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Kultur, was ist das eigentlich?

Veröffentlicht: 01.11.2016

Nach mittlerweile zwei Monaten in diesem Lad und der ersten Verdauungsphase aller ungewohnter Eindrücke beginnt nun eine neue Phase des Erlebens der anderen Kultur.

Eine andere Kultur, was bedeutet das eigentlich? Die Geschichte des Landes? Die Sprache?, oder vielleicht das Essen, die Kunst....?

Für mich beginnt der Begriff schon viel früher bei vermeidlich simplen kleinen Dingen die ich langsam zu verstehen oder zumindest zu akzeptieren, ja teilweise auch zu adaptieren beginne.

In den ersten Wochen hatte ich mehr das Gefühl von einem Kulturrausch, ja fast schon einer Überdosis an neuen und gegensätzlichen Dingen als einem wirklichen Austausch. Das Fahren mit der U-Bahn, das so organisiert und strikt zu sein scheint und doch jedes Mal in einem wilden Gedränge, Schupsen und Schweißausbrüchen endet. Das Essen gehen, das immer wieder von neuem Ekel, Überraschung, Genuss und viele Fragezeichen zur selben Zeit hervorruft. Das Klima und die Luft, die einen Hauch von Urlaubsfeeling im November erzeugen und einem zur selben Zeit das Gefühl geben man sollte sich im nächsten Family Mart einen Mundschutz kaufen. Die Gerüche die jedermanns Nase durch parfümierte Malls bis hin zu vergammelten Müllstellen auf trapp hält. Die Geräusche von unkoordiniert pfeifenden Polizisten auf chaotischen Kreuzungen, spuckend und rotzenden Busfahrern oder laut schmatzenden Business-Männern in schicken Anzügen in der U-Bahn. Die Taxi Fahrten, bei denen man je nach Laune mal am Ziel und mal ganz woanders landet. Die langen Nächte in modernen Clubs mit atemberaubender Aussicht und europäischen Tänzern die am frühen Morgen doch in einer chinesischen KTV-Karaoke-Bar enden. Die Begegnungen mit Menschen aus vertrauten Kulturen und Kollegen die während dem Mittagessen schmatzen und sich am Nachmittag mal eben eine Stunde zum schlafen auf den Schreibtisch legen. Der Anblick von lebenden Haustieren in zu kleinen Käfigen, toten Tieren zum Verzehr aufgehängt an der Straße und halb lebend halb toten Tieren bei denen man nicht so genau weiß für was sie gedacht sind.

All diese ersten Eindrücke sind so anders, so ungreifbar und unverständlich, dass man sie zu Beginn erst einmal ablehnt. 

Doch dann kommt eine zweite Phase. Eine Phase in der für mich ein wirklicher Austausch beginnt. In dieser Phase holt man sich Morgens auf dem Weg zur Arbeit einen Jianbing an der Straße anstatt die Haferflocken mit Milch zu essen. Man drängelt in der U-Bahn und missachtet den Security-Check am Eingang. Es ist einem auf einmal egal was da nun genau in der Nudelsuppe herum schwimmt oder von welchem Tier das Fleisch im Reis stammt. Man beginnt auch an Tagen an denen man kaum einen Kilometer weit sehen kann draußen zu joggen, übersieht rote Ampeln und dreht sich nicht mehr um wenn ein unbekannter Geruch die Nase kitzelt. Man lernt seine Adressen auf chinesisch zu sagen und grüßt den security Mann am Eingang bei der Arbeit. Der VPN Client wird immer weniger gebraucht, denn Wege findet man nun ohne Google Maps und mit Kopfhörern auf. Außerdem weiß man, wo es die besten Dumplings gibt, wer den Roller am billigsten repariert und welcher Obststand am günstigsten ist. Man rechnet nicht mehr in EUR sondern in RMB und damit verändert sich auch die Wahrnehmung für günstig und teuer. Die Standard Promoter Clubs sind nicht mehr wirklich spannend und werden eingetauscht gegen einen entspannten Abend Zuhause oder sport im Community Center.  

