onroadfel
onroadfel
vakantio.de/onroadfel

Tag 16 bis 18 Sarajevo

Veröffentlicht: 07.10.2018

Sarajevo erreichten wir erst am späten Nachmittag etwa 7,5 Stunden nach Verlassen unseres Apartments in Oslje. Zunächst ging es wieder bei Imotica über die Grenze (es war die insgesamt 14. Grenzüberquerung von Kroatien nach Bosnien und Herzegowina) und dann erstmal Richtung Neum. Dort wurde zunächst wieder BIH nach Kroatien verlassen und einige Zeit durch steinige Landschaften gegurkt. Bei Otrik-Seoci war ein weiterer Grenzübertritt nötig. Unser Ziel waren die Kravica- Wasserfälle, welche auf dem Weg in die Landeshauptstadt nur einen kleineren Umweg darstellten. Sie liegen unweit des Dorfes Studenci und gelten als eine der Hauptattraktionen des Landes. Nach knapp zwei Stunden erreichten wir bei ekelhafter Hitze am Mittag die Wasserfälle und parkten auf einem bereits gut gefüllten Schotterparkplatz. Dieser Spot ist eben definitiv kein Geheimtipp. Am Kassenhäuschen hatte sich bereits eine kleine Schlange gebildet.

Da wir hier den Kinderbuggy nicht nutzen konnten kam der Zwerg ins Tragetuch vor den Bauch der Mama. Die tropische Hitze ließ uns bereits vor dem Abstieg zu den Wasserfällen gehörig transpirieren. Trotzt der hohen Temperaturen kamen immer mehr Reisebusse und Autos angefahren.

Etwas mehr als 10 Minuten braucht man vom Eingang bis hinunter zu den Wasserfällen, welche aus etwa 25 Metern einen ca. 120 Meter breiten Abhang hinabstürzen. Ich meine es sind 20 Wasserfälle nebeneinander. Ein spektakulärer Anblick, wenn nicht diese vielen Menschen wären. In dem Wasser wird gebadet, überall werden Selfies geschossen und Müll liegen gelassen und das im Naturschutzgebiet. Ganze Horden von Touristen klettern in dem Hang herum, um das beste Foto von sich und den Wasserfällen zu knipsen.

Uns wurde es hier schnell zu viel und wir machten uns an den schweißtreibenden Aufstieg. Im Auto war es inzwischen so heiß geworden, dass man das Lenkrad kaum noch anfassen konnte.

Über Medugorje, eine Art katholischer Wallfahrtsort, in dem die heilige Jungfrau Maria den Dorfbewohnern in den 1980er Jahren gleich mehrfach erschienen sein soll und Mostar ging es immer weiter Richtung Sarajevo.

Die Fahrt geriet ab Mostar zur Tortour. Die Reisegeschwindigkeit lag im Durchschnitt bei grade einmal 32 km/h und jedes Dorf und die unfassbar chaotische und hässliche Stadt Konjic, in der sich ein ordentlicher Stau bildete, mussten durchfahren werden. Erst bei Tracin gab es einen kurzen Abschnitt neu gebauter Autobahn, welche an der Mautstelle mit 2,50 KM (Konvertible Mark) in Rechnung gestellt wurden. Hier hielten wir ermüdet an einer völlig verlassenen Autobahnraststätte und nahmen nach einem Kaffee die letzte Etappe zum Ziel in Angriff. Die hatte es aber noch mal in sich. Nach Verlassen der schönen neuen Autobahn standen standen wir schon vor der Stadt im Stau. Autofahren im Feierabendverkehr von Sarajevo ist wirklich nichts für schwache Nerven. Besonders einladend wirkte die Stadt im Randbezirk auch nicht. Solch heftige Plattenbauten und teilweise völlig zerstörten Gebäude habe ich selbst im polnischen Kohlenpott nicht gesehen. Wir mussten bis zum vorab gebuchten Hotel Saraj einem komplett durch die Stadt fahren und dann ein Stück auf einen Berg rauf. Gegen 18 Uhr stand das Auto endlich sicher in der Hoteleigenen Parkgarage.

Nachdem alles Nötige für drei Nächte aus dem Auto gekramt und auf das Zimmer gebracht war konnten wir im vierten Stock auf dem Balkon mit Blick über die Stadt einmal tief durchatmen.

Das Hotel schien irgendwo in der Zeit stehen geblieben zu sein. Der überall ausgelegte Teppich wirkte abgenutzt und dreckig. Auf den Fluren und in der Lobby durfte geraucht werden, dafür gab es aber weder Feuerlöscher noch beleuchtete Notausgänge geschweige denn Rauchmelder oder Brandschutztüren. Unser Zimmer war mit Uraltmöbeln ausgestattet, bestand aber praktisch aus zwei Zimmern und so hatten wir mehr als genug Platz.

