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El Chalten - Fitz Roy & Cerro Torre

Veröffentlicht: 12.07.2024

Während der zweistündigen Busfahrt von El Calfate nach El Chalten erhielt ich eine Nachricht von James, einem der beiden Australier, die ich in Torres del Paine kennengelernt hatte. Die Beiden verweilten gerade in El Chalten und fragten, was meine Pläne seien. Kurz einen Treffpunkt in einer Bar ausgemacht und währenddessen beim Blick aus dem Fenster des Busses festgestellt, dass sich die beiden Protagonisten dieser Region, die beeindruckenden Granitberge Fitz Roy und Cerro Torre gemeinsam am Horizont zeigten und keine Wolke am Himmel den Blick auch nur ansatzweise trübte.

Die beiden Giganten aus der Ferne

Die beiden Lagunen am Fuße der Gipfel, die Laguna de los Tres und die Laguna Torre sollten für mich das Ziel zweier Wanderungen in El Chalten sein und ich war beim Blick aus dem Busfenster schon gespannt wie sich das Ganze denn aus der Nähe betrachten ließe und vor allem, wie sich der Weg dahin gestaltete, denn wie man vorab von einigen Quellen hörte, sollte der Aufstieg zur Laguna des los Tres vor allem im Winter ein ordentliches Brett sein.

Im Ort angekommen und mit den beiden Aussies auf einen Drink getroffen wurden die Pläne ausgetauscht, der Meinige sollte sein, am nächsten Tag mit Aufgang der Sonne „gemütlich“ die ca. 5-stündige Strecke zur Laguna am Fuße des Fitz Roy zurückzulegen. Es war bestes Wetter angesagt und bei Sonnenschein wandert es sich recht entspannt, auch bei winterlichen Temperaturen, so meine Erfahrung vom Torres del Paine. Die beiden bekloppten Australier hatten allerdings einen anderen Plan und versuchten mich zu überreden, bereits um 4 Uhr in der Nacht aufzubrechen, um den Sonnenaufgang um 9 Uhr an der Laguna betrachten zu können. Beim Checken der Temperaturen um diese Uhrzeiten zeigte das Thermometer in der Voraussage irgendetwas jenseits von -10°C an und meine Motivation für diesen Irrsinn hielt sich stark in Grenzen. Allerdings ließen die Beiden nicht locker und da ich prinzipiell ein Faible für bescheuerte Pläne habe, willigte ich ein und wir vereinbarten (nachdem wir Steigeisen und Trekkingstöcke organisiert hatten) einen Treffpunkt um 4 Uhr an der Hauptstraße des kleinen Ortes.

Die Nacht wurde um kurz nach 3 Uhr durch das Klingeln des Weckers unterbrochen. Der Blick aus dem Fenster deutete mir bereits die klirrende Kälte an und ich hatte recht wenig Lust, das warme Bett zu verlassen aber jetzt gab es sowieso keine andere Option mehr und ich schlüpfte in mehrere Lagen Winterkleidung, stopfte ein paar Riegel, Bananen und Wasser in meinen Rucksack und präparierte mich für den anstehenden Marsch.

Beim Verlassen des Hauses war ich mir dann kurzzeitig nicht mehr so sicher, ob das tatsächlich eine sinnvolle Idee gewesen sein soll, denn es war einfach nur bitter kalt. Am Treffpunkt angekommen waren wir dann insgesamt zu fünft, zwei Mädels (aus Frankreich und England) waren wohl ebenfalls den Überredungskünsten der Australier erlegen und schauten recht verstört aus der Wäsche. Ob es an der Uhrzeit oder der Außentemperatur lag, kann ich nicht genau sagen, allerdings habe ich da eine Vermutung. ;)

Die Leidensgemeinschaft setzte sich kurz darauf in Bewegung und ich bildete die Sperrspitze des internationalen Trupps. Dies hatte allerdings rein logistische Gründe, denn nur 2 von 5 Personen waren mit Kopflampen ausgestattet und bei stockfinsterer Nacht ohne Licht auf unbekannten Pfaden zu wandeln ist nur bedingt empfehlenswert.

