Veröffentlicht: 12.01.2017
31.12.16 - 08.01.17
Früh mache ich mich am Silvestermorgen mit dem Taxi auf zum Busbahnhof. Da es in Mittelamerika kein Zugnetz gibt, ist dieser riesig. Sehr merkwürdig und völlig ineffizient ist dort, dass es für jede Verbindung einen Schalter für die Tickets gibt. Ich habe nicht nachgezählt, aber lass es mal 50 bis 60 Schalter gewesen sein. Da es Ziele gibt, die nicht so interessant sind, andere aber, gerade die klassischen Tourirouten-Ziele, sehr stark nachgefragt werden, keine Wirklich sinnvolle Regelung. Um sich ein Ticket nach Bocas del Toro zu kaufen, scheinbar DAS Ziel von der City aus, steht man schon mal gerne drei Stunden oder länger an.
Gut, dass ich nach Catalina will. Am Schalter ist niemand vor mir, keine Wartezeit. Hinter mir zwei Deutsch sprechende Mädels. Teresa und Katharina wollen auch, wie ich, über Soná nach Catalina. Wir gehen noch zusammen frühstücken und machen uns dann auf die Suche nach unserem Bus. Es geht recht pünktlich los. Und hier geht es weiter: MEGA laute Musik, Raggaeton in voller Lautstärke die ganze Fahrt. Bei der nächsten Busfahrt achte ich zumindest darauf, dass ich nicht direkt unter dem Lautsprecher sitze.
In Soná angekommen, wartet auch schon der Minibus nach Catalina und es geht zügig weiter. Wir fahren eine kurvige und hügelige Straße durch wunderschöne Landschaft. In Catalina werden wir bis fast vors Hostel gefahren. Drei Schweden, ein Pärchen und ein Mädel, die zusammen reisen, wohnen auch im Jammin Hostel y Pizzeria. Wir werden sehr nett von Silvia empfangen und ich bekomme mein 4er-Dorm, in dem ich aber die erste Nacht alleine bin. Es ist ein kleines süßes Häuschen im Garten mit zwei Stockbetten und sonst nichts. Ich suche mit die beste Matratze aus, die echt super ist und packe meinen Kram aus.
Santa Catalina liegt ein bisschen ab vom Schuss an der Pazifikküste und ist ein kleines Fischerdörfchen mit nur wenig Tourismus. Hauptsächlich sehe ich hier Pärchen und kaum Alleinreisende. Es gibt ein paar Hostels, kleine Restaurants und sonst eigentlich nicht viel. Das hohe Preisniveau aus der Stadt setzt sich hier allerdings fort. Ab vom Schuss und teuer? Irgendwie bescheuert.
Abends esse ich mit den Schweden die wirklich sehr gute und echt italienische Pizza in unserem Hostel. Danach machen wir uns auf die Suche nach DER Silvester-Party. Da allerdings echt nirgends wirklich was los ist, laufen wir paar mal hin und her, bestaunen dabei den absolut umwerfenden Sternenhimmel, und schauen um Mitternacht ein kleines Feuerwerk am Strand.
Am nächsten morgen machen wir uns auf die Suche nach Frühstück. Wir gehen, dämlicher weise, in ein local "Restaurant". Wie auch schon die letzte Nacht überall, läuft auch hier aus circa 1,20*1,20 m großen Speakern unfassbar laut Raggaeton. Während wir auf unsere geschmaksneutralen Mais-Pancakes mit Scheibenkäse darüber und n Ei warten, können wir uns nicht mal unterhalten. So bleibt mit leider umso mehr Zeit mich mit dem aufkommenden Gedanken zu beschäftigen: ICH HASSE ES HIER!!! Zu teuer, mieses Essen, nix los, aber Musik so laut wie auf nem Festival für 10.000 Leute. Ich will weg! Mist!!!
Okay, geht halt jetzt nicht. Wir gehen zum Strand, da werden wir ja wohl chillen können. Also, Surfbretter geschnappt und die 1,5 Km zum Strand gelaufen. Am weitläufigen, Palmengesäumten Playa Estero der nächste Schock... Alles steht voll von dicken Karren, ja, auf dem Strand. Aus jeder fünften, welch Überraschung, brüllt übertrieben laut der allgegenwärtige Raggaeton. Kleiner Eindruck gefällig? Raggaeton-Megamix 2016 auf Youtube. ICH HASSE ES HIER!!!
