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Zurück im deutschen Kreißsaal

Veröffentlicht: 01.12.2018


Ich freute mich auf meine Dienste im deutschen Kreißsaal. Es war tatsächlich ein Gefühl von ‚wieder ankommen‘ in seine gewohnte Umgebung. Viel verändert hatte sich nicht und alle Begebenheiten, die nun wieder notwendigen Computertätigkeiten und der höhere Dokumentationsaufwand fielen mir nicht schwer.

Doch es war eine andere Sache, bei der ich mich ertappte, wie ich begann Vergleiche zu ziehen.

In Tansania kommen die Frauen mit dem Wunsch in die Klinik ein lebendes Kind und selbst als gesunde Frau den Kreißsaal zu verlassen. Die Erwartungshaltung ist allerdings relativ gering. Sollte die Geburt diesen Wunsch nicht erfüllen, hat es Gott so gewollt. Es ist eine schlimme Vorstellung, allerdings leider noch die Realität, wie ich sie erfahren habe vor Ort.

Zeitgleich gibt es für die Frauen keine Auswahl an Schmerzmitteln und sie wissen, dass sie ‚da jetzt durch müssen‘. Viele Gefühle werden unterdrückt, was ich nie als gut heißen würde. Doch sie gehen mit einer Selbstverständlichkeit an ihre Geburt, nehmen die Wehenschmerzen an und sind dankbar, wenn jemand an ihrer Seite steht.

Die Kaiserschnittrate unterscheidet sich mittlerweile nicht viel von Deutschland, doch es werden oft Fehlentscheidungen getroffen. Wirkliche Notfälle werden auf Grund von Wissenslücken nicht als solche wahrgenommen und eigentlich physiologische Befunde fälschlicherweise als Kaiserschnittindikationen gestellt. Für die afrikanischen Frauen hat der Kaiserschnitt immer noch etwas sehr beängstigendes, da sie wissen, dass eine Operation ein höheres Risiko darstellt, dass ihnen selbst etwas passieren könnte, wie höhere Blutungsgefahr, Infektionen, etc.

Zurück nun nach Deutschland.

Hier gehen Frauen mit einer anderen Erwartungshaltung an eine Geburt. Die meisten suchen eine Klinik auf. Gynäkologen, Hebammen, Kinderärzte, Anästhesisten, viel Technik wie CTG und Ultraschall sind für Sie Voraussetzung für eine sichere Geburt. Selbstverständlich erwarten wir hier, ein gesundes Kind in die Arme zu schließen. Bei der guten Überwachung kann doch nichts schiefgehen.

Oder?

Natürlich, wir leben in einer Gesellschaft, wo oftmals kein Platz für ‚Fehler oder Leid‘ ist. Im Job sind die meisten einem hohen Druck ausgesetzt, Familien entscheiden sich bewusst für DAS eine Wunschkind im Alter von 40Jahren plus und man stellt die Anforderung an das medizinische Personal, dieses gesund auf die Welt zu begleiten.

Ich möchte das nicht werten, nur mein Gefühl schildern.

Und dieses sagt mir, dass wir hier sehr viel Vertrauen in außenstehende Personen, Technik und medizinische Parameter legen, anstatt als Frau auf seinen Körper zu hören und mit der Verbindung zu ihrem ungeborenen Kind gemeinsam den Weg der Geburt selbstbewusst anzutreten. Es wird viel abgegeben und das Wissen geht gefühlt verloren, dass es für eine Geburt an sich nur zwei Personen benötigt. Die werdende Mutter und das ungeborene Kind. Liebevoll unterstützende Männer, Hebammen und Ärzte sind das schmückende Beiwerk, aber nicht zwingend entscheidend für eine natürliche Geburt.

Es ist vielleicht zu hart formuliert, ich hoffe ihr könnt meine Intention nachvollziehen.

Sind wir mit medizinischer Technik tatsächlich stärker als die Natur selbst?

Ich bin nun seit einer Woche wieder im deutschen Kreißsaal tätig und muss beobachten, wie ich mich dabei ertappe, als Hebamme für eine natürliche Geburt der Frau zu kämpfen, wobei sie selbst schon an einem Punkt angekommen ist, wo trotz Schmerzreduktion mittels PDA für sie nur der Kaiserschnitt als möglicher Entbindungsmodus übrig bleibt.

Eine Geburt ist anstrengend und wahnsinnig kräftezehrend und ich verstehe jede Frau, die an einen Punkt kommt, wo man erschöpft ist.

Doch woran liegt es, dass wir in Deutschland gefühlt schneller an diesen Punkt kommen, gefühlt weniger ‚schmerzresistent‘ sind und lieber ärztlichen Diagnosen Glauben schenken, als unserem eigenen Körper?

Es ist spannend zu sehen. Ich bewundere jede Frau, die ein Kind auf die Welt gebracht hat. Doch wie wäre unsere Gesellschaft im Jahre 2018, wenn es plötzlich auch keine Schmerzmittel mehr gäbe in deutschen Kreißsälen!? Es ist eine gesponnene Frage, aber ich denke wir leben in einer Zeit, wo es die Einstellung gibt, dass niemand mehr Schmerzen aushalten muss.

Kopfschmerzen am Morgen? Ich nehm mal schnell eine Aspirin (Achtung Werbung😉).

Es wird uns in den Medien vorgelebt und man ist nicht bereit, Schmerzen auch mal auszuhalten.

Ich nehme mich da selbst natürlich auch nicht raus. Es gehört zu unserem Leben. Und trotzdem würde ich mir manchmal wünschen, ein Mittelmaß zwischen den zwei von mir erlebten Welten Europa und Afrika zu finden. 

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