Salam ya Amman
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Taubenschlag & Co.

Veröffentlicht: 12.10.2019

Donnerstag + Freitag, 10. + 11. Oktober

8:30 am. Nach der allmorgendlichen Routine, joggen und langes Frühstück, setze ich mich heute vor meine Arabisch-Unterlagen. Immer, wenn ich arabisch lerne, vergeht die Zeit wie im Flug, und ich frage mich nach 3 Stunden, womit genau ich eigentlich die letzten 3 Stunden verbracht habe. Diese Sprache ist wirklich wie ein Meer, unendlich in Weite und Tiefe. Aber beschweren bringt nichts. Ich verfolge immer noch das Ziel, am Ende des Semesters eine ordentliche Konversation auf arabisch führen zu können.

Mein Laptop versagt irgendwann, wie so oft in letzter Zeit, sodass ich mein online Arabisch-Programm irgendwann nicht mehr nutzen kann und beschließe, mir ein wenig die Beine zu vertreten. Nachdem ich eine halbe Stunde zu spät am Buchladen ankomme, wo ich mir noch das Manuskript für meinen Samstags-Arabisch-Kurs besorgen wollte, gehe ich weiter zur Downtown, um seit längerem Mal wieder dem Markt einen Besuch abzustatten. Zum einen, weil ich den Markt mit seinen frischen Gerüchen und netten Verkäufern wirklich vermisse, zum anderen, weil ich ein paar Dinge für heute Abend besorgen will. Wir haben ein paar Leute auf unsere Dachterrasse eingeladen, um dort noch einmal in der gemütlichen Sitzecke eine schöne Zeit zu verbringen, bevor wir nächste Woche dann in unsere endgültige Wohnung umziehen.

Der Markt ist wie immer voll mit Menschenmassen, und während ich ein paar schon bekannte Gesichter nett begrüße, blende ich viele Leute, die mich von der Seite anquatschen, einfach aus. Ich habe für mich beschlossen, auf willkürliche Begrüßungen, oder dem üblichen „Welcome to Jordan“, einfach nicht mehr zu reagieren. Ich will mich so gut es geht in der nächsten Zeit einfach zu Hause fühlen, und nicht jeden Tag das Gefühl vermittelt bekommen, hier neu zu sein und nicht dazuzugehören. Deshalb ignoriere ich jetzt auch die Person, die neben mir stehen bleibt und offensichtlich versucht, mit mir zu reden, während ich gerade vor einem Gemüsestand darüber nachdenke, wie viele Gurken wir für heute Abend wohl noch brauchen. Ich versuche, hartnäckig zu bleiben, aber die Gestalt neben mir will sich einfach nicht fortbewegen. Ich drehe mich um. Vor mir steht Mubarak, den wir gestern bei der kleinen Feier auf der Dachterrasse kennengelernt haben. Er lächelt mich verunsichert an, und ich bekomme direkt ein schlechtes Gewissen. Er muss sich neben mir wirklich blöd vorgekommen sein. Es ist aber auch ein Zufall, dass ich ihn gerade heute, nachdem wir uns gestern das erste Mal gesehen haben, zwischen Tomaten und Gurken auf dem Markt treffe. Ich glaube, der Markt hier in Amman ist so etwas wie eine Dorfkneipe auf dem Land. Wir quatschen also kurz, und ich lade ihn spontan ein, später auch noch zu uns zu kommen. Ich hoffe, ich kann dadurch mein blödes Verhalten wieder gut machen.

Eine Weile später sitzen wir dann auch schon bei Kerzenlicht, zu Shisha-Rauch und Knabbereien auf unserer Dachterrasse und lassen es uns gutgehen. Wir unterbrechen unsere Fete erst, als Ayman, der Guard, der hier in diesem Mietshaus nach dem Rechten sieht, auf einmal auftaucht und sagt, dass jetzt Schluss mit Lustig ist. Es ist spät und unsere Musik (die wirklich noch sehr dezent war), zu laut. Einen schönen Abend hatten wir trotzdem.

