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Trabzon 12.10.2024

Veröffentlicht: 13.10.2024

Günaydın aus Trabzon!


Nie hätte ich gedacht, dass ich einmal meinen Schlafplatz im Dachzelt eines Campers vermissen würde. Während der vergangenen Nacht war das aber locker sechs- bis elfmal der Fall.

Wir hatten das Hotel unter verschiedenen Gesichtspunkten ausgewählt: es sollte einen vernünftigen Parkplatz samt Stromanschluss bieten, so dass es nicht notwendig ist, den Kühlschrank auszuräumen. Es sollte eher am Rande Trabzons, wenn möglich in der Nähe des Flughafens als inmitten der City sein. Was die Abholung der Frauen ungemein erleichtern sollte, so dass wir mit dem Benz nicht komplett durch die Stadt müssen. Und es sollten, wenn möglich, eine Wohneinheit mit zwei Schlafzimmern, anstelle von zwei kleinen Doppelzimmern sein. Naja und bei diesen Parametern können schon auch mal andere Aspekte etwas auf der Strecke bleiben. Das „Sweet-Home-Suite-Hotel“ erfüllte alle aufgeführten Anforderungen. Jedoch rechnen wir nach wie vor immer mal wieder nach, wie genau die ausgewiesenen 80qm wohl zustande gekommen sind. Auch bei der Planung des Badezimmers kam es ganz offensichtlich zu Zahlendrehern oder anderen Irritationen, befindet sich die obere Kante der Duschkabine doch in etwa auf 176cm, was mir bei Betreten und Verlassen eben dieser gewisse Verrenkungen abverlangt.


Bei der Vergabe der Zimmer hatten wir die Wahl zwischen Doppelbett inklusive Flughafen- sowie Baustellengeräuschen und zwei Einzelbetten mit den Lautsprechern des ortsansässigen Muezzin unterhalb des Balkons. Ich entschied mich für die kurze Unterbrechung meines Schlafes um 5:32 Uhr. Womit ich nicht gerechnet hatte, waren die unsichtbaren, jedoch trotz Oropax deutlich vernehmbaren Mücken. Eines dieser possierlichen Tierchen schickte ich gegen halb zwei in die ewigen Jagdgründe. Mindestens ein weiteres war aber nicht auffindbar. Ferner war es unter meiner Decke viel zu warm, so dass ich mich nach jeder Treibjagd nicht wirklich abkühlen und erholen konnte. Ich befand mich in einem stetigen Wechsel aus Einschlafversuchen und Hetzjagd. Irgendwann muss mich dann doch die Müdigkeit übermannt haben, als mir auch schon der Muezzin mit mindestens 93db hinter meinen Oropax einen guten Morgen wünschte.
Gute drei Stunden später hielt ich den von Kadir zubereiteten Morgenkaffee in der Hand. Entschuldigend fügte er hinzu, dass es sich nur um diesen löslichen Kaffee aus der Küche unseres Apartments handelt. Er schmeckte jedoch trotzdem. Nur eben anders als das tägliche Kunstwerk zu Caravan-Zeiten.


Wir bereiteten uns auf den Tag vor, denn es sollte am späten Vormittag zu Haydar gehen. Unsere Entscheidung gegen einen Leihwagen war goldrichtig. Erstens sind die Taxipreise sehr erschwinglich, zweitens gibt es quasi keine größeren Parkplätze und drittens ist es deutlich entspannter, nicht selbst fahren zu müssen. Es fuhr das vom Portier gerufene Taxi vor und ab ging die wilde Hatz. Ich war wirklich gewillt, mich auf der Rückbank anzuschnallen. Ich konnte aber beim besten Willen kein Gurtschloss finden. So sehr ich auch zwischen Sitz und Rückenlehne herumfingerte. Nichts. Im weiteren Verlaufe des Tages registrierte ich, dass die Gurtpflicht hier eher nicht ganz so ernst genommen wird. Wenn sich 50% anschnallen, sind es sehr viele. Mit der Helmpflicht sieht es demgegenüber etwas besser aus. Hier tragen die Piloten meistens einen Helm, wohingegen Personen auf dem Soziusplatz zu 99% ohne einen solchen mitfahren.
Schnell wurde mir klar, dass wir im Fahrzeug des türkischen Rallye-Champions von 1983 gelandet sein müssen. Oder es gab kurz vor unserer Abholung einen medizinischen Notfall in seiner engsten Familie, zu dem eilte. Der Sportkamerad ballerte durch Trabzon was der Dacia hergab. Und ich war sehr überrascht, was dieser PKW mit deutlich sechsstelligem Kilometerstand zu leisten im Stande war. Seit heute weiß ich, die Floskel „die Fahrt verging wie im Fluge“ stammt ursprünglich aus dem Osten der Türkei. Inshallah.


