Veröffentlicht: 05.08.2018
Hallo ihr Lieben,
die letzte Woche hat mir viele neuen - und auch verstörende Eindrücke in die Kultur und Köpfe vieler Menschen hier verschafft. Daran möchte ich euch gerne Teil haben lassen.
Seit ich hier in Uganda bin, musste ich vieles abstellen, verstehen und dann erst Mal verdauen.
Liebe und Stolz
Durch Gespräche im Lehrerzimmer konnte ich anhand einiger Reaktionen und Fragen erkennen, dass meine Vorstellungen des Zusammenlebens in Familie und Partnerschaft komplett mit den ugandischen kollidieren. Ich habe mich gewundert, warum viele Frauen hier mit ihren Kindern alleine leben. Wenn ich frage, "Wo ist denn der Vater?" ...Dann zeigen viele auf die Ferne oder winken ab. Mann und Frau leben nicht zusammen. Hier findet keine oder kaum partnerschaftliche Beziehung statt. Das liegt an der Rollenverteilung und auch am Mangel von Arbeitsplätzen, weshalb die Männer meist mehrere Kilometer von zu Hause Arbeit annehmen (müssen). Auch seien Frauen hier im Überfluss und müssten um die Männer kämpfen, welche sie dann aber auch schnell wieder fallen lassen. Für einen Mann sei es daß Größte, Zwillinge oder Drillinge zu zeugen. Umsorgt werden sie dann von den Frauen. Einer der Lehrkräfte hat 6 Frauen gleichzeitig und insgesamt 14 Kinder.
Religion und Irrglaube
Religion ist im Alltag fest verankert. Auch wenn hier viele Religionen zusammenleben, jeder lebt seinen eigenen Glauben stark aus, was für alle aber in Ordnung sei. Mehrmals am Tag höre ich die Gebetsgesänge von der Schule übers Land schallen. Die Klassen haben jeweils eigene religiöse Mottos. Wenn ein Lehrer beispielsweise die Klasse P4 (Primary - 4. Klasse) betritt, singen die SchülerInnen im Chor "our School is New Hope Primary School, our class is P4, our classteacher is teacher robert and our motto is: the fear of god is the beginning of knowledge".
In einer Unterrichtsstunde zum Thema HIV und AIDS Prävention sagte eine Schülerin, es sei ja nicht so schlimm HIV zu bekommen, wenn man an Gott glaube - denn er könne dies ja heilen.
Der Klassenlehrer schritt ein und meinte dann: ja, Gott kann alles heilen - aber wenn du Gott heraus forderst, dann klappt es nicht, nur wenn du nichts dafür kannst.
Einer von vielen Schockmomenten.
Es ist hier Stück für Stück Arbeit und häufig stoße ich auf Gegenwehr, sobald meine Aussagen mit deren Glauben nicht übereinstimmen.
Am Sonntag habe ich eine Schulklasse zur 40 Minuten entfernten Kirche begleitet. Sie werden jeden Sonntag von einem Kleinbus der Kirche abgeholt und wieder heim gebracht. Für mich steht definitiv fest - einmal und nie wieder.
Es war unheimlich laut und verwirrend. Diese Glaubensrichtung hat die Angewohnheit, die Boxen seeeeeehr laut zu drehen und in das Mikrofon zu brüllen - sodass man die Vibration im ganzen Körper spüren kann - "Gott sei Dank" bin ich ohne Tinnitus wieder nach Hause gekommen.
In den "Lections" werden alle Besucher der Kirche in Altersklassen eingeteilt. Kirchenmitglieder und Pastoren sprechen dann mit ihnen über religiöse Themen oder lesen aus der Bibel. Ich hatte das Vergnügen bei den ganz Kleinen (3-6) dabei sein zu dürfen. Ihnen wurde die Geschichte von David und Goliath erzählt und MEHRMALS verdeutlicht, dass wenn sie ihrer Müttern nicht helfen würden und ein ungezogenes Kind seien, kämen sie in die "HELL AND BURN, BURN, BURN". Ich dachte mir dann, dass wohl alle Kinder meiner Schulzeit, inklusive mir in die Hölle kommen werden ;).
Insgesamt hat dieser Gottesdienst mit An- und Rückfahrt 7(!!) Stunden gedauert.
So, jetzt zu dem Thema, welches mich am meisten beschäftigte:
Ich wurde schon mit einigem in meinem Leben konfrontiert, aber nie mit Vorurteilen gegenüber mir - weil ich weiß bin. Der Muzungu Beitrag hat ja schon etwas verdeutlichen können, wie selten die Menschen hier Weiße sehen. Davon abgesehen ist es fast unglaublich, was sie über mich, eine weiße Frau, denken. Ich war gerade am Feld umgraben, da kamen zwei junge Männer zu mir und fragten mich, was ich hier denn wolle. Sie würden denken, dass ich hier zum Urlaub machen sei. Als ich ihnen erklären wollte, weshalb ich hier bin, nahm mir einer die Hacke aus der Hand und fragte mich, wie viel Geld ich ihm geben könne, wenn er das für mich beenden würde.
Eine Schülerin aus der 3. Klasse (!) fragte mich am Ende der Stunde: "Meike, how can we get good money?".
Wenn die Menschen weiß sehen, sehen sie Reichtum, meist denken sie Weiße sind alle Amerikaner.
Sie sind verwundert, dass ich Gemüse schälen kann, dass ich weiß, wie man Wäsche per Hand wäscht, wie man ein Feld umgräbt, "YOU know how to wash????" Ja, sie denken, wir haben für ALLES Maschinen. Für die Menschen hier ist es schockierend, wenn sie erfahren, dass es auch jenseits von Afrika, weiße Menschen gibt, die arm sind.
Es ist für mich oft sehr unangenehm.
Die Mamas, mit denen ich im Baby Home arbeite, kennen mich aber schon gut. Wir leben wie eine Familie zusammen und Mama Josephine hat sich als meine Ersatzmutter erklärt. Sie kochen jeden Tag und ich darf immer mit essen (es ist uuuuuunheimlich lecker!!). Ich habe einige ugandische Gerichte gelernt und werde sie dann in Deutschland mal nach kochen. Die Arbeit an der Schule macht mir auch unheimlich Spaß, genauso wie die körperliche Arbeit auf dem Feld - es tut mir gut, so zum Ausgleich.
Ich sende euch allen liebe Grüße und bis bald,
Meike