Der Weg durch die Nacht

Es ging die ersten Kilometer stetig leicht bergauf und man konnte die Kälte förmlich hören, so hatte ich das Gefühl. Denn neben den Geräuschen des stetigen Ein- und Ausatmens und dem Scharren der Schritte auf Schnee und Eis trübten lediglich ein paar seltsame Tiergeräusche die eisige Stille.

Beim ersten kurzen Stopp stellte ich fest dass mein kompletter Schlauchschal, den ich mir weit über den Mund gezogen hatte an der Vorderseite fast komplett gefroren war, die Hände waren trotz der Handschuhe eiskalt und auch sonst war das Gefühl der Behaglichkeit unter Null und ich fragte mich, warum man diesen Scheiß hier eigentlich freiwillig über sich ergehen lässt.

Aber wie schon erwähnt, war die einzige Option der weitere konstante Trott durch die Finsternis, man nahm es mit Humor und machte sich gegenseitig in allerlei bekloppter Situationskomik über die Szenerie lustig.

Nach ein paar Kilometern wurde es allmählich steiler und der Untergrund wechselte fast vollständig auf eisiges Geläuf. Es war Zeit die Steigeisen anzuschnallen und ich ging mit einem der Mädels voran. Es war mittlerweile einfach zu anstrengend um gemeinsame Pausen einzulegen und die Gruppe spaltete sich auf. Auf solchen Trecks und bei den entsprechenden Außentemperaturen ist es elementar, ein für sich erträgliches Tempo für den Aufstieg zu finden und ständiges Warten oder auch Nachhetzen ist für das Erreichen des Tagesziels unangebracht.

Kurz vor 8 Uhr erreichten wir zu Zweit ein Schild mit der Aufschrift „Laguna des los Tres – 1 hour“ und wir wussten, was uns jetzt erwartete. Zahlreiche Schilderungen anderer Wanderer beschrieben den finalen Aufstieg als den mit Abstand anstrengendsten Part und sie sollten recht behalten.

Erster Blick auf den Fitz Roy

Der letzte Abschnitt war einfach nur ein steiler Pfad aus Schnee und in weiten Abschnitten purem Eis. Am Horizont vernahm man langsam die einsetzende Helligkeit und man kletterte in langsamen Tempo und mit zahlreichen Pausen immer weiter den Berg hinauf. Ständig ging der Blick zurück ins Tal und man nahm im Morgengrauen die wunderschöne Landschaft wahr und staunte gleichzeitig beim Blick zurück über die bereits zurückgelegte Distanz. Langsam tat sich vor uns auch die Gipfelkette auf und wir sahen den Fitz Roy bereits auf uns warten. Die Motivation stieg mit dem Ausblick und die letzten Meter des Anstiegs und dann wieder hinab an die Laguna fühlten sich fast federleicht an. Nach kurzem Warten um fast exakt 9 Uhr erreichten die Anderen die Laguna des los Tres und wir freuten uns gemeinsam über das perfekte Timing und die nun hinter uns aufgehende Sonne. Der angenehme Nebeneffekt solch einer Nachtwanderung: wir waren tatsächlich die einzige Gruppe an der Laguna und konnten den „Erfolg“ ganz für uns genießen.

Der beeindruckende Anblick des Königs von Patagoniens aus unmittelbarer Nähe wurde in den nächsten Minuten nochmal verstärkt, denn die Sonne tauchte die Granitgipfel in ein wunderschönes Licht und die fast orange Färbung verschlug uns für ein paar Minuten die Sprache. Wir schauten und staunten und freuten uns gemeinsam über die bekloppte Idee der Australier. Denn dieser Moment hier war das Alles komplett wert – die Kälte, die Dunkelheit, das Fluchen und die Schwierigkeit.