Die neue, fremde Stadt ist auf eine Weise Heimat geworden und ich  freue mich auf "Zuhause" wenn ich von einem Trip zurück in meine Wohnung komme. Vor allem in Gesprächen bei denen ich die Stadt, die vor nicht all zu langer Zeit noch fremd und unzugänglich schien, zu verteidigen merkte ich wie sehr ich doch schon angekommen war und wie wohl ich mich mittlerweile fühlte.  

Den letzten Abend von Sophia verbrachten wir zusammen mit den anderen Mädels (Carmen, Camille, Friederike und Chloé). Nachdem sich Sophia magentechnisch wieder etwas erholt hatte ging es zuerst zum Italiener und danach auf ein Glas Wein in eine kleine Bar..... Ich genoss den Rotwein den ich mir zur Abwechslung mal gönnte, die Gespräche über Bildung, Reisen und die verschiedenen Ansichten über China. 

Am nächsten Tag war dann leider auch schon Abschied angesagt. Schon wieder war eine ganze Woche vergangen. Irgendwie scheint sich die Erdkugel hier drüben schneller zu drehen.... 

Es war sehr schön mein parallel Universum zu teilen und ein paar Eindrücke weiter zu geben. Viel Zeit für Trauer blieb aber nicht, denn am selben Abend nach getaner Arbeit, wurde der Koffer schon gepackt und es ging mit Camille, Friederike, Bilal, Victor und Yannik in die Hauptstadt "unseres" Landes. Die überraschend komfortable Bahn brachte uns in 11h von Shanghai nach Beijing. 

Da wir alle das Großstadt-Getümmel und das sich-zurecht-finden-in-Chaos-und-zwischen-Chinesen gewohnt waren verlief die Ankunft am Hostel für china Verhältnisse relativ reibungslos. Voller Tatendrang ging es trotz dezentem Schlafmangel von der Nacht im Zug gleich los in die Verbotene Stadt (übrigens für alle die es noch nicht wissen, mit bis zu 15 mio Besuchern pro Jahr ist die Verbotene Stadt das meist besuchte Museum der Welt.) In den alten Zeiten behaupteten die Kaiser, der Sohn des Himmels zu sein, weswegen ihnen die höchste Macht des Himmels verliehen wurde. Des Kaisers Residenz auf Erden wurde dem Purpuren Palast nachgeahmt, in dem Gott im Himmel lebt. Solch ein göttlicher Ort war selbstverständlich für gewöhnliche Menschen verboten und wurde deshalb die Verbotene Stadt genannt. Der Himmel war klar und kalt, die Touristen Massen hielten sich in Grenzen, ein top Start also. auf dem Weg zurück ins Hostel spazierten wir an einem See entlang an dem sich Beijings Rentner trafen um Tischtennis zu spielen, einen abendlichen Schwumm zu machen oder das traditionelle Spiel Jianzi (eine Art Federball die mit dem Fuss in einem Kreis hin und her gekickt wird) spielten, bei dem sich die Männer der Gruppe gleich mal einklinkten. 

Am Abend waren wir alle erschöpft von einem ersten wundervoll sonnigen aber scheiß kalten Tag und fielen nach ein paar entspannten Bierchen im Hostel ins Bett. Der Wecker klingelte am nächsten Morgen nämlich früh. Um 7h war Treffpunkt zum Frühstück. DAS Wahrzeichen Chinas stand nämlich auf dem Programm. Die Chinesische Mauer ist das größte von Menschen jemals errichtete Bauwerk. Es diente dazu mongolische Nomadenstämme, die immer wieder nach China eingefallen sind abzuwehren. Wie eine große Schlange windet sich die große Mauer über eine Länge von über 21.196,18 Kilometer.

Doch wollten wir die Chinesische Mauer nicht wie jeder null acht fünfzehn Backpacker Tourist besuchen und eine überteuerte Tour dorthin machen, nein. Dank Friederike war der Plan auf eigene Faust mit einem lokalen Bus zu fahren und den Teil der Mauer zu erklimmen der sich Jiankou nennt und ca. 73 Kilometer nördlich von der Stadt Beijing liegt. Der Teil verbindet die Mutianyu Mauer in 10 Kilometer mit dem Westen. Dieser Abschnitt von der Chinesischen Mauer wurde im Jahr 1368 während der Periode von der Ming-Dynastie gebaut. Die Jiankou  Mauer ist aus den großen Felsen der umliegenden Hügeln konstruiert und geht größtenteils entlang eines Bergrückens. Wegen des Mangels an Reparaturen ist die Jiankou Mauer einer der gefährlichsten Abschnitte von der ganzen Chinesischen Mauer. Die „ Himmel Treppe“  geht  gefühlt 90° bergauf und ist so schmal, dass man nur einen Fuß vor den anderen setzen kann. Der Aussichtsturm der als  „der Adler Fliegt Nach Oben“ bekannt ist, ist der höchste Abschnitt von der Jiankou Mauer und bietet einen Atemberaubenden Blick. 

