Don Curry on Tour
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Don Curry und das Elefantengefängnis

Veröffentlicht: 25.01.2017

Don Curry ist empört. Doch nicht nur er, auch die Gruppe ist sich einig: das war nicht gut! Eigentlich hatte man sich auf diesen Programmpunkt gefreut, doch das Gesehene unterbot nicht nur sämtliche Erwartungen, es konnte getrost als schrecklich bezeichnet werden oder eben als empörend.

Gemeint ist damit nicht das Frühstücksbuffet des Strandhotels bei Calicut. Das konnte natürlich in keiner Weise den Standards des Orange County Resorts Kabini auch nur ansatzweise gerecht werden, aber es bot zumindest eine ganze Menge Essbares an. Don Curry würde sich nie als Frühstücksmensch bezeichnen und begnügt sich daher fast immer mit etwas Müsli und ein paar Obststücken, vorzugsweise Papayas. Nach dem gewohnt frühen Start galt es heute an Keralas Küste entlang weit nach Süden zu fahren.

Nach Bewältigung der halben Strecke war die Stadt Guruvayur erreicht. Sie kann sich des größten und wichtigsten Hindutempels Keralas rühmen; dieser darf allerdings von Nichthindus nicht betreten werden. Unter Aufsicht des Tempels steht auch ein ausgedehntes Gelände, auf dem ca. 70 aktive und ehemalige Tempelelefanten gehalten werden. Der Gedanke, so vielen dieser majestätischen Tieren nahe kommen zu können, hatte in der Gruppe Vorfreude ausgelöst. Das könnte ein echtes Highlight der Reise sein. Doch die Wirklichkeit löste ganz andere Gefühle aus. Von artgerechtem Umgang mit den Tieren war man hier meilenweit entfernt. Jeden Elefanten hatte man an einem Vorderbein und einem Hinterbein mit massiven Pflöcken festgemacht, so dass das Tier keinerlei Bewegungsmöglichkeit mehr hatte. Den ganzen Tag stand es im eigenen Kot und Urin und konnte nur noch hilflos den Kopf hin- und herbewegen. Ein Elefant zeigte sich derart aggressiv, dass er alles, was er mit dem Rüssel erreichen konnte, weit weg schleuderte. Zwei weitere Tiere hatte man sogar in zwei so enge massive Holzkäfige eingepfercht, dass sie zu gar keiner Bewegung mehr in der Lage waren, selbst ein Kopfschütteln stellte eine Unmöglichkeit dar. Der Anblick dieser 70 gequälten Geschöpfe in einem tristen und schmutzigen Gelände wurde eindeutig als Tiefpunkt der Reise empfunden. Guide Gauror versuchte noch zu relativieren, dass die Tiere ja nur von 9:00 bis 17:00 derart gefesselt seien, und auch nur um die Sicherheit der Besucher zu gewährleisten; sobald die Besuchszeit endet, könnten sie sich frei auf dem Gelände bewegen. Trotzdem: Don Curry und die Gruppe fanden es höchst fragwürdig, mit dem Leid dieser Tiere Geld verdienen zu wollen. Dann lieber alle Besucher aussperren! Nach nur einigen Blicken auf dieses Elend konnte kein Mensch mit einem Hauch von Mitgefühl sich dort guten Gewissens aufhalten.

Die weiteren Programmpunkte des Tages zeigten sich weit weniger kontrovers, konnten aber auch nicht so richtig überzeugen. In Kodungallur wurde auf besonderen Wunsch einer Mitreisenden die älteste Moschee Indiens angefahren. Doch hinter diesem Superlativ verbarg sich ein rechter moderner Zweckbau ohne architektonische Bedeutung. Es sei zwar der Platz der ältesten Moschee Indiens, und der zweitältesten der Welt, doch der wievielte Nachfolgebau hier nun stand, konnte auch der Vertreter der muslimischen Gemeinde nicht sagen. Er blieb lieber bei seinem Mantra von der ältesten Moschee Indiens, wie er stolz gar nicht allzu oft wiederholen mochte. Das angegliederte Museum erwies sich als merkwürdiges Sammelsurium islamischer Geldscheine aus aller Welt, kleiner Modelle berühmter Moscheen und Erinnerungsstücken aus Vorgängerbauten der jetzigen Moschee. Don Curry zog sich gelangweilt zurück und lauschte lieber dem Englischunterricht im Raum nebenan.

