Veröffentlicht: 31.10.2022
In meinem Bericht vor einigen Tagen hatte ich ja angekündigt, dass ich euch noch von einem zweiten Fest berichten möchte. Am Sonntag den 16.10. hatte mich Susy, meine Arbeitskollegin, zu einer Fiesta indigener Völker in ihrem Heimatdistrikt Tlaxcalacingo eingeladen. Und es war ein wirklich buntes Fest mit vielen verschiedenen traditionellen Elementen.
Es gab viele Stände mit Speisen, Spielzeugen, Schmuck, Deko, und so weiter, die alle aus der Region stammen und original aus Mexiko sind. An drei unterschiedlichen Plätzen haben verschiedene Gruppen traditionelle Tänze aufgeführt. Auch eine aztekische Gemeinschaft war wieder vor Ort.
Gegen 10 Uhr morgens bin ich am Festort angekommen, um bei den Vorbereitungen für eine Hochzeit zu helfen, die auch während des Festes stattgefunden hat. Für die Zeremonie der Hochzeit haben wir Kränze aus Zweigen mit Blättern gezaubert, und kleine Blumengestecke, mit denen später getanzt werden sollte. Außerdem bin ich mit Susy und Fabi, die Freundin von Susy, die auch schon beim letzten Fest mit dabei war, in den Supermarkt gefahren, um einen Korb mit Süßigkeiten vorzubereiten. Zwischendurch hatte ich mir die ersten Tänze der verschiedenen Gruppen angeschaut. Mexiko ist wirklich reich an vieler verschiedener Traditionen.
Gegen 14 Uhr hat die Zeremonie der Hochzeit auf dem Basketballplatz begonnen, wo zuvor und danach die verschiedenen Tänze dargeboten wurden. Während der Trauung gab es eine längere Rede und die Väter haben dem Pärchen ihren Segen gegeben. Anschließend hat der Bräutigam symbolisch eine Decke geschenkt bekommen und das Brautpaar eine Henne und einen Hahn. Die Decke symbolisiert, dass der Mann immer in der Lage sein soll, die Familie zu umsorgen und warm zu halten. Die Hühner symbolisieren einerseits Fruchtbarkeit. Andererseits repräsentieren sie aber auch das ideale Familienbild. Der Mann soll die Familie beschützen und gut umsorgen und die Frau wird sich gut um die Kinder kümmern, unter dem Schutz ihres Partners.
Nach der Zeremonie wurde Musik gespielt und alle haben angefangen, mit den Blumengestecken und den Kränzen auf dem Kopf zu tanzen. Es handelt sich um eine traditionelle Tanzart, bei der das Gewicht abwechselnd von einem Bein auf das andere verlegt wird und sich so in einem Kreis fortbewegt. Auf diese Art und Weise wird hier auf vielen traditionellen Festen getanzt. An diesem Tag habe ich also eine typische Dorfhochzeit kennenlernen dürfen. Nach den Feierlichkeiten gab es für alle Helfenden noch Reis mit Nopal und Tortillas zu essen.
Eine Tanzgruppe, die ich nach dem Essen noch gesehen habe und besonders interessant fand, waren die sogenannten "Tecuanes". "Tecuani" ist Nahuatl und wird in etwa mit "der, der Menschen frisst" übersetzt. Mit dem Wort werden von den Nahuhas verschiedene Katzenarten zusammengefasst, wie Tiger, Jaguar, Puma, usw. Der Tanz stellt die Jagd auf dieses Tier dar, das damals die Ernten zerstörte, die Tiere der Dorfbewohner getötet hat und den Menschen insgesamt viel Leid zugefügt hat. Um das Tier zu jagen, haben sich die Menschen maskiert. Die Erzählung der Geschichte wird mit Musik begleitet, die von einem/er einzigen Musiker*in gespielt wird. Der oder die Musikerin spielt gleichzeitig eine Dreilochrohrflöte und eine doppelköpfige Trommel aus Quiote und Ziegenhaut.
Und was ist auf der Arbeit in den letzten Wochen so passiert?
Im Moment arbeite ich überwiegend im Bereich der Agrikultur, also in der Pflege der Beete und Pflanzen, dem Anpflanzen von verschiedenen Gemüsesorten, der Herstellung von organischen Düngemitteln und alles weitere, was so anfällt. Außerdem habe ich in den letzten zwei Wochen einige Zeit damit verbracht, Ameisen zu bekämpfen, die sich über unser ganzes angepflanztes Gemüse hermachen. Ina und Manuel haben schon seit Januar mit ihnen zu tun und mittlerweile haben sie sich zu einer echten Plage entwickelt, die sich nur schwer mit biologischen Mitteln bekämpfen lässt. Die Ameisen knabbern die ganzen grünen Blätter der wachsenden Pflanzen ab und lassen nur die kahlen Stängel stehen. Und schon gewusst? Die Ameisen fressen die Blätter gar nicht selber, sondern ernähren damit einen Pilz, der in ihren Tunneln wächst, von dem sie sich wiederum ernähren. Mind-Blowing.
