Veröffentlicht: 15.03.2020
Der 14. März 2020 teilt das Leben der Stadt in die Zeit vor dem Shutdown und die Zeit nachdem das Öffentliche Leben weitgehend abgestellt wurde.
Wir sind Mitglieder der Risikogruppe über 60. Der Besuch von Seniorenheimen ist weitgehend ausgeschlossen. Bevor auch noch zu Hause lebende Senioren generell in Quarantäne kommen, machen wir uns auf den Weg und gucken uns vielleicht ein letztes Mal an, was da draußen so los ist.
Die U-Bahn und die S-Bahn fahren noch, beide sind gut gefüllt. Es ist schwer den Sicherheitsabstand zu halten. Mist, ich hab mir schon wieder ins Gesicht gefasst. Niest der Typ da gegenüber etwa gleich? Kennt er das Armbeugengesetz? Wann kann ich mir wo die Hände waschen? Kratzt da was im Hals? Nix wie raus am Bahnhof Treptower Park. Da ist ein schönes weitläufiges Gelände mit Wasser. Da ist der Sicherheitsabstand garantiert.
Naja, diesen Gedanken haben offensichtlich einige Tausend Menschen ebenfalls gehabt, dementsprechend groß ist das Gedränge am Ufer der Spree und im Park rund um das sowjetische Ehrenmal. Die Nicht-Risikogruppe der hedonistischen Großstäderinnen und Großstädter unter 60 macht, was sie immer hier macht: Flanieren mit und ohne „Fußpils“, Zusammensitzen, Knutschen, Stöckchen für die Hunde werfen und Kinder auf Laufrädern durch die Menge lotsen. Alle Buden an der Dampferanlegestelle sind geöffnet und verkaufen massenhaft Fritten und (diesen Witz jetzt zum letzten Mal ha ha ha) Corona.
Ein Paar checkt im Handy, wo man abends noch hingehen kann. Für die nächste Woche wurde eine flächendeckende Schließung aller Clubs ab 50 Gästen angekündigt, also geht heute noch was.
Leider doch nicht. Während wir uns des Lebens freuen, arbeitet der Senat der Dramatik der Situation geschuldet offenbar ununterbrochen. Der Beschluss zur Schließung wird auf Sofort vorgezogen. Und so ziehen abends Polizistinnen und Polizisten durch die Clubs, um sie dicht zu machen.
Das Leben wird hart.