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Dritter Stopp: Chile, Part 2: Carretera Austral

Veröffentlicht: 25.12.2018

Patagonien! Ein lang gehegter Traum ist endlich wahr geworden: Wir sind in Patagonien, dem südlichen Teil Chiles und Argentiniens. Nun ist das mit dem Reisen ja so: Bevor man an einen unbekannten Ort reist hat man eine Vorstellung von diesem, gespeist durch Fotos, Filme, Erzählungen usw. Diese fügen sich zusammen wie die Umrisse eines Mandalas und ergeben ein erstes, unvollständiges Bild. Erst wenn man den Ort dann selbst bereist, ihn mit allen Sinnen und mit all seinen Facetten erlebt, fängt man an seine Vorstellungen zu ergänzen und zu korrigieren und malt sozusagen das Mandala bunt aus. Und das „Ausmalen“ macht so viel mehr Spaß als wir dachten.

Nun ist die Frage: Was war jahrelang unsere Vorstellung von der Carretera Austral? Antwort: Abgeschiedenheit, Gravelroads (wenn es überhaupt mal Straßen gibt), Dschungel, hier und dort mal ein verschneiter Berg, ein oder zwei schöne Gletscher und felsige Wanderwege. Außerdem hatten wir uns auf das schlechteste Wetter, das wir jemals beim Zelten hatten, eingestellt (und man muss dazu sagen, wir haben schon im Herbst in Schottland Campingurlaub gemacht).

Was haben wir vorgefunden? Kurz gesagt: Abgeschiedenheit, häufig geteerte Straßen, noch viel mehr Dschungel, aber auch viel alpenvorlandähnliche Gebiete mit Weiden und Nadelwald, Millionen von Lupinen, überall wo man hinsieht verschneite Berge, an jeder Ecke ein Gletscher, Wasserfälle und türkisblaue Flüsse und stufige, matschige Wanderwege. Zusätzlich hatten wir wirklich gutes Wetter, so dass wir die Berge sogar tatsächlich sehen konnten und nicht nur auf Grund von Google Maps wussten, dass neben uns gerade ein schneebedecktes Gebirge sein sollte.

Aber jetzt von vorne: Patagonien hat für uns, so wie für die Meisten, auf der Carretera Austral in Puerto Montt begonnen. Von dort aus ging es im strömenden Regen (also erstmal sehr typisch für Patagonien) südwärts nach Hornopirén, wo man eine Fähre durch die tiefen Fjorde der Region nach Caleta Gonzalo nehmen kann. Warum es eine Fähre und keine Straßen gibt, wurde uns sofort klar, als wir die Fähre betraten und die Sonne sich durch die Wolken kämpfte: Rund herum um die Fjorde sieht man nur steile Berge bedeckt von dichtem Dschungel, in dem sich nicht einmal Indiana Jones zurechtfinden würde.

Hornopirén (gut, dass das nicht unser Schiff war)


Um diesen einzigartigen Dschungel zu schützen hat der Gründer von North Face Doug Tompkins einen der größten privaten Parks der Welt, den Parque Pumalín ins Leben gerufen. Diesen durften auch wir dann, angekommen in Caleta Gonzalo, erkunden und genießen. Allem voran haben uns dort, wie überall entlang der Carretera Austral, die Campingplätze begeistert, die top in Schuss gehalten werden, immer eine Schutzhütte zum Kochen und Beisammensein bieten und für uns im Parque Pumalín völlig kostenlos waren, da wir noch in der Nebensaison vor Ort waren. Ansonsten bietet der Park eine Vielfalt an abenteuerlichen Dschungelwanderungen, die uns mit ihren zahllosen rudimentären Treppen ziemlich den Atem geraubt haben.

Jan freut sich auf den Campingplatz


Wandern im Parque Pumalín, nichts für Kniegeschädigte

Jan und sein Mittagessen: Riesenrhabarber

Wasserfall am Ende einer stufigen Wanderung


Unser absolutes Highlight des Parks stellt allerdings der Vulkan Chaitén dar. Dieser ist erst im Jahr 2008 mit einem gewaltige Ausbruch in Erscheinung getreten, denn niemandem war vorher bekannt, dass es sich bei dem unscheinbaren Hügel um einen Vulkan handelt. Nach dem wochenlangen Ausbruch, dessen Aschewolke sich bis nach Buenos Aires erstreckte, war der Vulkan um 200m höher als zuvor und bietet heute ein immer noch aktives und faszinierendes Wanderziel.