Ich finde es immer wieder erstaunlich, wie die Natur funktioniert. Neulich waren wir für die Herstellung eines Bio-Düngers Asche sammeln. Asche enthält Magnesium, Phosphor, Kalzium und andere Minerale, die den Pflanzen als Nährstoffe dienen. Außerdem liefert Asche eine gute Menge an Kalium, dem zweitwichtigsten Makronährstoff von Pflanzen. Kalium fördert das Wachstum von Blättern und Früchten und verbessert die Toleranz der Pflanze gegenüber Wasserknappheit. Etwas verbranntes und damit vergangenes und "totes" bildet also die Grundlage dafür, das wieder neues Leben, wortwörtlich in voller Blüte, entstehen kann.
Neben meiner Arbeit in den Gärten konnte ich verschiedenen Veranstaltungen beiwohnen. Ich war drei Mal bei den Stunden der Lehramtsstudierenden dabei, die einmal wöchentlich in die 5. und 6. Klassen gehen und dort eine Einheit zum Thema Umweltbildung geben. Der letzte Termin fand nicht in der Schule statt, sondern wir haben uns gemeinsam zum Laden der Kooperation "SanJe" begeben. Die Kooperation SanJe ist eine Kooperation von verschiedenen Landwirten aus San Jerónimo Tecuanipan, die sich mit der Unterstützung von Casita de Barro zusammengetan haben und ihre verschiedenen Produkte gemeinsam unter dem Namen der Kooperation verkaufen. Dort haben Renato und Rosalba, zwei Mitglieder der Kooperation, den Kindern erklärt, wie eine Kooperation funktioniert, wo die Produkte herstammen, die sie verkaufen, und wie sie angebaut werden. Rosalba hat den Kindern ihren Garten, ihre Kuh und ihre zwei Schafe gezeigt und, besonders interessant, ihren "Biodigestor": Die Gülle, die ihre Kuh ausscheidet, verwendet Rosalba, um daraus Biogas herzustellen, das sie in ihr Haus zum Herd weiterleitet, um damit zu kochen. In dem Prozess wird die Gülle mit Hilfe von Bakterien und dem Ausschluss von Sauerstoff vergärt und so zu Biogas. Das hatte ich in einem Privathaushalt bisher noch nie irgendwo so gesehen, wobei die Kosten und der Arbeitsaufwand zur Installation im Vergleich zum Nutzen wirklich gering sind. Für mich auf jeden Fall sehr eindrucksvoll, und da es im Anschluss Popkorn für alle gab, das gemeinsam auf dem Biogasherd gemacht wurde, ist es bestimmt auch bei den Kindern im Kopf geblieben.
Eine weitere Form der Umweltbildung, die das Casita de Barro anbietet, sind Wanderungen für Schulklassen am Wochenende. Auch diese durfte ich diesen Monat einmal begleiten. Für die Wanderung haben die Kinder verschiedene Fragen erhalten, mit denen sie sich auf dem Weg beschäftigen sollten. Die Fragen bezogen sich auf die Flüsse und Gewässer der Umgebung, darunter zum Beispiel die beiden Fragen "Welche Bedeutung und welche Ursachen hat die Verschlechterung der Umweltbedingungen in den Gewässern?" und "Wie wirken sich diese Ursachen auf die Gemeinden aus, die sich in der Umgebung oder in den Ausläufern des Popocateptl befinden?". Das Ziel der Wanderung war ein Berg, der eine wunderschöne Aussicht auf den Popocatéptl bietet. Hier haben die Kinder in Gruppen jeweils eine Agave gepflanzt. Nach der Rückkehr ins Casita de Barro gab es noch eine kleine Diskussion über die Erlebnisse und die Erkenntnisse der Wanderung.
Am letzten Freitag hatten wir im Casita de Barro eine Zusammenkunft verschiedener Organisation, um sich mit der Thematik des Labors zu beschäftigen, das auf dem Grundstück vom Casita de Barro gebaut werden soll (natürlich mit Hilfe von Biokonstruktion). In dem Labor werden zukünftig natürliche Pflanzenschutzmittel hergestellt und es gab Vorträge, ein gemeinsames Essen und einen regen Austausch über ökologische Landwirtschaft.
Außerdem wird zur Zeit eine neue Komposttoilette in den "Huertos Comunitarios", die sich neben Casita de Barro befinden, gebaut und am Montag konnte ich ein wenig bei der Konstruktion mithelfen, was mir viel Spaß gemacht hat.
Dies war ein kleiner Einblick in meine Erlebnisse auf der Arbeit.
Und sonst so?
Auch in meiner Freizeit konnte ich in den letzten Wochen einiges erleben. Von Geburtstagsfeiern mit dem Motto pink, über eine mexikanische Feier mit den andern Freiwilligen und ihren Gastfamilien inklusive Piñata, über die traditionelle Herstellung von mexikanischer Schokolade mit den Freunden von meiner Arbeitskollegin bis hin zu meinem ersten Oktoberfest in der Deutschen Schule, in der Carmen Spanisch unterrichtet.
Für mich geht es jetzt morgen in meinen ersten Urlaub, fünf Tage nach Oaxaca zusammen mit Carmen und einer Freundin von ihr. Dort werden wir am 01. und 02. November den "Día de Muertos" ("Tag der Toten") erleben, den wohl wichtigsten, und bekanntesten Feiertag in Mexiko. Ich freue mich schon darauf, euch in einer Woche von diesem Erlebnis berichten zu können!
Bis dahin, ganz liebe Grüße
Sandy