Veröffentlicht: 21.11.2023
Mehr Meltingpot geht nicht! Melbourne ist eine multikulti Stadt die Ihresgleichen sucht. Bedingt durch die Geschichte, allen voran dem Goldrausch Ende des 19. Jahrhunderts und der lauten und deutlichen Aufforderung dieses große Land Anfang des 20. Jahrhunderts zu bewirtschaften, geschuldet, haben sich hier Vertreter von über 140 Nationen niedergelassen und man ist stolz, dass Melbourne die jeweils größte Gemeinde an Italienern und Griechen außerhalb des Landes hat (Ich hab da ein bisschen meine Zweifel, aber gut, wenn dass hier so erzählt wird!). Dass das Thema Einwanderung und Flüchtingsaufnahme aktuell hier wie auch in Europa ein großes ist, soll an dieser Stelle auch erwähnt werden. Während man vor nicht allzu langer Zeit die Hilfe der Zuwanderer benötigt hat, um alles aufzubauen, so wird jetzt diskutiert, wie denn die Gesellschaft in der Zukunft aussehen soll und wie restriktiv dies gehandhabt werden soll. Während auf der einen Seite gesagt wird, dass das Land gut und gerne bis zu 60 Mio. Menschen aufnehmen könnte, schließlich ist ja in der Mitte noch jede Menge Platz, werden auf der anderen Seite Stimmen laut, dass das fragile Ökosystem ja maximal 30 Mio. vertragen kann.
Die Vielfältigkeit drückt sich allem voran und wer mich kennt weiß, dass mich das schnell überzeugt durchs Essen aus. Es gibt die verschiedensten Restaurants von sämtlichen asiatischen Richtungen über europäisch bis hin zu afrikanisch. Man kann sich von Ecke zu Ecke mit stilvollen Mehrgangmenü, Streetfood oder auch "nur" mit dem (selbsternannten, dafür aber auch wirklich sehr gut) weltbesten Kaffee und dazu passenden Gebäck durchfressen und das Leben in vollen Zügen genießen. In den aufblühenden Stadtteilen reihen sich hippe Lokalitäten in leicht abgehalfterten Straßen aneinander und bilden mit schicken Secondhand-/Vintageläden und der ebenso wie in der Innenstadt häufig anzutreffenden Streetart (Graffiti ist es nur, wenn es keine Genehmigung im Vorfeld gibt, das ist hier nicht der Fall, also gilt es als Kunst! ;o)) ein ganz besonderes Flair kreativer Energie. Vielleicht ein bisschen wie Berlin an manchen Ecken. Nur zu gerne würde ich jedes einzelne Etablissement mit mir vertrauten und lieben Menschen erkunden. Merkt man da etwa ein bisschen die Melancholie der Weihnachtszeit heraus? Ja, vielleicht! Nach wie vor ist es komisch die Weihnachtslieder dudeln zu hören, während man sich vor Schutz der Sonne in ein Kaufhaus flüchtet, aber trotzdem ist es Weihnachten, das kann man auch hier nicht leugnen. Dabei ist Melbourne dafür bekannt, dass es die Stadt der 4 Jahreszeiten ist und das an einem Tag! Ich weiß, was gemeint ist. Im Gegensatz zum restlichen Australien braucht man hier schon manchmal ein Jäckchen und ist gut beraten, sich auf Wetteränderungen einzustellen.
Die Weihnachtstage habe ich bei einem ehemaligen Studienkollegen und seiner Frau verbracht. Ich habe mich sehr wohl gefühlt und die Tour am ersten Weihnachtsfeiertag, also der eigentliche Feiertag in Australien, hat mir noch die 12 Apostel auf der Great Ocean Road beschert, die ich eigentlich schon aus Zeitmangel gedanklich gestrichen hatte. Das besondere Schmankerl waren aber die Koalas, die wir beim Nachmittagsspaziergang im Baum gesehen haben. Eigentlich müsste man sagen, haben wehen sehen, denn es war an diesem Tag nicht wirklich warm und etwas windig. Der eine Koala hat sich nichts desto trotz tapfer am Stamm festgehalten und hat sein Schläfchen nach einer kurzen Musterung der aufdringlichen Zuschauer einfach fortgesetzt.
