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Die letzten Tage in Russland

Veröffentlicht: 23.06.2019

Am Freitag bin ich also von Olchon nach Irkutsk zurückgefahren um die letzten Tage in der Stadt bzw. am Festland zu verbringen.

Die Fahrt war erlebnisreich: Normalerweise bin ich ja spät dran aber der Bus von Olchon nach Irkutsk hat meine Unpünktlichkeit getoppt. Ich war mir schon sicher, dass ich eine weitere Nacht auf der Insel verbringen muss und da trifft er ein. Kein Geländebus wie alle anderen, sondern ein normaler Lieferwagen. Ich denke mir, wie bitte soll der diese Schotterpisten überstehen?! Aber egal, hauptsache nach Irkutsk ins tolle Hostel. 

Als wir losfahren merke ich, dass der Fahrer Ahnung hat. Er nimmt jede Abkürzung und fährt schnell. Ob die bereits mehrfach gesprungene Windschutzscheibe die Fahrt überlebt? 

Nach mehreren Malen Abbiegen und mitten in der Prärie halten wir plötzlich an. Alle sind verdutzt, als sich die Türe öffnet und ein Typ mit Russia-Trainingsanzug und Latschen (solche wie sie im Zug tragen) einsteigt. Er sieht völlig zerfleddert und so als ob er die Nacht durchgefeiert hätte, aus. Er riecht auch so...! 

Woher der kommt, was der macht? Keine Ahnung... Die Weiterfahrt gestaltet sich ebenfalls nicht langweilig. Neben bei der Rast vergessenen Handies, weswegen wir  eine halbe Stunde Fahrtzeit verloren haben, weil wir umkehren mussten, durchdrehenden Reifen beim Bergauffahren und kleinen Ausraustern von dem zugestiegenen Typ, rumpelt es ordentlich sodass an Schlafen bei 7,5 Std Fahrt (für mich übrigens wieder mit angewinkelten Beinen über dem Hinterrad) nicht zu denken ist. 

Nach diesem Ritt gönne ich mir am Samstag einen Tag Pause mit den üblichen Dingen: waschen, einkaufen, Kaffee trinken und dabei Menschen beobachten 😉

Heute morgen sollte es aber nochmal an den See zum Wandern gehen. Ich will um 8 Uhr losfahren, suche aber bis um 9 Uhr die Bushaltestelle. Dann aber los! Es regnet und ist komplett neblig. Als ich in Listvyanka ca. 1,5 Std Fahrt von Irkutsk ankomme, kann ich hinter dem Nebel nur vermuten, dass hier der Baikalsee sein soll... ich habe mir eine Wanderung auf dem Great Baikal Trail nach Bolshie Koty, ein kleines Dorf, ca. 20km entfernt, als Ziel gesetzt. Nach den 40 km am Mittwoch schaff ich das ja wohl mit links, denke ich mir. Auf den ersten 5 km steiler Anstieg im nebligen Wald bzw Dickicht kommt mir keine Menschenseele entgegen. Ich bin nervös, frage mich, ob ich richtig laufe, kein Handyempfang... Na toll! Plötzlich ein Schild und ich weiß ich bin richtig. Jedoch lese ich auch, dass ich eine Genehmigung brauche, um weiterzulaufen. Keine Schilder sind je auf englisch, aber das schon! Egal, ich laufe weiter, denn wenn ich jetzt umdrehe, schaffe ich es nicht rechtzeitig zur Fähre in Bolshie Koty, die mich wieder zurück nach Irkutsk bringen soll. Weitere Kilometer und immer noch niemanden gesehen. Nun beginne ich Fährten zu lesen. Ich will wissen, ob vor mir heute früh bereits jemand unterwegs war bzw ist und warum ich eigentlich eine Genehmigung brauche? Kann vielleicht etwas passieren und sie wollen wissen, wer unterwegs ist? Oder gibt‘s vielleicht Bären und wenn sie kürzlich gesichtet wurden, bleibt der Trail für einige Tage zur Sicherheit gesperrt? Wenn man so alleine im Wald bei Nebel läuft, kommt man auf so einige dumme Gedanken...! Das Pfefferspray in meiner Jackentasche macht mir Mut und lässt mich weiterlaufen. Ich singe laut „All by myself“ und lache mich selbst aus. Und wie es das Schicksal so will, treffe ich ein paar Meter weiter eine Wandergruppe aus Deutschland. Es ist also doch jemand unterwegs und der Trail ist nicht wegen Bären gesperrt! 😉

