Veröffentlicht: 07.09.2022
Ailefroide ist ein abgelegenes Klettermekka in den südwestlichen französischen Alpen. Hier hat es uns aber nicht nur wegen der steilen Granitwände hinverschlagen: Ich hatte die verantwortungsvolle Aufgabe, nicht nur einen Kletter- sondern auch Hochtouren Ort zu suchen. Ja easy… aber was ist überhaupt eine „Hochtour“? Ich finde eigentlich alle Berge hoch, auf die ich so steige 😁. Hohe Berge hat es im Écrins Massiv (rund um Ailefroide) definitiv und so fahren wir einige Stunden mit dem Erdgas-Caddy an den Zielort. Leicht nervös werden wir dann schon bei der Suche nach einer Erdgastankstelle in der Nähe. Schwierig, Erdgas gibts in Frankreich offensichtlich nur zum Kochen. Das Auto muss also am Campingplatz stehen bleiben, es wird streng Erdgas gespart.
Die Erdgastanksituation nimmt uns aber nicht den Spaß an der atemberaubenden Landschaft. So steile Felswände kenne ich von unseren Alpen kaum. Bevor wir aber auf Hochtour gehen können muss ich noch fleißig üben. Abseilen, Stand bauen, Selbstsicherungen legen. Langsam dämmert mir, auf was ich mich da wieder eingelassen hab…
Das Trockentraining ist noch nicht ganz abgeschlossen und wir starten schon mit einer „einfachen“ Tour auf den Ailefroide Orientale. Aufgeregt und verunsichert vor dem nahenden Gletscher kann ich kaum schlafen, gut dass wir eh schon um 5 Uhr loslaufen. Circa zwei Stunden vor Sonnenaufgang kommen wir gut voran.
Auch die erste Gletscherdurchquerung ging noch gut, flach und kaum Spalten. Aber dann geht die Felskraxelei los. Alles nicht schwierig, aber ohne Seil ist es mental schon fordernd für mich.
Aber dann kommt die Banane. Ohja, der Banana Gletscher verdient seinen Namen seiner geschwungenen Form. Er ist 40-45 Grad steil und ich hab keinen Plan, wie man Steigeisen richtig ins Eis haut, vom Pickel-Einsatz fang ich gar nicht erst an. David schaut sich das Spektakel mit zunehmend besorgter Mine eine Weile an, bis mein Gehechel dann wohl doch zu beängstigend wird. Auf 3.700 m haben wir endlich das Ende der Banane erreicht, nur noch 150 hm bis zum Gipfel. Aber David bekommt Angst um mich, wohl auch wegen den 2300 hm Abstieg, die noch vor uns liegen. So nah vor uns, der letzte vereiste Gipfelgrat, aber wir kehren um. Enttäuscht und erleichtert zugleich stapfe ich also die Banane wieder runter. Kein Gipfelglück für Elena an diesem Tag, aber gelernt hab ich viel.
Einige Tage später wollen wir es aber wieder wissen und haben eine wunderbare Tour mit Schwerpunkt auf Klettern rausgesucht, das gefällt mir besser. Hab ich schon erwähnt, dass ich Gletscher nicht mag? Ein Glück hab ich mit dem Klimawandel einen Verbündeten im Kampf gegen die kalten Monster. Es kommt aber ganz anders, als geplant. Auf der Berghütte wird uns von der Tour abgeraten: Ein großer Felssturz hat die Schlüsselstelle stark beschädigt, selbst die Bergführer sind seitdem am Col Tuckett umgekehrt. Unsere Alternativroute (Roche Faurio) verläuft, wie soll es auch anders sein, über einen riesigen Gletscher.
So stapfen wir diesmal noch früher los, der Weg ist lang. Es geht mir sehr gut an dem Tag, nur der eisige Wind macht mir zu schaffen. Wir haben schon um 9:30 Uhr zwei Gletscher passiert, sogar ein kurzes steiles vereistes Stück und klettern nun den ausgesetzten Gipfelgrat. Erst sichern wir uns ganz konservativ, was viel Zeit kostet. Dann setzen wir eine für uns neue Technik ein, das gleitende Seil. Damit kommen wir schneller und immer noch sicher an den Gipfel. Abstürzen sollte man halt nicht, das tät jedenfalls weh. Auf 3.730 m gibst nur ein schnelles Selfie, denn die Kletterei hat uns am Ende doch knapp zwei Stunden gekostet.
Nun heißt es aber wieder alles runter, wieder den riesigen Glacier Blanc und seine unzähligen Spalten überqueren und unserer zuckersüßen Hüttenwirtin von der Tour berichten. Und so kommen wir nach rund 13 Stunden zurück ins Tal. Erschöpft aber glücklich, dass diesmal alles wie am Schnürchen lief.
Nach vielen Stunden auf dem Gletscher hab ich mich ein bisschen an ihn gewöhnt. Er ist so ruhig, nur das Schmelzwasser rauscht am Nachmittag an ihm runter. Die Spalten sind mitunter richtige Kunstwerke und das uralte Gletscherblau darin lässt mich ganz klein und unwichtig wirken. Na gut, doch lieber gegen den Klimawandel als gegen den Gletscher kämpfen!