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Perito-Moreno-Gletscher

Veröffentlicht: 27.06.2024

Mit Elisa, einem Mädel aus Nantes, die ich auf der zweiten Tour im Torres del Paine kennengelernt hatte und die mit bei mir im Hostel verweilte, machte ich mich am frühen Morgen auf den Weg von Puerto Natales nach El Calafate in Argentinien. Die Stadt ist Ausgangspunkt für die Tour zum Perito-Moreno-Gletscher. Denn dies sollte der Hauptgrund für den Aufenthalt in El Calafate sein. Der Weg dorthin gestaltete sich landschaftlich erneut sehr abwechslungsreich und nach dem Grenzübertritt zu Argentinien auch wieder das gewohnte Bild: im Hintergrund die schneebedeckten Gipfel der Anden, Seen, Hügel und direkt an der Straße kilometerlange Wildfangzäune mit allerlei Kadavern darin. Ich habe mich bereits mehrfach gefragt, wie es die Guanacos über die Zäune schaffen, allerdings hat sich dies dann recht schnell aufgelöst als ich mehrere der Tiere wie federleicht über die Absperrung hüpfen sah. Beeindruckend, erfordert wohl aber etwas Übung und wer es nicht schafft, endet dann eben als Kadaver im Zaun und dient als Mahlzeit für den nächsthöheren Rang in der Nahrungskette.

Guanacos

Außerdem fallen einem beim Blick aus dem Fenster in aller Regelmäßigkeit kleine rote Häuschen mit allerlei Fahnen und anderem Beiwerk auf, eine Art Schrein an dem die Menschen beim Vorbeifahren hupen oder anhalten, um Gaben abzugeben, Nahrungsmittel, Snacks, Geld oder auch Alkohol und Zigaretten. Beim Empfänger der Gaben handelt es sich um Gauchito Gil, einen Volksheiligen der Argentinier um den sich zahlreiche Legenden ranken. Eine Art Robin Hood, der im argentinischen Bürgerkrieg desertierte, um nicht gegen die eigenen Landsleute kämpfen zu müssen. Der Legende nach versteckte er sich daraufhin im Wald, bestahl die Reichen und gab es den Armen. Nach seiner Gefangennahme und dem anschließenden Todesurteil sagte Gaucho Gil dem Henker, dass sein kranker Sohn gesund würde, wenn er zu ihm betete, andernfalls würde er sterben. Der Henker schnitt Gaucho dennoch die Kehle durch, ging nach Hause und fand seinen Sohn sehr krank vor. Daraufhin betete er zu Gaucho Gil und sein Sohn wurde gesund. Solche Geschichten kann man natürlich für Scharlatanerie halten, für viele Argentinier hingegen gilt er als Heiliger und eine Art Schutzpatron für Auto- Bus und Lastwagenfahrer. Und da ich persönlich in Buenos Aires bereits eine gute Erfahrung mit einer Schutzheiligen machen durfte, bin ich hier voll und ganz bei den Einheimischen. ;)

In El Calafate angenommen, wurde man direkt wieder von einer Armee aus Straßenhunden in Empfang genommen, welche die 2 km von der Busstation zum Hostel nicht mehr von unserer Seite wichen. Außerdem genoss man erneut die Vorzüge der Off-Season, in der Kleinstadt tummelten sich nur sehr wenige Touristen und das Hostel mit über 50 Betten teilte man lediglich mit 2 weiteren Individualtouristen. Nach kurzer Stippvisite im Ort, welcher malerisch am Lago Argentino gelegen ist wurde ein Transfer zum Gletscher für den nächsten Tag organisiert und die Vorfreude stieg beim Gedanken an das Naturereignis welches es am nächsten Tag zu betrachten gab.