Vulkan Chaitén im Sonnenuntergang


Unser Ziel in weiter Ferne: Der aktive Vulkan Chaitén


Eine Sicht vom Meer (links) bis zu schneebedeckten Bergen (rechts)


Natalie: "Mein Schatz", Steine die durch die Hitze eines Vulkanausbruchs zu Glas wurden


Endlich angekommen am Krater des Vulkans Chaitén


Der Wald um den Vulkan wurde von der Hitze des Ausbruchs verbrannt


Von dort aus ging es weiter Richtung Süden, immer noch durch Dschungel und immer begleitet von Riesenrhabarber und Farn am Wegesrand, zum Lago Yelcho. Dieser türkisfarbene See ist wunderschön in die ihn umgebenden schneebedeckten Berge eingebettet und lädt zum Entspannen ein. Hier haben wir auch unsere erste Bekanntschaft mit Campingplätzen aus reinem Schotter gemacht und beim verzweifelten Versuch unser Zelt aufzubauen eine typische Campingerfahrung gemacht. Denn der einzige andere Camper war ein herzenslieber Mann aus Pinneberg (Liebe Grüße an alle unsere Nordlichter, eure Landsleute sind klasse), der uns sofort zu Hilfe kam und uns einen Hammer geschenkt hat. Camper halten eben immer zusammen.

Lago Yelcho


Das Hotel unseres Campingplatzes am Lago Yelcho


Ausgeschlafen und gestärkt durch Pancakes fuhren wir weiter zu dem ersten Gletscher, den wir von nahem betrachten durften. Die Kulisse in die dieser "Hanging Glacier" im Parque Nacional Queulat eingebettet ist, könnte nicht malerischer sein: Umgeben von dichtem Dschungel erblickt man nach einer Wanderung durch diesen Urwald den über eine Klippe hängenden Gletscher mit seinen Wasserfällen und seinem durch diese gespeisten See. Wir sind uns einig, dass dieser Anblick einer der faszinierendsten auf all unseren Reisen bis jetzt war. Als wäre das nicht genug hört man in der ganzen Schlucht immer wieder das Knacken und Brechen des Gletschers und sieht mit etwas Geduld sogar Eisbrocken von ihm in die Tiefe stürzen. Auch hier erwischten wir allerdings wieder einen Campingplatz aus Schotter, aber jetzt haben wir ja einen Hammer!

Jan bewundert den Hanging Glacier

Hanging Glacier im Parque Nacional Queulat

Gespanntes Warten auf den nächsten Eisfall

Gletscher, Wasserfall und See: Eine Einheit

Die weitere Strecke lässt sich vor allem durch ein Wort beschreiben: Lupinen! Egal wo man hinsah, überall erstreckte sich ein Meer aus rosa, lila und gelben Lupinen, die im Wind tanzten und so die Umgebung aus Bergen, Seen und Flüssen ergänzten. 

Blumen, Blumen, Blumen


Dass diese Blumen jedoch noch jemandem viel Kummer bereiten würden, wurde uns auf dem nächsten Campingplatz klar. Hierzu muss man etwas erwähnen, das wir bis jetzt außen vor gelassen haben: Mit uns bereisten nicht nur einige Hitchhiker die Carretera Austral, sondern vor allem Fahrradfahrer. Wir haben den höchsten Respekt vor diesen, zumal die Straßenverhältnisse mit einem Fahrrad schon schwierig zu bewältigen sind, die Wetterverhältnis mit viel Wind und Regen allerdings selbst die ganz hart gesottenen irgendwann zum Verzweifeln bringen. 

Respekt für diese Disziplin


Daher verstand es sich von selbst, dass wir sofort unsere Hilfe anboten, als ein junger Schotte und seine Frau, die mit dem Fahrrad unterwegs waren, uns ihr Unglück schilderten. Dieser hatte irgendwo auf den letzten 40km, die sie zurückgelegt hatten, seine Regenjacke samt Kamera verloren und dies während der Fahrt nicht gemerkt. Also packten wir die Zwei in unser Auto und fuhren die Strecke ab, um die blaue Regenjacke zu finden. Man würde denken eine blaue Jacke am Straßenrand kann man nicht übersehen. Zwischen Millionen lilafarbenen Lupinen sieht die Sache allerdings schon etwas schwieriger aus. So blieben wir leider erfolglos und mussten die Schotten schweren Herzens ohne Regenschutz und Urlaubsfotos zurücklassen.

Unsere weitere Fahrt auf Schotterpiste verlief entlang wunderschöner Blumenmeere, kleiner Seen und Gebirge. 