Die Anreise auf eigene Faust klappte mehr oder weniger gut. Nach einigen start Schwierigkeiten in der Beijinger Metro kamen wir nach ca. 2 Stunden in einer völlig verlassenen Naturlandschaft an. Mit Ruslan aus Russland, den wir im Bus noch mit aufgegabelt hatten und der uns nun begleitete, ging es durch Wald und Wiese Richtung Mauer. Nach einem Marsch von ca. einer Stunde hatten wir sie dann vor uns. Kurz hinauf gekraxelt genossen wir eine wirklich magische Stimmung aus toller Aussicht, Sonnenschein und einer Art Bedrücktheit über die Geschichte der Mauer, die bereits 722 v. Chr. begann und über dessen Erinnerungen wir nun so leicht spazierten.... 

Leider gestaltete sich die Rückfahrt am frühen Abend als nicht ganz so einfach wie gedacht. Nachdem wir ca. 1,5 Stunden gen Osten auf der Mauer spaziert waren suchten wir nun vergeblich nach einer Möglichkeit um wieder zurück nach Beijing zu kommen. Die Taxi Fahrer verlangten einen unmenschlichen Preis und die Busse waren irgendwie nicht so richtig angebunden. Nachdem die Nerven und die Kräfte fast aufgebraucht waren fanden wir dann doch noch ein Plätzchen am Boden eines Busses der uns wieder zurück in die Stadt brachte. Ein kurzer Power Nap ein Konterbier und die jungen Reisenden waren fit für die bevorstehende Samstag Nacht. Es gab etwas verspätet Burger und Whiskey Cola in Heaven's Supermarket und danach gings zu elektronischen Beats ins DADA, das wir erst am nächsten Morgen um 7h wieder verließen. Nach 24 Stunden Sightseeing und Tanzen ging es dann in sämtliche Betten. 

Den nächsten Tag starteten wir dann etwas später und etwas ruhiger gegen 15h mit einem Spaziergang durch Beijing und einem traditionellen Beijing Duck essen. Wobei die Beijing Ente oder Peking Ente wie wir sie nennen keinesfalls das darstellt was wir uns in Europa daunter vorstellen. Vielmehr handelt es sich um einen ziemlich langweilige aber trotzdem super leckere Art eines Wraps mit Gurke, Zwiebel und Ente. Danach ging es noch mit halb geöffneten Augen auf einen letzten Drink und Life-Musik in die beliebte Bar Straße Sanlitun. 

Den Montag verbrachten wir, erneut bei Sonnenschein, auf dem Fahrrad durch die chinesischen Hutongs zum Drum Tower und zu einem kleinen lokalen chinesischen Flohmarkt. 

Obwohl ich mir die Hauptstadt Chinas völlig anders vorgestellt hatte war ich total beeindruckt und positiv überrascht von der entspannten Kleinstadtatmosphäre (auch wenn Beijing mit 21 Mio. keinesfalls eine Kleinstadt darstellt), den vielen chinesischen Shops und Grünflächen in der Stadt. Die Tage vergingen wie im Flug und jeder aus der Gruppe genoss die Zeit sehr, auch wenn es mit 6 Leuten bei einem Städtetrip selbstverständlich auch mal anstrengend wird. 

Die Rückfahrt ging im Hochgeschwindigkeitszug schnell vorbei und nachdem wir gegen Mitternacht wieder in Shanghai angekommen waren ließ ich das Wochenende mit heißem Kaffee in meinem kuscheligen Bettchen perfekt ausklingen... 

Nun steht eine neue (halbe) Woche an bevor es am Samstag mal wieder los geht. Denn mein Visum läuft schon aus und am Samstag Morgen gehts Richtung Sonnenschein nach Hong Kong.







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