Bevor wir alle erschöpft in die Betten fielen liefen wir aber noch mal runter in die City, genauer gesagt in den osmanischen Altstadtteil Baščaršija. Hier war richtig fiel los und ich denke das war der Moment, wo sich praktisch alle begannen in diese wahnsinnige Stadt zu verlieben.

In der „Cevabdzinica Hodzic 2“ gab es das beste Cevapi, was ich in meinen Leben bisher gegessen habe. Die Preise waren auch unglaublich. Für sieben gegrillte und mega gewürzte Hackfleischröllchen im Pitabrot wurden umgerechnet 3,5 Euro verlangt.

Mit dieser kulinarischen Superlative ging der anstrengende Tag auf dem Balkon des Hotelzimmers zu Ende, während die Moscheen rund um uns herum zum Freitagsgebet riefen. 

Sarajevo (291 400 Einwohner, Hauptstadt der Föderation Bosnien und Herzegowina, der Republik Sprska und des Kantons Sarajevo) liegt wie ein langgezogener Schlauch in einer Ebene inmitten des Dinarischen Gebirges. Durch die Stadt fließt der Fluss Miljacka. Am linken Ufer geht es im Süden zum Trebevic hinauf, wo bei den Olympischen Winterspielen 1984 ein Teil der alpinen Wettkämpfe ausgetragen wurde. Direkt östlich von Sarajevo liegt der Ort Pale, der während des Krieges 1992 bis 1995 ein Zentrum der bosnischen Serben war. Die Belagerung der Stadt durch die damalige bosnisch-serbischen Armee begann im April 1992 und dauerte 1.425 Tage dabei wurde der gesamte Stadtkern von allen Seiten umzingelt. Nach offiziellen Angaben kamen 10.615 Menschen aller Volksgruppen durch Granaten, Minen und vor allem Scharfschützen ums Leben. Etwa 50.000 wurden teilweise schwer verletzt. Die Stadt war lange ohne Strom und Wasserversorgung. Die Spuren und das Leid, welches dieser Krieg hinterlassen hat sind bereits bei der Durchfahrt der Stadt unübersehbar. Viele der Plattenbauten weisen Einschusslöcher und Granatschäden auf.

Als erstes wurde an nächsten Morgen die orientalisch geprägte Altstadt rund um den Baščaršija-Platz angesteuert. Hier gibt es viele kleine Gassen umrahmt von eher einfachen und niedrigen Gebäuden, teilweise mit Steinziegeldächern. Zahlreiche Minarette vervollständigen das Bild. Hier treffen unterschiedliche Kulturen und Religionen aufeinander. Neben den zahlreichen Moscheen gibt es auch serbisch-orthodoxe Kirchen und Synagogen. Ein Umstand, welcher Sarajevo auch den Beinamen Klein-Jerusalem eingebracht hat. An den oft winzigen Läden werden massenhaft handgefertigte, kupferne Kaffeekänchen („dzezva“), welche zur Zubereitung des Bosnischen Kaffees verwendet werden, inkl. Mokka-Tassen und verzierten Tabletts verkauft. Dazu gab es noch reichlich anderen handgefertigten Krimskrams.

Es roch nach gegrilltem Fleisch, unbekannten Gewürzen und Wasserpfeife. Auf den Straßen waren junge Frauen komplett verschleiert mit Burka und Sonnenbrille und andere Muslima schick angezogen, geschminkt und mit modischem Kopftuch unterwegs. Eine bezaubernde und exotisch wirkende Welt, welche uns sofort wieder in ihren Bann zog. In den kommenden zwei Tagen sollte es hier rund um den berühmten Brunnen dann gleich noch mehrere kulinarische Superlativen geben: Bosnischer Kaffee, Falafel, Kebab und Baklava alles Weltklasse und nicht zu vergleichen mit dem Kram, welchen man meist hierzulande aufgetischt bekommt. 

Insgesamt waren die drei Tage in Sarajevo rückblickend eines der Highlights unserer Reise. Ein Besuch dieser spannenden und historischen Stadt gehört für mich definitiv zur Pflicht, wenn man sich für europäische Geschichte interessiert. Im Juni 1914 schaute die ganze Welt auf Sarajevo, als der Thronfolger Österreich-Ungarns, Erzherzog Franz Ferdinand, und seine Gemahlin Sophie Chotek, bei ihrem Besuch der Stadt von Gavrilo Princip, einem Mitglied der serbisch-nationalistischen Bewegung Mlada Bosna, ermordet wurde. Das von der serbischen Geheimgesellschaft „Schwarze Hand“ geplante Attentat löste die Julikrise aus, die schließlich zum Ersten Weltkrieg führte.

Von Sarajevo ging unsere Reise weiter nach Montenegro, über schlechte Straßen und bergige Landschaften, vorbei an brennenden Müllkippen und um Felsbrocken herum, welche eine Fahrbahn komplett verschüttet hatten...

Antworten

#sarajevo#bosnien#und#herzegowina#sommerreise