Der 26.12. ist hier, von der Reklame und den eigenen Glückwünschen zu diesem Tag zu schließen, fast noch wichtiger als der 25.12. Der sogenannte Boxing Day ist gleichbedeutend mit Sommerschlussverkauf und sämtliche Leute tummeln sich in der Stadt, um die exorbitant hohen Rabatte abzusahnen. Die, die nicht shoppen gehen, arbeiten und kassieren den dreifachen Stundenlohn. Ein richtiges Familienfest also.
Als letzte Station in diesem Jahr und in Australien blieb also nur noch Sydney. Es hört sich vielleicht komisch an, aber bisher habe ich mich auf der Reise noch nicht richtig weit weg gefühlt. Aber der erste Blick auf das Opernhaus, das architektonisch zwar einzigartig, aber in der Tat wirklich einfach nur hässlich ist, hat mir die Tränen in die Augen steigen lassen. Weder das Marina Bay Sands noch der Ayers Rock haben das bei mir bewirkt. Nicht, dass ich mich alleine gefühlt hätte, aber irgendwie habe ich realisiert, dass ich ja schon ziemlich weit weg und wirklich da bin, was man bisher nur von Bildern und Erzählungen kannte.
Dass Sydney besonders zu Silvester eine Reise wert ist, ist so ziemlich jedem bekannt und sehr viele der Backpacker, die ich in den Wochen zuvor getroffen habe, haben gesagt, dass sie zu dieser Zeit in der Stadt sind. Und so ist es auch! Ich bin bestimmt nicht klaustrophobisch veranlagt, aber die vielen Menschenmassen, auch schon Tage vor dem großen Event, lassen einen förmlich zum Misanthropen werden. Aber ich ich bin ja nicht doof und dachte mir, ich mach nen Tagesausflug in die Blue Mountains, um den Massen zumindest für einen Tag lang zu entkommen. Pustekuchen! Meinen Plan hatten zigtausend andere auch. Als ich sehr zeitig im Zug saß, wurde es immer voller, bis letztendlich einige die 2 h Zugfahrt stehen mussten. Natürlich stiegen dann 95 % der Leute an der Station aus, die ich auch ich nutzen wollte. Ich bin also ausgestiegen und drei Türen weiter wieder in den Zug gestiegen, nur um den Menschen zu entkommen. Habe dann erst nen kleinen Walk zwei Stationen weiter gemacht und bin dann mit dem Bus zu den Three Sistern und dem Aussichtspunkt gefahren. Es waren immer noch massig Menschen da! Am liebsten hätte ich jedem, der den Weg verstellt hat, sich in irgendeiner anderen Art falsch verhalten oder auch einfach nur dumm geguckt hat, rechts und links eine runtergehauen, so geladen war ich. Nichts desto trotz, die Natur war schon schön. Aber da muss schon viel passieren, dass ich mich wegen einer sehr sehr kurzen Gondelfahrt für sehr viel Geld in eine gefühlt mehrere hundert Meter lange Schlange stelle!
Für den Silvesterabend habe ich mir etwas ganz Besonderes gegönnt! Die Operngala im weltbekannten Opernhaus hat gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe erschlagen: meinen in 2014 immer wieder aufgeschobenen Opernbesuch daheim, die Tour im Opera House in Sydney und die Suche nach einem guten Platz, um das Feuerwerk ansehen zu können, ohne bereits in den frühen Morgenstunden irgendwo zu sitzen. Ich wurde bestätigt. Gegen halb zehn morgens füllten sich die ersten öffentlichen Plätze mit Menschen, die für die ab 18 Uhr beginnende Show gerüstet waren. Ich glaub ich wäre durchgedreht, hatte ich da so lange warten müssen! So bin ich mit meiner Eintrittskarte in der Hand, leichtfüßig und diesmal mit dem Vorsatz mich nicht von den Menschen nerven zu lassen, durch die Straßen und vor allem durch die Absperrungen gehüpft. Die geschmetterten Arien der berühmtesten Opern (ja, ich als bekennender und wissender regelmäßiger Opernsänger weiß wovon ich rede! Mhhh, welche Arien genau....aehmmm... da muss ich doch glatt nochmal ins Programmheft schauen....) waren aber wirklich ergreifend und haben meinen Vorsatz für 2015 das heimische Theaterprogramm diesmal aktiver zu verfolgen und zu verwirklichen (wer kommt mit?) gestaerkt. Und das Feuerwerk, was soll ich sagen? Was kommt wohl raus, wenn eine Stadt mehrere Millionen in die Feuerwerke einer einzelnen Nacht investiert, um auch die Touristen für das nächste Jahr anzulocken? Einfach phantastisch! Atemberaubend! Die 15 Minuten waren für ein Feuerwerk zwar lange, aber wieder war ich froh nicht 14 h sondern nur eine Stunde aktiv darauf gewartet zu haben. Nach einem ganz außerordentlichen Abend gehe ich in den ersten Stunden des neuen Jahres (kaum zu fassen dass schon 2015 ist! wo ist nur die Zeit geblieben? Aber klar, wenn hier in den Museum auch Dinge aus den 90ern ausgestellt werden, war das nicht erst vorgestern?), seltsam aber wahr, nahezu nüchtern in mein Hostel zurück.