Haydar wohnt in einer Eigentumswohnung in einem der hier typischen Mehrfamilienhäuser mit fünf oder sechs Stockwerken. Es gab ein großes Hallo, haben wir uns doch vor knapp 20 Jahren bei einer Urlaubswoche in Bodrum kennengelernt und dort gemeinsam mit Kadir und Simon die erste und einzige Schaumparty meines Lebens im Halikarnas gefeiert.
Neben Haydar begrüßten uns auch sein Sohn Hakan, seine Tochter Hande samt ihrer beiden Kinder und Kadirs Mama, die ja gestern angekommen war. Natürlich gab es umgehend Cay und Erdnüsse zum Knabbern sowie kurze Zeit später Pide (einmal mit Hack, einmal mit Käse). Ich genoss diese mir so vertraute Atmosphäre türkisch-deutscher Erzählstränge in zum Teil ohrenbetäubender Lautstärke, die ich aber im Gegensatz zu meiner Jugendzeit nur noch selten erlebe. Wahrscheinlich würde ich sie dann auch gar nicht mehr mit dieser Sentimentalität wahrnehmen. Als alle wichtigen und unwichtigen Fragen besprochen, aber sicher nicht geklärt waren, machten wir uns auf den Weg in die City.


Gute 45 Minuten gingen wir ausschließlich bergab, bis wir an einem verkehrsberuhigten Bereich ankamen, in dem es vor Menschen nur so wimmelte. Wir bahnten uns den Weg zu einem ganz spezifischen TurkCell-Shop, da uns Hakan bei der Beschaffung einer SIM-Karte mit Datenvolumen für unseren Hotspot behilflich sein wollte. Als wir den Shop betraten, gingen wir sogleich an allen Mitarbeitenden vorbei nach oben in den dritten Stock. Dort wurden wir im Büro des Gebietsleiters empfangen. Eine Viertelstunde später befand sich in unserem Extra-Smartphone ein Karte mit 100GB, welche wir für schlanke € 35,- erwarben.


Wir ließen uns weiter durch die Stadt treiben und schlenderten entspannt auf der neu angelegten Landzunge an der Wasserkante entlang von Café zu Café. Wir entdeckten das Gefährt des Reisenden aus Bonn, welchen wir in Samsun trafen und hielten einen kurzen Plausch ab. Irgendwann fanden wir uns im alten Teil von Trabzon wieder und liefen auch hier mit großen Augen durch die engen Gassen. Hakan, der ja nun mittlerweile zig Kilometer entfernt wohnt und zwischenzeitlich auch im 350km entfernten Samsun lebte, wurde an jeder zweiten Ecke gegrüßt und in ein kurzes Gespräch verwickelt. Überall Obst- und Gemüseläden mit riesigen, farbenprächtigen Auslagen. Keine Ahnung, wer all das jemals essen soll.


Da Rudy und Julia trotz Verspätung dann ja doch irgendwann mal landen sollten, machten wir uns per Taxi auf den Weg zum Hotel. Diese Fahrt zeigte, dass es hier in den gelben Fahrzeugen nicht nur ehemalige Rennfahrer gibt.


Um 20:30 Uhr kredenzte Kadir Hakan und mir noch einen Kaffee in der Rösterei im Benz, den wir für die Abholung der Frauen aus seinem Schlaf weckten. Kurze Zeit später rollten wir mit dem Caravan vor das Terminal. Wir öffneten die Schiebetür und die beiden sprangen ins Fahrzeug. Glücklicherweise war die Fahrt zurück zum Hotel nur kurz, da ich stehend die Richtungswechsel und Steigungen ausgleichen musste. So schnell adaptiert man die Gepflogenheiten im internationalen Straßenverkehr.


Nach einem viel zu umfangreichen Abendessen bei unserem ortsansässigen Köfte-Restaurant samt abschließenden Baklavar und den obligatorischen guten Wünschen ging es ziemlich schnell in die Betten.

Auf dass die kommende Nacht besser werden würde…

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