zeremonien am kommenden Tag fit zu sein. Ein gelungener Start in Rishikesh mit einer spannenden Tour, Leckereien wir Rohrzucker-Saft, einer Kokusnuss und Gebäck vom Straßenverkäufer.
Der Tag, der unsere Reise nach Indien initiierte, ist gekommen. Aber bevor die Hochzeitszeremonien anfingen, durften wir uns nochmal mit einer Massage und einem anschließenden „Dampfbad“ verwöhnen lassen. Das Dampfbad war eine Holzkiste, in der man sich auf einen Hocker setzte und nur der Kopf rausschaute. Schnell wurde eine recht heiße Temperatur in der Box erreicht! Es war eine lustige und angenehme Erfahrung.
Lotti wurde während der Massage überrascht, in dem ihr bestimmt ein Liter Öl in die Haare bzw. die Kopfhaut einmassiert wurden… das musste sie nach der Massage versuchen ohne Shampoo auszuwaschen, da die erste Zeremonie direkt im Anschluss beginnen sollte.
Pünktlich um 10.30 Uhr standen wir alle in gelber Kleidung auf dem mit tollen Blumen, Studentenblumen, dekorierten Balkon bereit für die sogenannte Haldi Zeremonie. In diesem Ritual wird das weiß gekleidete Brautpaar von den verheirateten (!) Familienmitgliedern und verheirateten Freunden (!) mithilfe einer Gewürzmischung / -paste gesegnet - im Gesicht, an den Armen, Händen, Beinen und Füßen. Der Hauptbestandteil der Paste ist Kurkuma und wirkt somit einerseits antientzündlich und andererseits reinigend, sodass das Brautpaar danach sauber und strahlend die Ehe schließen kann. Arri und Jürgen durften danach alle unverheirateten Gäste mit der Paste segnen.
Anschließend wurde bei lauter Musik und einer ausgiebigen Trommeleinheit ausgelassen getanzt, gefeiert und gelacht. Da die Sonne langsam immer heißer wurde und wir uns alle noch schick machen mussten, trennten sich kurzzeitig die Wege und alle suchten ihre Hotels auf.
In Schale geschmissen - bei Karsten der Kurta und bei Lotti der Saree jeweils aus Agra - trafen wir dir Hochzeitsgesellschaft im beeindruckenden Divine Resort, direkt am Ufer des Ganges. Alle sahen bezaubernd in ihren farbenfrohen, tollen Trachten aus. Einige Paare waren sogar so herausgeputzt, dass sie für das Brautpaar gehalten wurden. Die Zeit vor der Havan Zeremonie konnten wir für das Machen von Fotos nutzen.
Arri und Jürgen sahen bezaubernd aus - sie waren kaum wiederzuerkennen! Im Laufe des abends erzählte Arri, dass ihr dreiteiliges Kleid, bestehend aus einem Schleier, einem Oberteil und einen Rock, insgesamt 10 kg wiegt! Die Schwere des Schleiers konnten wir durch die eingeschränkten Kopfbewegungen erahnen. Beide Outfits waren mit etlichen Elementen sehr filigran bestickt und glitzerten in der untergehenden Sonne.
Während der Zeremonie wurden verschiedene Schritte durchlaufen. Es wurden Segnungen der Eltern, der neun Planeten und der hinduistischen Gottheiten durchgeführt. Das Paar gab einander sieben Versprechungen und umrundete derweil das vom Priester entzündete und gesegnete Feuer insgesamt sieben mal. Die Zeremonie war aufregend und ganz anders als alles was wir kannten. Natürlich wurde nicht alles übersetzt, sodass wir uns von den Schritten etwas überraschen ließen.
Im weiteren Verlauf des Abends gab es nach ein paar kurze Reden, ein hervorragendes, vielfältiges Buffet, tolle Gespräche mit einzigartigen Gästen aus verschiedensten Ländern und eine tolle Stimmung auf der Tanzfläche. Eigentlich sollte die Hochzeitsgesellschaft gegen 22.30 Uhr die Örtlichkeit verlassen… durch die überzeugende, humorvolle Art einiger Freunde von Jürgen wurden wir jedoch weitere 2 Stunden geduldet - sogar die eigentlich verbotene Lautstärke der Musik konnten wir mithilfe eines eigenen, etwas leiseren Lautsprechers weiterlaufen lassen.
Was für ein aufregender, eindrucksvoller, emotionaler und rundum hervorragender Tag!!!
Der letzte Tag in Rishikesh - unglaublich, wie die Zeit davon rennt. In möglichst heller Kleidung liefen wir zum Dewa Retreat um alle anderen beim Frühstück zu treffen. Lotti wurde nach einer Gratulation zum Holifestival von einer Servicekraft mit einigen Farben im Gesicht bemalt.
Das Holifest feiert den Sieg der Gottheit Vishnu über die Dämonin Holika (daher der Name) - also grundsätzlich den Sieg des Guten über das Böse - in allen bunten Farben, die es so gibt! Es ist ein wichtiges und sehr beliebtes Fest, was allerdings auf offener Straße teilweise eskaliert, weshalb wir in geschlossener Gesellschaft im Divine Resort feierten. Der Weg dort hin war aufregend. Viele Menschen gratulierten zum Holifest und bewarfen einander im Anschluss mit den bunten Farben. Es gab auch einige Menschen, die uns mit Wasserpistolen und -ballons beschossen/ bewarfen. Alle, auch die vorbei rauschenden Motorradfahrer und herumtrödelnden Kühe, waren bunt angemalt!
Im Divine Resort tanzten, aßen, erzählten, lachten und entspannten wir - alles bei grandiosen Wetter und einem phänomenalen Ausblick auf den heiligen Ganges! Auf der Tanzfläche wurde gelegentlich eine „Regendusche“ angemacht, sodass alle „gereinigt“ wurden und anschließend neue Farbe bekommen konnten.
Im Vorfeld wurde uns gesagt, das Fest wäre um 15.00 Uhr vorbei - auch auf den Straßen. Leicht skeptisch machten wir uns auf den Weg zurück ins Hotel: Tatsächlich gab es niemanden mehr, der ungefragt mit Farbpulver um sich warf. Stattdessen sah man überall Menschen mit bunten Haaren, Gesichtern und farbenfroher Kleidung. Von der hellen Kleidung heute morgen war kaum noch was zu sehen!
Nach einer Dusche mit viel schrubben sahen wir bis auf ein paar hartnäckige Stellen blitzeblank aus. Zu zweit machten wir noch einen letzten Abstecher zum Ganges, bei dem wir glücklicherweise noch das Ende eines Arti Rituals erhaschen konnten. Anschließend ging es zum Abendessen mit allen anderen, wo wir uns von allen verabschiedeten. Natürlich war es schade nicht noch ein bisschen mehr Zeit mit allen verbringen zu können, aber wir freuten uns natürlich auch auf unsere Reise nach Nepal, sodass der Abschied nicht ganz so schwer fiel. Außerdem sehen wir (fast) alle im Juli in Polen zu Hochzeitsfeier Nummer 4 wieder!
Nach einer weiteren kurzen Nacht, sollte uns ein Taxi um 6.30 Uhr am Hotel abholen. Ganz nach indischen Zeitverständnis traf er um 6.50 Uhr ein. Die Fahrt ging sehr schnell und wir waren pünktlich am Flughafen. Nun muss nur unser Umstieg in Delhi mit der Gepäckabholung im Cloak Room noch klappen. Aktuell stehen die Chancen gut - unser Gepäck ist aufgegeben und wir stehen vor der Passkontrolle ins internationale Terminal!