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Zwischen städtischer Heterotopie und botanischer Wunderwelt

Veröffentlicht: 13.04.2023

12.04.

Puh, was für ein Tag!

Erschöpft und gleichzeitig aufgekratzt von den heutigen Eindrücken versuchen wir, den Tag Revue passieren zu lassen!

Zu jeder Urlaubsreise gehört für uns ganz klar ein Trip in die jeweilige Hauptstadt, wenn nicht der Urlaub ohnehin aus einem Hauptstadttrip besteht!

So also auch Port Louis auf Mauritius. Wir fragen uns schon vorab, ob es abschreckend erscheint, wenn der Reiseführer nur 3-4 Seiten über die Stadt selbst anbietet, um dann sofort wieder auf die Umgebung und Strände der Westküste umschwenkt.

Egal, wir wollen uns den Trubel und die (uns so erscheinende) Hektik genauer ansehen, nachdem wir bereits ein paar Mal auf der Stadtautobahn gen Norden einen Vorgeschmack dessen erhalten durften.

Allein die Anfahrt zum Parkhaus an der 1996 komplett erneuerte Caudan Waterfront gestaltet sich als erste Herausforderung; zeigt sich das Navi doch zum ersten Mal maximal überfordert mit der Straßenführung! Nach vier Anläufen und mehrfachem Austesten des Wendekreises unseres Minigefährts finden wir doch die richtige Einfahrt und müssen erstmal kurz durchatmen! Erste Hürde ist geschafft.

Die Caudan Waterfront ist so in etwa die Flaniermeile auf der hafennahen Stadtseite und besteht komplett aus neu gebauten Gebäuden wie einer Oper, mehreren Hotels, teuren Designerläden und Cafes/Restaurants! Und dem Blue Penny Museum…dazu aber später mehr.

Irgendwie wirkt dieser Stadtabschnitt völlig deplatziert und im völligen Kontrast zu dem, was uns nach der Über-, bzw. Unterquerung der Autobahn erwartet!

Hier tauchen wir ein in das komplette Chaos, den Lärm und die Enge der Hauptstadt!

Und es erschlägt uns völlig. Vor allem Ida wird immer leiser und pappt eng an uns, scheint sie von den visuellen, optischen und erst recht olfaktorischen Eindrücken reichlich überfordert!

Wir kämpfen uns durch die engen Gassen, durch die trotzdem zweispurig Autos und Motorräder preschen, vorbei an allerlei ludollf‘schen Gelumpeläden auf der Suche nach den paar Highlights, die wir ansteuern wollen.

Dies ist zuerst die Yummah Moschee, erbaut 1850. Das Gebäude vereint indische, muslimische und kreolische Bauweisen und leuchtet mit seiner komplett weißen Außenfassade aus der schmutzigen Umgebung heraus. Wir werfen einen Blick hinein und werden von drei Einheimischen freundlich empfangen und darauf hingewiesen, uns gern umschauen zu dürfen!

Hier wirkt alles auch direkt etwas ruhiger als „draußen“, so dass wir ein Weilchen im Innenhof sitzend ebenjene Stille genießen.

Der nächste Anlaufpunkt ist der Central Market, den man „gesehen haben muss“!

Die vordere Halle ist tatsächlich auch recht interessant, reiht sich hier Obststand an Obststand und auch die Gerüche empfinden wir als angenehm, da unter anderem Gewürze wie Nelken, Vanille, Zimt und Muskat den Weg in die Nase finden!

Ein handfester Streit zwischen einem Verkäufer und einem einheimischen Kunden unterbricht das Treiben, was wir allerdings auch zum Weitergehen nutzen und im Anschluss einen, nein zwei Blicke in die Fleisch- und Fischhalle werfen. Hier dreht es uns vollends den Magen um, denn der Gestank, der uns aus den Hallen entgegenschlägt, ist schon mehr als grenzwertig. Immerhin gibt es, vermutlich den verschiedenen Religionen gerechtwerdend, getrennte Hallen für Rind, Schwein, Ziege, Geflügel und Fisch! Am unerträglichen Geruch und dem alles andere als hygienischen Anblick ändert das jedoch nichts.

Auf Holzbrettern ohne jegliche ersichtliche Kühlung liegen allerlei Geflügelfüße, Innereien, Fischteile und was das Fleischliebhaberherz sonst noch so erfreut!

Tapfer versuchen wir die Fassung zu behalten, bis wir wieder Tageslicht sehen und tief einatmen können.