Wenigstens das Surfen klappt. Nach dem ich mich zuerst ziere und bissl Schiss habe, dass es nicht klappt, schnappe ich mir das Brett, paddle raus, bekomme ne grüne Welle, schaffe den Take-Off und stehe. Haha! Geilo! Das hatte ich irgendwie anders erwartet. Das hebt die Stimmung. Oh Mann, wäre das nun auch kacke gewesen, ich hätte mit Sicherheit den Flug nach Bangkok gebucht, den ich auf Swoodoo recherchiert hatte. Jaaa, das habe ich tatsächlich gemacht. 2.500 € hin und zurück.
Am nächsten Tag also wieder an den Strand und aufs Brett. Wieder stehen viele Autos am Strand. Allerdings gewöhne ich mich langsam dran. Das Auto, das genau den Bereich beschallt, wo ich auf die nächste Welle warte, hat sogar ganz coole Mukke an und einmal tanze ich auf dem Brett. Irgendwie auch ganz geil, Musik zu hören, wenn man auf dem Brett im Wasser sitzt. Wie sich in den nächsten Tagen herausstellt, ist dieses Auto-am-Strand-und-laute-Musik-hören-Ding nur etwas an Feiertagen. An normalen Tagen ist der Playa Estero menschenleer. Bekloppterweise hatte ich mich nun schon dran gewöhnt und vermisse die Mukke ein bisschen beim surfen.
Abends essen wir sehr lecker Panamaisch. Fisch mit Patacones, das sind zerdrückte frittierte Kochbananen und nem Klecks Salat. So richtig Gemüse essen die Panamaer leider nicht. Dazu gibt's noch nen scharfen Passionsfrucht-Dip. Den ersten Stromausfall gibt's auch. Glühwürmchen, Sternenhimmel... Wow! Und ich fange an in Englisch zu denken, by the way...
Am 03.01. sind fast alle auf Coiba, einer wunderschönen Insel. Dort kann man schnorcheln, tauchen und die Seele baumeln lassen. Immer noch unter Schock stehend was das Preisniveau in Panama angeht, habe ich mich dagegen entschieden $175 für einen Daytrip mit Tauchen auszugeben. So begeistert wie alle von Coiba sind, war das rückwirkend betrachtet ne doofe Entscheidung. Muss echt richtig toll sein. Ich Vollidiot!!! Nun gut, ich tue stattdessen eine gute Tag und sammle an unserem kleinen Strand Müll, den der Ozean, wahrscheinlich beim letzten Strum, ausgespuckt hat. 120 L und ich hätte noch drei bis vier mehr von diesen Tüten füllen können. Am Nachmittag gönne ich mir aber dann noch zwei Stunden reiten. Superschön! Am Strand galoppieren, über die weitläufigen und hügeligen Weiden reiten...
Die nächsten Tage verbringe ich mit surfen, langen Gängen am Pazifik, chillen, lesen, meinem verlassenen Haus und mit mir. Nach der anfänglichen Abneigung gegen das Land, den Ort, das Essen, fühle ich mich unglaublich wohl hier. Ich genieße es, dass hier so wenig los ist, dass ich ab vom Schuss bin. Ich glaube, dass meine anfänglichen Probleme daher rührten, dass ich Zweifel hatte. Ich meine, ich mache hier etwas, dass ich vielleicht nur einmal in meinem Leben machen kann, ich gebe dafür außerdem verdammt viel Geld aus. Unterbewusst kam da wohl einfach die Frage auf: Habe ich das richtige Ziel ausgewählt? Und ja, habe ich! Ich wollte surfen, Spanisch lernen und eine andere Ecke der Welt sehen.
Ich bin glücklich und stolz auf mich, dass ich nicht aus der Situation und Santa Catalina geflüchtet bin, sondern mich bewusst damit auseinandergesetzt habe. Man kann überall das negative sehen, aber man kann eigentlich auch überall die positiven Dinge finden. Ich habe das in Catalina so sehr, dass ich gegen Ende sogar überlege noch länger zu bleiben. Da ich aber noch viele andere Orte erleben möchte, will ich nicht schon am ersten Ort hängen bleiben. Und so verabschiede ich mich nach acht Tagen von diesem gechillten Fleckchen Erde, das nach ein paar Startschwierigkeiten mein Herz erobert hat.
Fazit: Nicht sofort bewegen, wenn es dir nicht gefällt! Gib den Dingen eine Chance.