Typisch Carretera: Die Extreme zwischen Meer und schneebedeckten Bergen


Unsere ständigen Begleiter: Truthahngeier

Überall Gletscherflüsse

Lupinen so weit das Auge reicht

Bergstraße wie in den Alpen


Nach einem ganzen Tag Autofahren, da man bei den Straßenverhältnissen nie schneller als 50km/h fahren kann, kamen wir endlich in Puerto Río Tranquilo an. Dieser Ort liegt am Rande des riesigen Lago General Carrera und bietet gleich zwei berühmte Ausflugsziele: Das Valle Exploradores und die Capilla de Mármol. Daher hatten wir uns vorgenommen hier einige Tage Rast zu machen und den See, das Tal und die Marmorhöhlen zu erkunden. Aber eine wichtige Erfahrung beim Reisen ist auch, dass nicht alle Pläne immer aufgehen.

Lago General Carrera und seine UFO-Wolken

Ein riesiger See voller strahlend türkisfarbenem Wasser

Unser erster Ausflug sollte eine Fahrt durch das hoch gelobte Valle Exploradores mit einer Wanderung zu einem Gletscher werden. Was uns leider keiner gesagt hatte war, dass die Straße in das Tal nach ca. 20 km Schotterpiste einfach im See endet und nach 20m wieder aus dem See auftaucht. Wir haben ganz kurz in Erwägung gezogen unseren SUV durch den See zu manövrieren, dann allerdings festgestellt dass für diese Überquerung kleine Personenboote zur Verfügung stehen und beschlossen, dass das wohl ein eindeutiges Zeichen ist, dass man mit dem Auto nicht dort durchfahren sollte. Später fanden wir heraus, dass das Tal wohl seit einigen Jahren nur noch durch gebuchte Touren zu erkunden ist (Hätte man eventuell an den Beginn das Straße schreiben können, aber ok).

Unsere Fahrt endet wohl hier


Daraufhin nutzten wir den Tag anderweitig und fuhren direkt zu dem Bootsanleger für die Capilla de Mármol. Diese Marmorhöhlen sind nur mit kleinen Motorbooten über den Lago General Carrera zu erreichen und erstrecken sich entlang der Küste über ca. 1 km. Nachdem wir über 1 Stunde auf windstilles Wetter gewartet hatten, ging die Bootstour mit einigen anderen Deutschen und zwei echt coolen Tourguides endlich los und erwies sich als echtes Highlight. Da wir einen Geheimtipp befolgt hatten und zu einem Bootsanleger 8km entfernt von der Stadt Puerto Río Tranquilo gefahren waren, waren wir vor allen anderen Booten an den Höhlen und konnten sie ganz allein von allen Blickwinkeln erkunden. Unsere Guides fuhren mit uns in schmale Tunnel und durch wunderschön gemusterte Gewölbe. Unter uns schimmerte das kristallklare und leuchtend türkisfarbene Wasser und vor uns türmten sich weiß, grau und schwarz gemusterte Marmorhöhlen: Eine bessere Alternative zu unserer geplanten Gletscherwanderung hätte es sicher nicht gegeben.

Die Klippen der Marmorhöhlen


Capilla de Mármol


Die Natur ist der größte Künstler


Man fühlt sich fast wie in der Karibik


Um das gute Wetter noch richtig auszunutzen ging es danach weiter zum Río Baker, dem wasserreichsten Fluss Chiles, der mit seiner ebenfalls strahlend türkisen Farbe beeindruckt. Der Kontrast zu normalen Flüssen wird vor allem an der Confluencia Río Baker y Neff deutlich. Hier trifft der türkisfarbene Fluss auf einen anderen, der in seiner Farbe eher deutschen Flüssen ähnelt. Dieser schöne Anblick beendete dann auch unsere Reise auf der Carretera Austral. Diese Straße ist nicht ohne Grund eine der berühmtesten der Welt und trotz der vielen Berichte und Filme, die man über sie sehen kann, muss man sie doch selbst erleben, um ihre einzigartige Atmosphäre zu begreifen. Wir würden es jederzeit wiederholen.

Glücklich am Ende eines traumhaften Erlebnisses auf der Carretera Austral


Und nicht zu vergessen: Feliz navidad, oder frohe Weihnachten von ganzem Herzen an all unsere Liebsten! ♡ Und kommt gut ins neue Jahr!

Song of the Carretera Austral: Feliz Navidad – José Feliciano

Antworten (1)

Dave
Wow, tolle Bilder und Geschichten. wir werden die heute Abend auf pascal's neuem Beamer in voller Größe ansehen. Ich möchte alle Bilder in meinem neuen Schlafzimmer aufhängen oder selbst hinfahren. Felix Nuevo anos Mama

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