Danke James und Dillan, ihr wundervollen und bekloppten „Idioten“. :)

Der Gipfel im Sonnenlicht

Kurz darauf überkam mich dann der Appetit auf meine mitgebrachten Snacks. Allerdings wurde daraus nichts denn alles was sich in meinem Rucksack befand war gefroren. Bananen, Riegel und selbst das Wasser. Alles ein einziger Eisblock und absolut unmöglich auch nur irgendetwas davon zu verzehren. Es muss also wohl tatsächlich recht kalt gewesen sein während unserer nächtlichen Wanderung.

Auf dem Weg zurück dann nochmal die spannende Aufgabe, den vereisten Weg diesmal nach unten zurückzulegen. Einige Passagen ließen sich nur auf dem Hinterteil rutschend zurücklegen, schlussendlich ging aber alles gut und den Rest des Weges zurück in den Ort wurde eifrig geschwätzt und Mathilda aus Frankreich und ich tauschten uns rege über die kulturellen Unterschiede und Gemeinsamkeiten unserer beiden Länder aus. Später Abends gab es noch ein paar Bierchen und erschöpft aber äußerst zufrieden ging es ins Bett.

Am nächsten Tag dann für mich nochmal ein ähnliches Spielchen. Diesmal sollte die Lagune am Fuße des Cerro Torre besucht werden. Zwar merkte ich die Strapazen des Vortages noch in den Beinen, allerdings war ich irgendwie gerade im Flow und so startete ich mit Sonnenaufgang bei recht gutem Wetter zur Laguna Torre. Insgesamt 22 km für die gesamte Strecke standen auf der Agenda, im Gegensatz zum Vortag allerdings ohne größere Anstiege und Schwierigkeiten. Gemütlich ging es aus dem Ort heraus durch herbstlich verschneite Wälder in denen grüne Papageien (was auch immer die hier tun) meinen Weg kreuzten, weiter über eine steppenähnliche Ebene mit Blick auf den Cerro Torre und dann an einem Berg entlang in Richtung der vereisten Lagune. Während der gesamten Wanderung zur Lagune traf ich lediglich 2 weitere Wanderer und so konnte man in aller Ruhe die Eindrücke aus Natur und frischer Luft genießen. An der Lagune angekommen keine Menschenseele, ein recht eisiger Wind aber leider auch keinen Blick auf den Cerro Torre. Ich konnte lediglich die Konturen wahrnehmen, der Gipfel lag in einer dichten Wolkendecke. Der Blick in den Himmel versprach leider keine kurzfristige Besserung und somit widmeten sich meine Blicke der schön anzuschauenden Lagune und den vereinzelt aus dem Wasser herausragenden Eisbergen. Eine schönes Schauspiel aus Schnee und Eis welches die hellblauen Gletscher in den Kanten der umliegenden Granitgipfel farblich hervorragend abrundeten.

Laguna Torre

Diesmal konnte ich auch problemlos meine mitgebrachten Snacks verspeisen (die Temperaturen befanden sich etwas oberhalb des Gefrierpunktes) und fast eine Stunde die Einöde genießen, bevor weitere Gäste die Lagune erreichten. Das war dann für mich das Zeichen für den Aufbruch und entspannt ging es zurück in Richtung El Chalten. Insgesamt eine recht entspannte Wanderung mit leichtem Schwierigkeitsgrad, man hat also mehr Zeit, sich der umliegenden Landschaft zu widmen und muss nicht ständig auf den Weg, irgendwelche Anstiege und seine eigene Kondition achten - auch schön. Zurück im Hostel wurde der Tag mit einem internationalen Abendessen abgerundet. Gemeinsam mit 2 Motorradreisenden, einem Mexikaner und einem Franzosen und einem weiteren Tramper aus Frankreich wurde Hühnchen mit Kartoffeln, allerlei Gemüse und argentinischer Wein serviert. Eine Co-Produktion der vereinten „Kochkünste“ und ein wundervoller Ausklang für dieses wundervolle Fleckchen Erde. Südpatagonien – was bist Du schön!

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