Die Landschaft um El Calafate

Früh am Morgen wurden wir vom Bus am Hostel abgeholt und auf der anderthalbstündigen Fahrt zum Los Glaciares Nationalpark gab es Nebenbei noch sehr interessante Infos über die Flora und Fauna der Gegend zu erfahren. Beim letzten Stop vor dem Gletscher konnte man von einer Anhöhe aus bereits das Naturschauspiel sehen und war beeindruckt, auch wenn es sich hierbei lediglich um eine erste Distanzbetrachtung handelte. Schon faszinierend, wie die Eiswand sich da plötzlich zwischen den Bergen hervor schiebt. Kurz darauf wurden wir dann am Wanderweg zum Gletscher aus dem Bus entlassen und es sollte nun die Betrachtung aus der Nähe erfolgen, denn das war schließlich das Ziel des heutigen Tagesausflugs. Ein hervorragend und mit viel Holz ausgebauter Wanderweg erwartete die neugierigen Besucher und nach ein paar Minuten talwärts stand man das erste Mal vor diesem Monstrum und bekam den Mund nicht mehr zu. Was für ein Anblick, dieser Koloss aus Eis und die der Szenerie recht zuträgliche Stille der Natur wurde lediglich durch das stetige Knarren und Knacken des Gletschers gestört.

Gleich nach kurzer Zeit des Betrachtens löste sich an der Flanke des Gletschers ein riesiges Stück Eis und verschwand mit einem lauten Knall kurzzeitig im Lago Argentino bevor es als Eisberg wieder auftauchte. Absolut beeindruckend und gleichzeitig die Erinnerung, dass die Eismasse hier ständig in Bewegung ist. Mit einer Geschwindigkeit von bis zu 2 m pro Tag windet sich der Perito-Moreno-Gletscher entlang des drittgrößten Eisfeldes der Erde durch die atemberaubende Landschaft Südpatagoniens bevor er seine Zunge in den Lago Argentino steckt. An der Front bis zu 70 m hoch ragen die Eismassen aus dem Wasser und erst wenn man im Augenwinkel eines der Ausflugsboote wahrnimmt, die sich in sicherer Entfernung zum Gletscher bewegen, bekommt man ein Gefühl für die Dimension des Koloss. Insgesamt 5 Stunden hatte man Zeit, sich auf den Wanderwegen zu bewegen und den Perito-Moreno-Gletscher aus alles möglichen Blickwinkeln zu betrachten. Da ich wieder extremes Glück mit dem Wetter hatte und den gesamten Tag über nur wenige Wolken in der Ferne den blauen Himmel trübten, setzte ich mich an einem der Aussichtspunkte einfach eine gefühlte Ewigkeit in die Sonne und betrachtete die verschiedenen Blautöne und die schroffe Struktur des Eises während nur ganz wenige andere Besucher meinen Weg kreuzten. Einfach wunderbar, solch ein beeindruckendes Naturschauspiel und das alles fast für sich allein. Fühlt sich ein bisschen an wie eine Exklusivaufführung. Immer wieder brechen kleinere und größere Stücke vom Gletscher und treiben dann allmählich in den Lago Argentino ab. Die frischen Bruchstellen hinterlassen einen wunderbaren hellen Blauton und auch nach längerem Betrachten fällt es dem Betrachter schwer, seine Blicke von dieser Naturschönheit zu lösen. Die Zeit bis zur Abfahrt des Busses wird bis zur letzten Minute ausgekostet und auf der Fahrt zurück nach El Calafate ist man immer noch überwältigt und dankbar, dass man dieses Schauspiel der Natur einmal aus der Nähe erleben durfte.

Perito-Moreno-Gletscher

Der Perito-Moreno-Gletscher ist einer von ganz wenigen Gletschern weltweit, wenn nicht sogar der Einzige, die sich aktuell nicht zurückziehen. Verschieden Quellen berichten sogar über ein Anwachsen der Eismassen in jüngster Vergangenheit, laut Forschern lässt sich hier allerdings kein eindeutiger Trend erkennen und das Ausmaß der Eismassen bleibt zumindest stabil. 

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