Die älteste Moschee Indiens


Kodungallur beherbergt aber nicht nur die vermeintlich älteste Moschee Indiens, sondern auch die vermeintlich älteste Kirche des Subkontinents, vom Apostel Thomas kurz nach seiner Ankunft in Indien iim Jahr 52 selbst gegründet. Im Schneckentempo manövrierte der Bus durch die engen Zufahrtsgassen zur Kirche. Als das Ziel endlich erreicht war, stand die Gruppe vor dem Petersdom. Zumindest hatte man die Thomaskirche mit weißer Kuppel und seitlichen Apostelbalustraden dem römischen Vorbild nachempfunden, allerdings in deutlich kleinerem Maßstab. Diese älteste Kirche Indiens war demnach auch erst ein paar Jahrzehnte alt, nur der Platz trug die Tradition der Gründung durch Thomas. Im Inneren wurden zumindest Reliquien des Apostels aufbewahrt, und der Gesamteindruck des recht farbig gestalteten Kirchenraumes konnte durchaus als gefällig bezeichnet werden.

Die älteste Kirche Indiens


Nur wenige Kilometer weiter steht in Palayur noch eine weitere Kirche, die auf den Apostel Thomas zurückgeht. Sie wirkt zwar deutlich älter als das Petersdom-Plagiat von Kodungallur, gibt aber schon auf einer Inschrift neben dem Eingangsportal zu, dass sie der fünfte, kürzlich renovierte Nachfolgebau der ursprünglichen Kirche darstellt. Vor der Kirche erklärte ein christliches Gemeindemitglied mit ausgedehnter Ausführlichkeit, durch welche Wunder einst Thomas die sehr zurückhaltende hinduistische Bevölkerung für den christlichen Glauben gewinnen konnte. In der Kirche, so beobachtete Don Curry, war eine junge Frau damit beschäftigt, gründlich den Fußboden zu wischen. Während der Mann in seinem Erzähldrang ganz allmählich dem Ende zusteuern, näherte sich auch die junge Frau dem Kircheneingang und damit dem Abschuss ihrer Tätigkeit. In der gleichen Minute wurden beide fertig: der erzählende Mann erntete höflichen Applaus, die Frau stellte zufrieden den Eimer mit dem Wischwasser nach draußen – endlich Feierabend, mochte sie wohl denken. Doch dann lud der Erzähler die Gruppe zur Besichtigung der Kirche ein; wie immer in Indien betritt man ein Gotteshaus schuhlos, aber nackte bzw. besockte Füße hinterlassen auch ihren Spuren auf einem frisch gewischten Boden. Der Gesichtsausdruck der jungen Frau sprach Bände: irgendwo zwischen Fassungslosigkeit und belustigter Frustration – vermutlich hätte sie am liebsten dem Erzähltalent den Wischeimer in die Hand gedrückt… 

Die alte Kirche von Palayur


Die kleine Kirche strahlte durchaus eine besondere Atmosphäre aus, doch hatte die letzte Renovierung für unpassend moderne oder recht kitschige Stilelemente gesorgt. Nichts an ihrer Gestaltung verwies noch an den Anfang des Christentums in Indien. Direkt nebenan hatte man eine riesige Pfarrkirche gebaut, in der gerade am Werktagabend Gottesdienst mit hunderten von Gläubigen gefeiert wurde – eine sehr lebendige Kirche, dachte Don Curry. Und diese blühende Gegenwart erscheint ihm viel wichtiger als historisch korrekte Reminiszenzen an legendäre Anfänge in einer glorifizierten Vergangenheit.

Erst nach Einbruch der Dunkelheit erreichte der Bus das Hotel in Cochin, genauer gesagt in Ernakulam, dem modernen Teil der Millionenstadt. Zum gewohnt überquellendem Dinnerbuffet genoss Don Curry hier erstmals ein Kingfisher Strong, mit 8% Alkoholgehalt eine süßlich-süffigere Variante des berühmten indischen Bieres. Die Elefanten von Guruvayur würden sich jetzt frei im Gelände bewegen können, falls Guide Gauror wirklich recht hatte. Erst morgen drohen ihnen wieder Fußfesseln und Einzelhaft unter unwürdigsten Bedingungen. Don Curry ist immer noch empört...

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