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Tag 134-138: Endlich am Ziel - der Northern Terminus

Veröffentlicht: 31.08.2022

Tag 134: Eigentlich hatte ich vor, erst mit dem 13 Uhr Shuttle zurück zum Trail zu fahren. Da es allerdings kein WiFi und auch sonst nichts zu tun gibt, nehme ich schon den 8 Uhr Shuttle und will es dann langsam angehen. Auf dem Weg halten wir wieder bei der Bakery und ich decke mich mit zwei herzhaften Croissants, einem Cheese Danish und einer Cinnamon Roll vom Vortag ein. Am Trail angekommen frühstücke ich erstmal und mache mich um 09:30 auf den Weg. Vor mir liegt ein 20 Meilen langer Aufstieg. Mit dem frisch aufgefüllten Proviant keine angenehme Sache, aber der Trail ist größtenteils gut, daher läuft es ganz gut. Und es gibt zwei abenteuerliche Hängebrücken zu überqueren. Würde man einige der Planken zerbrechen, könnten sie auch in einem Indiana Jones Film auftauchen. 

Mein Rucksack ist inzwischen an einer weiteren, aber nicht so dramatischen Stelle aufgerissen. Wenn das so weitergeht, schafft er nicht mal mehr den Rückflug. Die nächsten Tage bis zum Monument kann ich ruhig angehen lassen. 22-24 Meilen pro Tag, dann habe ich am Sonntag zwischen 10-15 Meilen und kann dann noch meine Victory Lab beginnen. Kurz vor meinem heutigen Zeltplatz überquere ich dann noch Highway 20 am Rainy Pass, der letzten richtigen Straße vor der Border. Dazwischen gibt es nur noch eine Dirt Road am Harts Pass, von dem aus ich am Montag hoffentlich einen Hitch zurück in die Zivilisation bekomme.

Tag 135: Da ich heute nicht so viele Meilen machen muss, stelle ich mir keinen Wecker und schlafe aus. Um 07:30 laufe ich letztendlich los. Es ist heute deutlich kühler als die Tage zuvor und es nieselt immer wieder leicht. Zunächst geht es rauf zum Cutthroat Pass. Hier habe ich spektakuläre Aussichten auf die schroffen und zerklüfteten Cascades.

Dann geht es weiter zum Methow Pass und hinab zum Golden Creek, dem Methow River und dem Brush Creek. Zum Abschluss des Tages gibt es dann einen der letzten, vielleicht den letzten großen Anstieg des Trails rauf zum Glacier Pass und höher hinauf. In Serpentinen geht es den steilen Hang hinauf. Das nimmt nocheinmal ordentlich Zeit in Anspruch. Um kurz vor 18 Uhr erreiche ich dann aber meinen angedachten Zeltplatz. Wieder einmal ist ein Reh um mein Zelt herum unterwegs. Ich hoffe, dass es demnächst Ruhe gibt.

Tag 136: Ich möchte heute auf 10-15 Meilen an die Grenze herankommen, daher laufe ich früh los. Gegen 9 Uhr komme ich zum Harts Pass, wo ich auf Trailmagic treffe. Ich freue mich riesig, denn tatsächlich habe ich nicht mehr mit Trailmagic gerechnet. Eine Mutter und ihre Tochter haben hier gecampt und warten auf einen Hiker, den sie zurück in die Zivilisation bringen. Die Tochter ist den Trail in 2017 gehiket und wieder ist es interessant, die Erfahrungen zu vergleichen. Obwohl es früh ist genehmige ich mir zu meinem Sandwiche eine Dose Cola, der Cookie danach entspricht dann eher der Uhrzeit, aber so etwas spielt für mich sowieso schon lange keine Rolle mehr. Um Viertel nach 10 breche ich dann wieder auf. Der Trail zeigt sich nochmal von seiner besten Seite. 

