Veröffentlicht: 09.12.2019
Nach drei Wochen im paraguayischen Krankenhaus, während derer wir viel über die Lebenssituation unserer Patienten und die Krankenhausfinanzierung erfahren haben, möchten wir natürlich auch gerne unser Wissen weitergeben. In Deutschland, gerade als Mitarbeiter eines Krankenhauses, beschwert man sich gerne über die Situation des Gesundheitswesens und die Zustände in den Kliniken. Viele Menschen bemängeln hier vor Allem die so genannte „zwei Klassen-Medizin“. Es geht hierbei um die Unterschiede zwischen privat und gesetzlich Versicherten, die sich unter Anderem durch bevorzugte Behandlung, bessere Räumlichkeiten oder verkürzte Wartezeiten zeigen. Diese Kritik scheint durchaus ihre Berechtigung zu haben. Aber auch, wenn es Unterschiede gibt, in Deutschland herrscht eine Versicherungspflicht. Einige wenige Menschen fallen durch das System und sind unversichert. 0,1% der Deutschen haben keine Krankenversicherung, in Paraguay sind es 73%. Diese 5 Millionen Menschen brauchen laut der paraguayischen Regierung auch keine Versicherung. Denn in Paraguay ist die Gesundheitsversorgung grundsätzlich kostenlos. Die Paraguayos müssen nicht, wie bei uns, an ihrem Gehalt bemessen in eine Versicherung einbezahlen, da das Gesundheitswesen vom Staat über den Haushalt finanziert wird. Dieses System klingt erst einmal nach einer deutlichen geldlichen Erleichterung der Paraguayos, denn man zahlt hier nicht verhältnismäßig mehr Steuern als in anderen Ländern. Das Problem hier aber ist, dass Regierung, da sie ja alleinig für die Gesundheit im Land zuständig ist, auch den Etat festlegt, den Kliniken für medizinische Behandlungen erhalten. Sie bestimmt außerdem, welche speziellen Verfahren grundsätzlich gezahlt werden oder nicht. So kommt es häufig vor, dass für bestimmte Medikamente, unter anderem auch Antibiotika, oder Materialien für die tägliche Körperpflege keine finanziellen Mittel mehr zur Verfügung stehen. Grundsätzlich von der staatlichen Finanzierung ausgeschlossen sind außerdem alle Materialien, die für OPs und für spezielle Behandlungen und Diagnostika, wie beispielsweise Herzkatheteruntersuchungen, benötigt werden. So kommt es, dass alles, was der paraguayische Staat nicht zahlt, von den Angehörigen der Patienten übernommen werden muss, auch wenn sich deren Gesundheitszustand ohne die Behandlung verschlechtern oder es zum Tod des Patienten kommen würde. Dies wiederum hat zur Folge, dass die Angehörigen der Patienten in unserem Krankenhaus ständig anwesend sind, teilweise nachts im Innenhof auf Klappstühlen schlafen. Denn wenn ihr Verwandter akut ein Medikament oder eine Untersuchung benötigt, die sie zahlen müssen, könnte es fatale Folgen haben, wenn niemand vor Ort wäre, um es zu kaufen. Wenn man diese Art von Gesundheitswesen jeden Tag mitbekommt kann man sich doch nur fragen: Worüber regen wir uns in Deutschland eigentlich auf?