Veröffentlicht: 26.12.2018
Tag 83
Wenn man an Weihnachten mit T-shirt vor einem riesigen Wasserfall mitten im Dschungel steht und dann wenig später, nachdem man eine Höhle entlang gekrachselt ist durch den strömenden Regen marschiert, dann weiß man, dass man in Neuseeland ist.
Heute ist der zweite Weihnachtsfeiertag und die letzten Weihnachtsstunden klingen langsam aus. Über die Weihnachtstage waren wir in Whangarei, einer etwas größeren Stadt im Northland. Dort waren wir an Heiligabend schicker essen, als unser Portemonnaie das eigentlich zulässt, aber während wir unsere dekadenten Speisen bestellten und verköstigten sahen wir einfach einmal nicht auf die Preise, wie wir das eigentlich die letzten Monate immer tun mussten. Als die Rechnung kam, war der Unterkiefer dann schon unten, aber bereuen tun wir gar nichts. Es ist schließlich Weihnachten. Anbei sei erwähnt, dass Rotwein trinken gewiss ein elitäres Bewusstsein erweckt, dass das Zeug irgendjemandem wirklich schmeckt kann mir trotzdem keiner erzählen. Ist ja auch egal, der Weißwein zumindest war gut, und stammte tatsächlich aus Malborough, der Region Neuseelands, in der wir vor wenigen Wochen selbst auf einer Weinplantage gearbeitet haben.
Es war alles in allem wirklich ein gelungener Heiliger Abend (sagt man das so?), auch wenn es draußen in strömen geregnet hat, was uns allerdings mit den Gedanken bei unserer Crème Brûlée nur am Rande beschäftigte.
Als wir gerade unser Dessert bekamen, stieß Linus’ Bruder Moritz dazu, dessen Bus von Auckland aus leider zwei Stunden Verspätung hatte und der uns die nächsten und letzten Tage hier in Neuseeland besucht.
Der erste Weihnachtstag, also der 25.12 gestern war im Vergleich zum gemütlichen Dinner tags zuvor schon weniger besinnlich, wenn auch nicht weniger aufregend. Der Plan hieß, erst mal ohne Plan vom Hotel aus loszulaufen, in Richtung eines Wasserfalls den es in der Nähe von Whangarei geben sollte. Den haben wir dann auch eine Stunde später erreicht. Das Wetter war hervorragend, der Wasserfall gigantisch und der Weihnachtstag konnte starten. „Diese scheiß App zeigt jetzt gerade wieder 80% Regen an“, sagte Linus und wir blickten in den blauen Himmel und lachten. Zehn Minuten später marschierten wir mit Jacken durch den Starkregen weiter. Das ist Neuseeland.
Das Ziel waren die Abbey Caves, also die unterirdischen Höhlen in der Nähe. Und auf der Karte sahen die auch nach „zu Fuß ohne Probleme zu erreichen“ aus. Etwas später sah man uns dann auf einem vielbefahrenen Highway wieder, in einer Reihe, einer hinter dem anderen, immer wieder die Straße wechselnd, danach richtend wo der Streifen zum Gehen breiter war. Als wir die Höhle dann nach etwa einer Stunde Marsch im weihnachtlichen Nieselregen erreicht hatten, wurden wir belohnt. Wir standen vor einem düsteren Höhleneingang, dessen steinige Tiefe nur etwa drei Meter Sicht bot. Zum Glück hatten Linus und ich zufälligerweise unsere Kopflampen dabei, Moritz nahm am Anfang einfach seine Handy Taschenlampe. Viel mehr Ausrüstung hatten wir allerdings nicht dabei und wir kamen uns in unseren Sneakers und in Strandurlaubs ähnlichem Outfit mal wieder lächerlich naiv vor. Aber wir waren trotzdem viel zu neugierig was uns in der Tiefe erwarten würde und so stiegen wir einer nach dem anderen in die felsige Dunkelheit. Zuerst begrüßte uns ein flacher Flusslauf, sodass wir nach einiger Zeit unsere Schuhe ausziehen mussten, um weiter hinein zu kommen und später sahen wir an der Höhlendecke hunderte kleine leuchtende Pünktchen. Glühwürmchen. Links und rechts etwa fünf Meter hohe Felswände, vor uns der feuchte in das Schwarz reichende und etwa zwei Meter breite Weg. Das war der Wahnsinn. Die Höhle war wie aus einem Film, extrem faszinierend mit den ganzen Glühwürmchen und der perfekt geformten Schlucht, auf der anderen Seite auch gruselig. Und als Moritz dann von einem Film erzählte in dem sich ein Radfahrer den Arm selbst abschneiden musste, weil er in einen Felsspalt gefallen ist, und ich die thailändische Fußballmannschaft erwähnt die Anfang diesen Jahres in einer ähnlichen Höhle vom Wasser überrascht wurde, wollten wir auch eigentlich nur noch wieder raus. Trotzdem waren wir drin und haben somit Weihnachten nicht unterm Tannenbaum verbracht, sondern in einer uralten steinzeitähnlichen Höhle.
Heute sind wir mit dem Auto, dass wir uns noch für die letzten Tage gemietet haben auf die Coromandel Halbinsel gefahren, wo wir zu dritt für ein paar Tage ein kleines Apartment direkt am Strand haben. Es fühlt sich wirklich mal so richtig nach Sommerurlaub an, ganz anders als die Zeit in der Vergangenheit. Wir sind jetzt an einem Ort, haben ein richtiges Bett und den Strand und die Sonne direkt vor der Tür.
Auch Weihnachten ist nun schon wieder vorbei und wir genießen nun unsere letzten Tage und sind gespannt wie Sylvester wird. Am anderen Ende der Welt.