Und dieser Abschnitt ist besonders, da mir viele Hiker auf ihrer Victory Lab entgegen kommen. Allen gratuliere ich und alle feuern mich an, ein tolles und besonderes Erlebnis. Hier wird mir noch einmal besonders bewusst, was für eine tolle Gemeinschaft wir Thruhiker bilden. Auch einige bekannte Gesichter sehe ich wieder. Als ersten und direkt nach dem Pass treffe ich Nevermind. Kurz nach meiner Mittagspause treffe ich Cowboy und Alien. Und wieder einmal an einer Wasserquelle, kurz vor meinem Camp, Camilla. Mit Abstand am meisten freue ich mich aber, als ich in meiner Mittagspause, gerade als ich angefangen habe zu essen, Butterfly und Sorry den Trail heraufkommen sehe. Wir schließen uns in die Arme und die beiden essen mit mir. Wir tauschen uns über unsere Erfahrungen auf dem Trail und alles mögliche aus. Ich bin unendlich froh, die beiden nochmal getroffen zu haben, aber nach etwa einer Stunde heißt es dann Abschied nehmen. Während die beiden nach Süden laufen, geht es für mich weiter nach Norden. 

Eigentlich will ich über Rock Pass und dann auf dem Woody Pass campen. Doch knapp vier Meilen vor Woody Pass und gerade als ich an der letzten guten Campsite vor den Pässen vorbeikomme fängt es an zu Gewittern und zu regnen. Den Regen warte ich unter den Bäumen ab. Doch das Gewitter hält sich hartnäckiger. Um halb 6 entscheide ich mich schließlich schweren Herzens dafür, dass Zelt aufzuschlagen. Ich bin 14,6 Meilen vor der Grenze, habe mein Tagesziel so gesehen also erreicht und in einem Gewitter den Berg weiter aufzusteigen macht nun einmal gar keinen Sinn. So kurz vor dem Ziel vom Blitz erschlagen zu werden wäre schon sehr ärgerlich. Und am Ende war es die richtige Entscheidung, gerade als ich mein Zelt aufgebaut habe beginnt es nochmal zu regnen und selbst um 20 und 21 Uhr höre ich in der Ferne leisen Donner. Mein Plan für morgen ist es jetzt, das Zelt und alles, was ich nicht brauche, hier zu lassen und nur mit leichtem Gepäck zur Grenze zu laufen und dann wieder hier her zurück zu kommen. Je nach dem, wie spät es ist und wie ich mich fühle kann ich dann entweder ganz entspannt nochmal hier campen oder meine Sachen packen und noch ein paar Meilen weiter zurück zum Harts Pass laufen. Neben mir campt eine Flip Flopperin namens Spring mit der ich mich gut unterhalte. Bisher habe ich noch gar nicht realisiert, dass ich morgen tatsächlich die Grenze erreichen und damit den PCT beenden werde.

Tag 137: Ich stehe um 05:30 auf und laufe zehn Minuten später los, da ich nichts packen muss oder ähnliches. Ich nehme nur meinen Trekkingpole, den ich für das Zelt brauche und beschwere die Ränder des nun am Boden liegenden Zeltes mit Steinen. Trotz des überlasteten Beines bin ich mit meinem leichten Rucksack schnell unterwegs, so schnell wie ich eigentlich auch mit Gepäck bin. Ein schönes Gefühl. Das Tal liegt unter einer Wolkendecke, aber auf Rock Pass stehe ich darüber und habe einen tollen Anblick. 

Noch besser wird es, als ich zwischen Rock und Woody Pass bin. Genau zwischen den beiden Pässen drückt der Nebel über den Bergkamm und es sieht aus, als ob sich der Nebel in einem Wasserfall ins Tal ergießt. Das selbe passiert bei Woody Pass. 

Ab dort hike ich eine Weile im Nebel. Auf diesem Abschnitt kommt mir Sabotage entgegen, mit dem ich mich kurz unterhalte. Dann geht es den Berg nochmal ein wenig hinauf und noch einmal habe ich eine grandiose Aussicht auf das unter mir liegende Wolkenmeer. Und dann beginnt der sieben Meilen lange Abstieg zum Monument. Auf dem Weg kommen mir immer wieder verschiedene Erlebnisse in den Sinn, die ich auf dem Trail hatte. Teilweise Unterhaltungen und Begegnungen, manchmal eine bestimmte Aussicht und teilweise auch einfach nur besonders gutes Essen. Und dann bin ich am Monument und an der kanadischen Grenze. Ich bin ganz alleine. Gestern habe ich Sorry und Butterfly gefragt, wie es sich anfühlt, fertig zu sein mit dem Trail. Butterfly meinte, sie könne es noch gar nicht fassen. Für Sorry war es ein bittersweet Feeling. Und mir geht es ganz genauso. Ich kann noch gar nicht begreifen, dass das tatsächlich das Ende ist. Und gleichzeitig bin ich überglücklich, am Ziel zu sein, würde aber am liebsten einfach weiter hiken. So vieles hat sich während meiner Zeit auf dem Trail verändert und gleichzeitig überhaupt nichts. Nach einiger Zeit, in der ich versuche, Ordnung in meine Gefühle und Gedanken zu bringen und dann doch aufgebe, mache ich die obligatorischen Bilder und signiere mein letztes Trailregister. 