Ich laufe weiter. Nun geht der Weg steil abwärts und vor lauter Freude, dass alles gut ist, werde ich unvorsichtig und rutsche aus. Es legt mich ordentlich hin! Durch den Regen und Nebel ist alles sehr glitschig. Mein Oberschenkel tut weh und auch der Waldboden hat etwas Schaden genommen, aber weiter geht’s! Jammern bringt ja eh nichts, wenn niemand zuhört 😄

Ich laufe hoch, runter, mal ans Wasser, der See schaut mystisch aus im Nebel, an Strände, und Klippen entlang. Nach 5 Std komme ich in Bolshie Koty an und freue mich. Zu früh, denn mir wird übersetzt, dass ich heute (!!) nicht mehr mit der Fähre zurückkommen kann, alles sei ausgebucht. Bitte??? 

Ich bin entsetzt und bitte die Dame von der Fähre mir zu helfen. Sie lässt mich ordentlich abblitzen und zeigt mir deutlich, dass ich mich vom Acker machen soll. Das verstehe ich auch ohne russische Sprachkenntnisse. Sofort schießt mir durch den Kopf, dass ich den Weg zurücklaufen muss und zwar in 3,5 Std, sodass ich den Bus zurück nach Irkutsk noch bekommen kann. Nie im Leben schaff ich das! Ich sehe mich in Bolshie Koty übernachten und den Zug in die Mongolei am Montagmorgen ohne mich abfahren. Scheiße!!

Es gibt noch ein paar Weitere, die auch die Fähre nehmen wollen. Sie diskutieren immer noch mit dem Fährpersonal und werden teilweise schon handgreiflich. Es ärgert also nicht nur mich. 

Das Boot sollte um 16 Uhr ablegen und nach weiterem lauten Geschrei und viel Gezuchtel werde ich auf das Schiff gerufen. Nicht freundlich gebeten, sondern aufgefordert! Ich gehe an Bord, bezahle und stelle keine weiteren Fragen!! Puh! 

Sie werfen mich in Listvyanka raus. Na toll, das ist nicht Irkutsk, aber immerhin die richtige Richtung. Nun muss ich mich nur noch erinnern, wo der Bus morgens im Nebel hielt, um dort wieder einzusteigen. Ich laufe ca.1,5 km als mir plötzlich ein Minibus mit der kyrillischen Aufschrift „Irkutsk“ entgegenkommt. Noch bevor ich Trübsal blasen kann, dass der Bus ohne mich fährt, reiße ich meine Arme hoch und wedele. Vielleicht hilft es ja?! Und tatsächlich der Bus hält ein paar Meter weiter an und ich darf einsteigen. Halleluja! 1,5 Std später in Irkutsk bin ich glücklich, dass ich mit nur einem blauen Fleck am Bein von der heutigen Wanderung zurück bin! 😄 Was ein Hickhack! 

Morgen habe ich viel Zeit zum Ausruhen: Um 8:13 Uhr geht mein Zug in die Mongolei. Dieses Mal sind es nur ca. 23 Std....

Antworten (3)

Nic
All by myself... Silli, was ne schräge Geschichte!!! Freu mich schon, dich das im Original erzählen zu hören!!

Gertsche
Alter silly! Mehr als abenteuerlich! Klingt so wie mein hike gestern. Hatte so schiss...☺️ Dasmit den gerissenen Windschutzscheiben is hier auch standard😉

Silke
😂 das nächste Mal wieder zusammen 😉