10:00 am. Ich gönne mir etwas mehr Schlaf und trete später als gewohnt meinen Morgensport an. Heute allerdings nur ein kurzes Vergnügen: nach etwa einem Kilometer knicke ich so böse um, dass ich mich erst einmal einen Moment hinsetzen muss, und dann zurück nach Hause humpele. Das gibt einen dicken Knöchel, das spüre ich jetzt schon. Ich ruhe mich also auf der Couch aus, bis Rebecca und Lea aufstehen und sich dann rührend um mich und das Frühstück kümmern. Ich hasse es, mich nicht bewegen zu können, aber sehe ein, dass Kühlen und Bein hochlegen jetzt das Sinnvollste ist.

Mein Laptop gibt irgendwann wieder den Geist auf, und ich den Hummeln in meinem Hintern nach: nur eine klitzekleine Runde will ich heute noch an der frischen Luft verbringen. Das Arabisch-Buch für den Kurs morgen habe ich außerdem immer noch nicht. Als ich die letzten 100 Stufen zu unserer Uni behutsam heruntergehumpelt bin, stelle ich dann fest, dass der naheliegende bookshop, in dem ich das Buch erstehen kann, heute geschlossen hat. Hätte ich mir denken können, an einem Freitag. Ich bin trotzdem froh um die Bewegung und bringe auf dem Rückweg noch Shawarma und Hummus mit, was ich dann zusammen mit Lea und Rebecca bei wunderschönem Abendlicht und Sonnenuntergang auf unserer Dachterrasse zu mir nehme.

Wie so oft beobachten wir die unzähligen Taubenschwärme, die hier besonders am Abend über Ammans Häusern ihre Runden drehen, und jetzt vor der untergehenden Sonne unheimlich schön anzusehen sind. Sie hausen in Taubenschlägen, von denen sich zwei direkt in unserer Nachbarschaft und Sichtweite befinden. Das dortige Treiben zu beobachten ist wirklich faszinierend. Die Taubenschläge sind so gut wie den ganzen Tag von den Tauben-Dudes (so haben wir sie getauft), besetzt. Sie füttern ihre Täubchen und verjagen sie danach mit einem Stock. Ich habe das anfangs nicht so ganz verstanden, aber um diese Taubenschläge gibt es verschiedene Geschichten. Angeblich haben die Besitzer (ja ich weiß, Verallgemeinerung), einen eher zweifelhaften Ruf, weil sie stets versuchen, die Tauben der anderen Schläge anzulocken und abzugreifen. Es gibt sogar eine Bezeichnung dafür auf arabisch, mit der man sich nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Unter anderem funktioniert das Taubengeschäft so, indem die Besitzer ihre Tauben in einem Schwarm losschicken, die unterwegs noch ein paar andere Täubchen einsammeln, und damit den Schwarm vergrößern. Die Tauben werden dann verkauft, und gelten hier wohl als Delikatesse. Wie auch immer die Geschäfte mit den Vögeln im Detail ablaufen mögen: wenn wir gerade nichts zu tun haben, ist ein Blick aus dem Fenster und ein Eintauchen in die Vogelwelt immer eine gute Beschäftigung.

Ich muss auf die Afro-Dancehall-Party, die für heute geplant war, wegen meinem Fuß leider verzichten, begleite die Mädels nur noch mit zu Markus‘ Dachterrasse, und mache mich dann wieder auf den Heimweg. Ich hoffe sehr, dass ich jetzt nicht auf Ewig ein Schonprogramm fahren muss.


In den letzten beiden Tagen hatte ich zumindest genug Zeit für meine Vokabeln:

Satz- جملة

Wort- كلمة

Woche- أسبوع

Jahreszeit- فصل

Frühling- ربيع

Sommer- صيف

Herbst- خريف

Winter- شتاء

notwendig- لازم

billig- رخيص

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