Just casually walked 2650mi/ 4265km from Mexico to Canada

Während ich das Register durchblättere kommt eine weitere Gruppe Hiker an. Und dann mache ich mich auf den Rückweg. Immer wieder kommen mir andere Hiker entgegen, manche kenne ich, andere nicht. Alle gratulieren mir zum Abschluss des Trails und ich wünsche ihnen alles gute für ihre letzten Meilen. Nach einiger Zeit holt mich ein Hiker namens Courier ein und ich hike den Rest des Tages mit ihm zusammen. Da ihm das Essen ausgegangen ist und ich zu viel habe, gebe ich ihm etwas. Im Gespräch erzähle ich ihm, dass heute mein Geburtstag ist. Als Geschenk und zum Dank für das Essen gibt er mir einen Mushroom mit genauen Instruktionen, wie ich ihn nehmen soll und was ich zu erwarten habe. Da habe ich wohl noch eine spannende Erfahrung vor mir in Oregon. Am Abend zurück im Camp finde ich mein Zelt so vor, wie ich es zurück gelassen habe. Ich stelle es schnell wieder auf und verbringe den Abend mit anderen Hikern. Zur Feier des Trailabschlusses und meines Geburtstages habe ich mir ein gutes Backpackermeal aufgehoben und den letzten Instant-Pudding aus dem Care-Paket meiner Eltern. Für Trailverhältnisse ein wahres Festessen. Und ich muss sagen, ein besseres Geschenk, als den PCT heute zu beenden, hätte ich mir selbst zum Geburtstag nicht machen können.

Tag 138: Da ich wenn möglich bis zu einer der Städte an der Interstate 5 kommen möchte laufe ich auch heute um 06 Uhr los. Zunächst alleine, später zusammen mit Courier und Mojo. Wieder ist es eine tolle Erfahrung, die Victory Lab zu laufen und von allen gratuliert zu bekommen. Besonders freue ich mich, Waterbaby nochmal zu treffen und vier Meilen vor Hart Pass auch Warrior und Hasbeen. Die beiden haben mir zum Feiern ein Bier mitgebracht, worüber ich mich riesig freue und wir setzen uns und unterhalten uns ein wenig. Während wir da sitzen, tauchen noch ein paar mehr Hiker auf, die wir kennen und sich zu uns setzen.

Dadurch blockieren wir für eine Weile den Trail ziemlich, aber es kommen nicht zu viele Hiker durch, die alle Verständnis für unsere kleine Reunionparty haben. Recht bald verabschieden wir uns aber auch wieder voneinander, allerdings ist der Plan, dass ich, sobald ich meine Lücke geschlossen habe, die beiden nochmal in Seattle treffe, bevor ich dann heim fliege. Ich hoffe sehr, dass das klappt. 

Am Pass bekommt Courier sehr schnell einen Hitch mit zwei anderen Hikern, während Mojo und ich nochmal Trailmagic von einer Dayhikerin bekommen, die auf ihren Sohn wartet, der am nächsten Tag zurück kommt. Es gibt Muffins und Soda. Nach etwa einer Stunde kommen zwei weitere Weekendhiker an, die wir am Morgen auf dem Trail getroffen haben. Wir haben riesiges Glück, denn die beiden fahren nach Everett, 30 Meilen nördlich von Seattle. Für die ersten 25 Meilen nach Mazama brauchen wir eine Stunde, denn es geht eine schmale und holprige Forrest Road hinunter. In Mazama müssen wir tanken und sammeln zusätzlich noch Courier ein, der es nur bis hierher geschafft hat. In Everett verabschiedet sich Mojo, seine Familie ist gerade in Seattle und er fährt direkt weiter. Ich gehe mit Courier zu Kenntucky Fried Chicken zum Essen und für WiFi, um zu planen, wie ich am schnellsten nach Sisters komme. Tatsächlich breche ich noch in der Nacht, um 12:05, auf, während Courier in Everett bleibt und morgen nach Seattle möchte.


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