Und dann geht die Zeit in Australien auch schon wieder dem Ende entgegen. Ein wirklich wunderschöner Kontinent, der jede Menge zu bieten hat! Auch zwei Monate reichen bei weitem nicht aus, alles zu sehen, aber ich glaube, ich habe einen sehr guten Überblick bekommen.
Wie ist denn jetzt eigentlich der typische Australier? Nun ja, von Vorurteilen wollten wir ja eigentlich Abstand nehmen, aber aus meinen sehr subjektiven Erfahrungen her, ohne Rücksicht auf Regionen oder einzelne Charakterzüge, macht den Australier Folgendes aus:
- auf jeden Fall an einer Stelle des Körpers tätowiert, wenn nicht sogar ganze Gliedmaße farbenfroh mit, aus meiner Sicht eher kurzzeitig andauernden, dafür aber auch eher hässlichen Motiven bedeckt sind
- man ist und bleibt jung, egal wie alt man ist. Das äußert sich in der Kleidung, der Sportart (ja, man
kann auch mit weit über 60 im halbangezogenen Wetsuit cool das Surfbrett unterm Arm zum Strand
tragen) oder eben auch an den Tattoos (die sehen dann aber wirklich nicht mehr toll aus!)
- die obligatorische Kopfbedeckung (Kängaroolederhut, Kappe, o.ä.) gehört in den sehr heißen
Gegenden definitiv zum Outfit dazu
- immer einen freundlichen Gruß auf den Lippen und sehr hilfsbereit (demnach muss ich auch schon langsam wie ein Aussie aussehen, oder warum werde ich ständig nach dem Weg gefragt? Und das Schlimmste, ich kann sogar antworten! Gut, wenn man sich mit dem guten alten Papierstadtplan auskennt! ;o))
- es wird sich viel entschuldigt und "no worries" als Antwort darauf ist der wohl am meisten gebrauchte Ausdruck neben "Gday!" eher ein bisschen faul, was Laufwege angeht und alles was möglich ist, wird sprachlich abgekürzt
- auch immer zu einem Schwätzchen bereit und prinzipiell auch recht neugierig. Oder ist es einfach
nur ein aufmerksameres Miteinander im Gegensatz zum sturen Nebeneinanderleben daheim?
- trotzdem in Summe sehr unverbindlich. "See ya later!" heißt lediglich "Tschüss" ohne
Versprechung/Drohung/Bemühung, dass man sich zu einem späteren Zeitpunkt auch wirklich nochmal trifft. Hat ne Zeit gebraucht, bis man's kapiert
- man bedankt sich in der Regel beim Busfahrer, dass er einen mitgenommen und an der
entsprechenden Station rausgelassen hat (!)
- Hektik scheint hier fremd zu sein, selbst ein Großevent wie Silvester in Sydney läuft ohne große
Hektik und Stress ab
- dahingegen ist der Australier doch sehr behütet. Die Geiselnahme in Sydney hat doch sehr für
Wirbel gesorgt und es wird diskutiert, wie gefährlich der Islam ist oder ob eine generelle
Bewaffnung wie in den USA, eine solche Situation wohl verhindert hätte, dabei war es ja nun
wirklich ein einzelner Spinner
- Es geht nichts übers BBQ. Ich glaube, der Australier wird schon mit einer Sprühöldose in der
einer und Spachtel bzw. Grillzange in der anderen Hand geboren. Überall gibt es öffentliche und
kostenlose Grillplätze und Openair-Küchen, bei denen Sitzgelegenheiten, Gas und Wasser und alles
was man an Grundausstattung braucht, ausreichend vorhanden ist. Nur das Essen muss man selbst
mitbringen. Bei dem meist schönen Wetter also ideal.
Ansonsten lebt es sich hier down under anscheinend genauso gut/schlecht wie daheim!!
Well then, Aussie, thanx for everything! See ya!