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Falmouth den18.08.2019

Veröffentlicht: 18.08.2019

Der Wetterbericht für Samstag war nun nicht so toll. Wind aus West bis Südwest um 4 bis 5 Bft. Am Sonntag wäre der Wind dann noch stärker. Ich (er!) entschied mich daher doch am Samstag früh abzulegen und irgendwie nach Falmouth zu gelangen. Unter der Küste hoffte ich auf Windabdeckung. Wie geplant sind wir dann pünktlich um 08 Uhr aus Plymouth los. Ein anständiger frischer Wind (5 Bft) genau auf die Nase. Mit ablaufendem Wasser und im Hafen hatten wir noch 5 Knoten. Nachdem wir die Hafeneinfahrt hinter uns hatten, bekamen wir die volle Wellenhöhe von 2,30 m zu spüren. Die Gischt überschüttete uns. Wir setzten das gereffte Groß, um hoch am Wind unter Maschine aus der Bucht zu kreuzen. Mit ablaufendem Wasser erreichten wir sogar 5 Knoten. So erkämpften wir uns Meile um Meile. Um 10 Uhr ließ der Wind etwas nach, aber nicht die Wellenhöhe. Mit der Gezeitenströmung erreichten wir aber weiterhin 5 Knoten im Durchschnitt. Um 16 Uhr passierten wir Gorran Haven 1 nm stb. quer ab. Der Wind hatte moderate 15 Knoten und die Sonne schien - nur es gab keine Windabdeckung, da der Wind jetzt voll aus SW kam. Wir setzten die Segel, schüttelten das Reff aus dem Groß und kreuzten die restlichen Seemeilen nach Falmouth. Herrliches Segeln mit 7 Knoten nach Logge. So erreichten wir um ca. 19 Uhr Falmouth. Aus den ca. 40 nm direkter Entfernung wurden dann bald 65 nm - aber wir erreichten doch glücklich den Hafen und sind gleich bis Falmouth Marina durch- gefahren, wo wir glücklicherweise noch einen Liegeplatz bekamen. Um 21 Uhr sind wir total müde in die Koje gefallen und haben bis 8 Uhr am nächsten Morgen geschlafen. Den Sonntag haben wir uns dann Falmouth angeschaut, eine schöne Stadt mit einer langen Einkaufszone. Wir bereiteten dann noch alles für die Biskayaüberquerung vor: Die Aries wurde eingestellt, Wasser aufgefüllt - wer weiß wie lange wir brauchen werden. Der Einkauf muss auf Montag morgen um 8 Uhr verschoben werden, da heute am Sonntag der Supermarkt um 16 Uhr geschlossen wurde - was wir leider verpassten. Also morgen noch Einkaufen, dann noch Tanken und dann los. Wetterbericht ist moderat. Für Morgen und Übermorgen West bis NW um 4. Danach in der Biskaya abnehmend 3 - 4 Bft. rechtsdrehend. Wir bräuchten für die 425 nm (nautische Meilen) bis La Curunja ca. 4 Tage. Evtl. gehen wir aber auch gleich weiter um Kap Finistre in eine der vier Flussmündungen der galizischen Küste. Von dort ist es dann nicht mehr weit bis Porto. Von Porto bis Lissabon wären es dann noch einmal 2 Tage bis 3 Tage. Dort würde ich die Taishan ins Winterlager geben wollen. Ein Skipper erzählte mir, dass ein Bekannter seine Segelyacht in Almada in einer privaten Werft für relativ günstiges Geld untergestellt hat. Dort würde ich dann auch den Motor überholen lassen - wenn er denn solange durchhält. Aber wir wollen ja segeln ;-).

Wie gefiel mir England?

Der Aufenthalt in England war geprägt von einigen Reparaturen. Diese gaben uns aber auch die Gelegenheit viele Gärten und Herrenhäuser zu besichtigen. Südengland hat wirklich eine - beautiful Landscape. In jedem Dorf gibt es noch einen Pub, indem sich auch die jungen Leute treffen. Es scheint noch funktionsfähige Dorfgemeinschaften zu geben. Die Familien kennen sich seit Jahrhunderten. Ab und an kommen auch neue Bewohner aus dem Großraum London dazu, die sich die dortigen Preise für den Wohnraum nicht mehr leisten können. Aber diese werden auch schnell assimiliert - häufig durch Sportvereinigungen wie Kricket und Fußball und vergrößern den Genpool. 

Der gemeine Engländer ist ein durch und durch höflicher Mensch - dies gilt für die Männer sowohl  als auch für die Frauen. So bedankt sich jeder Passagier eines normalen Linienbusses persönlich beim Aussteigen beim Busfahrer mit einem netten "Thank you - have a nice day ". Habe so aus Spaß mal einige Engländer angerempelt um zu sehen, wie diese reagieren. Jedesmal kam ein Sorry von dem Angerempelten.