Wir kannten diese Art Markthalle noch aus Thailand, jedoch toppt sowohl die Außenansicht als auch das Interieur dieser Bruchbuden den damaligen Eindruck nochmal um Längen!

Der nächste Stopp treibt uns wieder raus aus dem Moloch auf die Hafenseite zum Aapravasi Ghat. Hier kamen ab 1834 die Schuldknechte (hauptsächlich aus Indien) der britischen Kolonialherren auf der Insel an, um auf die diversen Zuckerrohrplantagen verteilt zu werden. Innerhalb von fast 100 Jahren erreichten auf diese Weise über 450.000 Arbeiter die Insel. Zeitgleich fassten die winzigen Barracken teils um die 1000 Menschen!

Heute stellen die Nachkommen dieser Kontraktarbeiter 68% der mauritischen Bevölkerung.

Dies bringt uns zu unserem vorletzten Punkt auf der Port Louis-Liste. Der Besichtigung eines Hindu-Tempels eingerahmt zwischen Stadtautobahn und Zubringer!

Der Madurai Mariamen Tempel strotzt nur so vor bunten Statuen und Figuren und ist ein faszinierender Farbtupfer inmitten der Stadt. Erneut nutzen wir für kurze Zeit eine religiöse Stätte als Rückzug aus der Hektik um uns herum!

Den Abschluss dieses erschlagenden Vormittags bildet das Blue Penny Museum an der Caudan Waterfront.

Hier befindet sich die berühmteste und nahezu teuerste…Briefmarke der Welt! Wobei wir korrigieren müssen, denn es sind zwei. Die Rote und die Blaue Mauritius sind in der Kombination auf dem „Bordeuax-Brief“ einzigartig und lassen jedes Philatelisten-Herz höher hüpfen! Diese beiden Schätze wurden am 21. September 1847 als erste Briefmarken der Kronkolonie Mauritius verschickt und machten die Insel somit zum damals erst siebten Gebiet weltweit, welches Briefmarken herausgab…Gänsehaut!

Wir sind aber tatsächlich schon auch etwas beeindruckt, zeigt das Museum eben nicht nur die beiden Briefmarken, sondern auch einige Funde aus der Kolonialzeit mit interessanten historischen Malereien und Landkarten aus der britischen Kolonialphase! (Keine Ironie!)

Zurück im Auto atmen wir erstmal erneut tief durch! Port Louis erscheint uns als Westeuropäer wie eine typische afrikanische Stadt als krasses Gegenteil des Zivilisierten und somit für uns als Inbegriff des Chaotischen! Wahrscheinlich sehen wir hier aufgrund der multikulturellen Mischung aller Religionen jedoch nur eine Art Light-Version der klassisch afrikanischen (Un-)Struktur, die uns als struktur- und ordnungsgewohnte Deutsche so fern ist und in uns dementsprechend Unruhe und Stress auslöst! Im Kleinen jedoch hat auch dieses Chaos eine festgelegte Struktur und ist gebunden an Regeln, die all dies, was wir heute haben sehen dürfen, funktionieren lässt!

Als absoluter Kontrast ist unser nachmittägliches Ziel der Botanische Garten in Pamplemousse! Gegründet 1736 vom französischen Gouverneur Mahé de Labourdonnais, der eigentlich nur Gemüse anpflanzen wollte, entwickelte sich mit Hilfe eines findigen Geschäftsmannes einer der beeindruckendsten und artenreichsten Botanischen Gärten weltweit! So finden sich hier unter anderem über 80 verschiedene Palmenarten, Leberwurst- und Muskatnussbäume sowie die Amazonas-Riesenseerose!

Absoluter Star des Ensembles ist aber die Talipot-Palme, welche erst 80-100 Jahre wächst, dann nur ein einziges Mal blüht, um im Anschluss zu sterben! Leider erwischen wir keine der Palmen in ihrer Blütezeit, dürfen uns aber mit Hilfe eines Guides andere faszinierende Pflanzen dieses Gartens genauer anschauen und lernen so bspw die Streblus asper (Schwiegermutterzunge) und den Pimentbaum kennen!

Die Ruhe und Weite des Gartens füllen die Batterien wieder auf und wir genießen die gigantische Pflanzen-Vielfalt mit staunenden Augen!

Der Tag endet fast schon obligatorisch mit einem erneut etwas bewölkten Sonnenuntergang am Strand und einem anschließenden UNO-Marathon im Nebel der Moskito-Räucherstäbchen!

Morgen geht es wieder auf Strand- und Schnorcheltour!

Wir werden berichten…

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