Veröffentlicht: 04.09.2018
Sowohl die Lebensmittelvorräte als auch der Tank waren aufgefüllt. Beste Bedingungen den Roadtrip über eine von Neuseelands abgelegensten Straßen fortzuführen! Der „Forgotten World Highway“ verbindet unseren Startpunkt „Taumarunui“ mit dem westlich gelegenen „Stratford“.
Der 155km lange State Highway 43 ist der geringst befahrene Highway von ganz Neuseeland. Er führt vorbei an unberührter Natur, vereinzelten Siedlungen, verlassenen Kohlebergwerken und entlang eines Flusstales.
Wir zögerten nicht lange und starteten früh unsere Reise. Der Beginn des einst so wichtigen Highways glich vielen anderen. Er führte an Farmland und vielen grünen Hügeln vorbei. Was uns jedoch schnell auffiel, waren die vielen Verkehrshindernisse (Bäume, Erdrutsche), welche pomadig zur Seite geschoben oder mit wenigen Pylonen abgesichert wurden. Aufgrund dessen war die zweispurige Fahrbahn regelmäßig nur einspurig (ohne Verkehrsreglung versteht sich) befahrbar. Doch das war nicht weiter tragisch - es kam sowieso kaum ein Auto entgegen. ;)
Wir genossen die Einsamkeit auf der Straße; in aller Ruhe überquerten wir die mehreren Bergpässe. Hier und da hielten wir an, um Bilder von der abwechslungsreichen Vegetation zu schießen. Auch die Tierwelt wusste zu unterhalten - mal thronte ein massiver Bulle über seine Weide, mal spazierte eine Gruppe Truthühner über die Fahrbahn. Den Höhepunkt bildete jedoch eine große Schafsherde. Frisch vom Schafscherer begleitete der Schäfer seine Schützlinge mehrere hundert Meter über die Fahrbahn. Mit Hilfe seiner Hunde versuchte er die schreckhafte Herde unter Kontrolle zu halten. Plötzlich gab der Hirte die Fahrbahn frei und unser Sam war Teil der Herde! Ganz langsam trieben wir die Schafe - mehr oder weniger - über den State Highway. Der Großteil der Gruppe blieb beisammen und rannte vor uns her. Ein paar hungrige Mäuler nutzten die Gunst der Stunde und fraßen frisches, knackiges Gras, das am Straßenrand wuchs. Herrlich! So stellt man sich doch Neuseelands Straßen vor!? :)
Nach gut fünf Minuten hatten sich die meisten Vierbeiner an den Fahrbahnrand gerettet, sodass wir unsere Fahrt ungehindert fortsetzen konnten.
Die nächste Herausforderung war ein 12 Kilometer langer Gravel Road Abschnitt. Da wir den Schotterbelag mittlerweile gewohnt sind und der Zustand der Straße nicht allzu schlecht war, konnten wir diese Passage problemlos meistern.
Umso weiter wir vorankamen, umso deutlicher veränderte sich die Vegetation abseits der Straße. Die grünen Hügel vom Anfang wichen einem dichtbewachsenen Wald und grünen Schluchten. Auch hier bauten wir mehrere Pausen ein, um uns die Beine zu vertreten.
Bevor wir die Hälfte der Gesamtdistanz erreichten, bogen wir vom Highway ab. Ziel waren die „Mt Damper Falls“, welche einen halbstündigen Umweg bedeuteten. Die Anreise mit dem Auto ist nicht weiter der Rede wert. Der 20-minütige Fußmarsch über eine aufgeweichte, matschige Schafsweide schon eher. Durch den vielen Regen der vergangenen Tage standen wir gleich mehrmals vor kleineren Herausforderungen, den schlammigen Weg ohne Ausrutscher zu überqueren. Wir mussten darauf aufpassen, nicht komplett im Matsch zu versinken. Doch ein Ziel war in Sicht und das Bild, welches sich am Ende des Weges bot, ließ alle Komplikationen der Anreise vergessen. Der Wasserfall fällt im dünnen Strahl sagenhafte 74m hinab und zählt damit zu den höchsten Wasserfällen der Nordinsel - und sicherlich auch zu den Schönsten. Eine helle Steinwand bildete den Hintergrund, wodurch sich die Mt Damper Falls besonders gut hervorhoben. Ein traumhafter Anblick, den wir mit keinem weiteren Besucher teilen mussten.
Zurück auf dem State Highway 43 ließ die nächste Sehenswürdigkeit nicht lange auf sich warten. Der einspurige „Moki Tunnel“ aus dem Jahr 1936 ist 180m lang und bekam den Spitznamen „Hobbit's Hole“ verliehen - wobei wir uns eine Hobbithöhle etwas freundlicher vorgestellt hätten.
Vier Stunden nach Abfahrt und knapp 90 Kilometer später kamen wir in „Whangamomona“ an. Die Gemeinde zählt heute ganze 40 Einwohner und ist die größte Siedlung am Forgotten World Highway. Wir parkten unser Auto und erkundeten die „Hauptstraße“. Die Ortschaft wirkte wie ausgestorben, ist sie aber nicht. Ganz im Gegenteil, sie hat es faustdick hinter den Ohren!
Als im Jahr 1989 Whangamomona in gleich zwei Regierungsbezirke zugeteilt werden sollte, stellten sich die Bewohner quer und riefen am 01. November 1989 ihre Unabhängigkeit aus und erklärten sich zu einer eigenständigen Republik. Was wie ein Aprilscherz klingt, wird hier sehr ernst genommen. Alle zwei Jahre wird der Unabhängigkeitstag gebührend gefeiert. - Wir finden die trotzige Reaktion super.
Also besuchten wir das örtliche Hotel, was gleichzeitig das Zentrum des Widerstandes bildet. Das urige Gebäude beherbergt neben den Schlafräumen eine Kneipe im Untergeschoss. Diese ist bestückt mit vielen Erinnerungsbildern. Zum Beispiel sieht man Fotografien der lokalen Rugbymannschaft.
Sie ist die einzige, neuseeländische Mannschaft, welche in komplett schwarzen Trikots spielen darf. Dieses Privileg genießt ansonsten nur die Nationalmannschaft. Doch da die Whangmomonanier schon weit vor der Gründung der „All Blacks“ die Trikotfarbe getragen hatten, führen sie die Tradition bis heute mit Stolz fort.
Nach mehreren Minuten erschien die Eigentümerin des Hotels und erfüllte uns einen langersehnten Wunsch. Bei unserer Einreise nach Neuseeland bekamen wir traurigerweise keinen Stempel in den Reisepass. In Whangamomona hingegen erhält jeder Besucher, für eine kleine Spende in die Kaffeekasse, einen Stempeleintrag! - Wir sind nun stolze Besitzer von einem der seltensten Einreisestempeln, die legaler Weise in den Reisepass eingetragen werden dürfen. :)
Mit dieser Errungenschaft setzten wir die Weiterfahrt nach Stratford freudestrahlend fort. Es ging über weitere Berghänge, unbeschrankte Bahnübergänge und vorbei an noch mehr Erdhaufen, die vorbildlich mit einem Grenzkegel markiert wurden. ;)
Man könnte die Erdrutsche natürlich auch beseitigen, doch das Hütchen wird das schon richten.
Nach über fünf Stunden war unser heutiges Tagesziel erreicht. Das Ortseingangsschild von Stratford war endlich zu sehen. Hier checkten wir auf einem Campingplatz ein und waren froh, nach der langen Fahrt den Motor ausstellen zu können. Zur Belohnung hüpften wir am Abend in den campingplatzeigenen Pool und schwammen ein paar Runden.