Dann haben diese Briten eine besondere Affinität zu Hunden und zu Fish and Chips. Diese Liebe zu ihren Pats führt zu solchen Absurditäten wie Hundewagen (wie Kinderwagen) in denen ihre Lieblinge durch die Gegend geschoben werden - und dies gilt für gesunde Hunde.

Kinder gibt es allerdings auch. Diese wachsen mit den Familienhunden auf und können sich so gegen alle möglichen Krankheitskeime immunisieren. Der - oder die Familienhunde haben alle Rechte wie ihre anderen Rudelmitglieder. So sitzen die Hunde gleichberechtigt mit am Tisch - selbst in einigen Pups konnte ich beobachten, wie die Hunde mit der Schnauze den Tisch - oder besser den Teller ableckten. Nun habe ich nicht in die Schlafzimmer geschaut, aber ich wette, dass ihre Lieblinge (und hier meine ich die Hunde) auch ihren festen Platz im Ehebett haben. So gibt es auch in jedem Pupp eine Bonbonniere mit Hundekeksen und vor jedem Shop steht eine Hundenapf mit Wasser, damit die Lieblinge nicht verdursten.

Aber auch ihre Kinder werden gut behandelt - so konnte ich während meiner Zeit in England kein mal beobachten wie ein Kind geschlagen wurde. Auch waren keine blauen Flecken bei Kindern an den Sandstränden zu erkennen.

Die Engländer scheinen auch sehr vermehrungsfreudig zu sein, da schon einige Frauen mit einem dicken Bauch beobachtet werden. Allerdings - die Ess- und Fressgewohnheiten der Engländer haben folgenschwere Auswirkungen. Im Gegensatz zu den Männern sind sehr, sehr viele geschlechtsreife Mädchen und junge Frauen übergewichtig. So sieht man viele Spargeltarzane (die wahrscheinlich Fußball oder Kricket spielen) mit tonnenschwere Freundinnen (die sich die Chips und den Fünfuhrtee mit Kuchen versüßen) Hand in Hand durch die Straßen flanieren. Ob diese nun schwanger oder nur fett sind, lässt sich dabei nur schwer unterscheiden. Gemeinsam sind Männlein und Weiblein die vielen Tatoos. Das Schönheitsideal der männlichen Engländer scheint doch etwas verschroben zu sein. Sie müssen fette Frauen mit Tatoos lieben, die häufig so enge und kurze Kleider tragen, dass keine Wünsche offen bleiben.

Ansonsten ist es hier sehr sauber und im Unterschied zu Deutschland auch etwas teurer. Das Pfund schmiert grade ab und nähert sich einem Umtauschkurs von 1 : 1, wegen des Brexits. Aber das macht den meisten Engländern nichts. Sie würden auch ökonomische Nachteile in Kauf zu nehmen - wenn sie dafür ihren Stolz auf sich und auf das Empire behalten dürfen.

Man merkt schon, dass viele Argumente der Medien, die durchweg eurokritisch sind, beim Durchschnittsbriten ihre Wirkung hinterließen. Sie sehen die EU als reinen ökonomischen Verbund und denken, dass ihre Zahlungen an die EU keine Vorteile bringen. Alles Negative wurde der EU angelastet! Nun - es bleibt spannend, da Borris Johnson den Brexit am 31. Oktober durchziehen will - komme was wolle.

Trotzdem bleiben die Briten sehr liebenswert. Sie können stolz auf ihre Nation sein (haben ja auch alle Kriege gewonnen ;-)) und auf ihre wunderschönen Städte und Landschaften. Wenn das Wetter nicht wäre - ein ideales Land zum Auswandern - wenn die Engländer es denn dann noch zuließen.


Anettes P.S.:

Den Skipper - ausser im Logbuch -  zwei Beiträge in Folge von Mitseglern Unkommentiertes, Unwidersprochenes publizieren zu lassen, weckt ganz automatisch Bedenken und rührt an die meine journalistische Ethik und mein angeborenes Mitteilungsbedürfnis. Im Grunde sind wir uns allerdings einig - als ellenbogenbewährte, trampelige Deutsche hat uns die Freundlichkeit, die unerwartete überraschende Hilfsbereitschaft und nie endende Höflichkeit der Engländer daran erinnert, wieviel schöner das Leben mit einem netten, freundlichen Wort sein kann. Wieviel runder läuft doch so ein Tag mit einem extra Schwätzchen, zu dem jeder Engländer in nahezu jeder Situation jederzeit aufgelegt ist. Wie stimmungsfördernd sind doch die kleinen lächelnden Belanglosigkeiten, die mal eben im Pub,  an der Bar, im Supermarkt an der Kasse und erst recht im Hafen ausgetauscht werden. Einfach herrlich, die Hände all dieser unfassbar reizenden Jamies, Jordons, Mirandas, Michelles, Edwards, Catherines und Mikes geschüttelt haben zu dürfen. Für einen Moment  - und dann geht man auseinander und wünscht sich noch ein gutes Leben.

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